Dennoch ist gerade das Gegentheil der Fall. Die ganze Verwaltung der Leistungen der Einzelnen an den Verein und der Rechte des Vereins gegen seine Mitglieder ist sowohl bei den offenen Gesellschaften, als bei den Commanditen, als endlich namentlich bei den Aktienvereinen Gegen- stand öffentlicher Gesetzgebung geworden, und daher der Bestimmung des Vereinsvertrages fast ganz entzogen. Die innere Verwaltung ist daher hier fast auf jedem Punkte eine öffentliche, und der Unterschied zwischen diesen Vereinen und den öffentlichen unter der Staatsverwal- tung stehenden Anstalten besteht fast nur noch in der Freiheit des Ein- tritts der Mitglieder, im Rechte der Wahl des Verwaltungsorganismus und der freien Diskussion über die wirkliche Verwaltung, nicht aber in dem Rechte der Gesellschaften, sich nach eigenem Ermessen selbst Gesetze zu geben. In der That ist in diesen Gesetzen nur noch das Entstehen und die Auflösung, und auch nicht einmal die letztere mehr, ganz in den Willen der Mitglieder gestellt; auf allen andern Punkten haben sie nur noch die wirkliche Ausführung unter den vom Staate ihnen gesetzten rechtlichen Bedingungen. Wir werden den ganz richtigen Grund dieses Verhältnisses unten darlegen. Es zeigt sich aber, daß innerhalb dieser Gruppe von Vereinen die einzelnen Abtheilungen wieder ihre eigenen Grundsätze der Verwaltung haben, die sich später zu einem vollständigen Körper von Gesetzen und Rechtsbestimmungen entwickeln. Und so erscheint schon hier auch das Vereinsverwaltungsrecht als ein in seinem allgemeinen Theile weitläuftig und doch organisch ent- wickeltes Ganze; es ist klar, daß es keine Verwaltungswissenschaft künftig geben kann, ohne dasselbe in sich aufgenommen und verarbeitet zu haben.
Wir glauben hier die Bemerkung nicht unterlassen zu dürfen, daß wir in diesem allgemeinen Vereinsrecht namentlich das Aktienrecht nicht behandeln wer- den, weil es kein Theil der vollziehenden Organe, sondern ein Gebiet des eigent- lichen Verwaltungsrechts ist, und zwar desjenigen, das es mit der Werthordnung zu thun hat. Die bisherige Darstellung des Aktienrechts hat sich übrigens gerade mit dem öffentlichen Aktienrecht nur wenig beschäftigt, und nur die privatrecht- liche Seite hervorgehoben, weßhalb in jenem Punkte noch fast alles zu thun ist. Das Handelsgesetzbuch hat ganz consequent alle Beitragsvereine weggelassen; unbegreiflich bleibt es, weßhalb es sich auf die Gegenseitigkeitsvereine nicht ein- gelassen hat, die ja doch auch als Gesellschaften fungiren. Auerbach hat ihnen in seinem Gesellschaftswesen einen, wenn auch nur sehr kurzen Abschnitt ge- widmet (Band III. Seite 3). Warum hat er bei seiner Darstellung der Aktien und ihres Rechts auf die Literatur der Inhaberpapiere, namentlich auf Ungers Schrift, gar keine Rücksicht genommen?
Dennoch iſt gerade das Gegentheil der Fall. Die ganze Verwaltung der Leiſtungen der Einzelnen an den Verein und der Rechte des Vereins gegen ſeine Mitglieder iſt ſowohl bei den offenen Geſellſchaften, als bei den Commanditen, als endlich namentlich bei den Aktienvereinen Gegen- ſtand öffentlicher Geſetzgebung geworden, und daher der Beſtimmung des Vereinsvertrages faſt ganz entzogen. Die innere Verwaltung iſt daher hier faſt auf jedem Punkte eine öffentliche, und der Unterſchied zwiſchen dieſen Vereinen und den öffentlichen unter der Staatsverwal- tung ſtehenden Anſtalten beſteht faſt nur noch in der Freiheit des Ein- tritts der Mitglieder, im Rechte der Wahl des Verwaltungsorganismus und der freien Diskuſſion über die wirkliche Verwaltung, nicht aber in dem Rechte der Geſellſchaften, ſich nach eigenem Ermeſſen ſelbſt Geſetze zu geben. In der That iſt in dieſen Geſetzen nur noch das Entſtehen und die Auflöſung, und auch nicht einmal die letztere mehr, ganz in den Willen der Mitglieder geſtellt; auf allen andern Punkten haben ſie nur noch die wirkliche Ausführung unter den vom Staate ihnen geſetzten rechtlichen Bedingungen. Wir werden den ganz richtigen Grund dieſes Verhältniſſes unten darlegen. Es zeigt ſich aber, daß innerhalb dieſer Gruppe von Vereinen die einzelnen Abtheilungen wieder ihre eigenen Grundſätze der Verwaltung haben, die ſich ſpäter zu einem vollſtändigen Körper von Geſetzen und Rechtsbeſtimmungen entwickeln. Und ſo erſcheint ſchon hier auch das Vereinsverwaltungsrecht als ein in ſeinem allgemeinen Theile weitläuftig und doch organiſch ent- wickeltes Ganze; es iſt klar, daß es keine Verwaltungswiſſenſchaft künftig geben kann, ohne daſſelbe in ſich aufgenommen und verarbeitet zu haben.
Wir glauben hier die Bemerkung nicht unterlaſſen zu dürfen, daß wir in dieſem allgemeinen Vereinsrecht namentlich das Aktienrecht nicht behandeln wer- den, weil es kein Theil der vollziehenden Organe, ſondern ein Gebiet des eigent- lichen Verwaltungsrechts iſt, und zwar desjenigen, das es mit der Werthordnung zu thun hat. Die bisherige Darſtellung des Aktienrechts hat ſich übrigens gerade mit dem öffentlichen Aktienrecht nur wenig beſchäftigt, und nur die privatrecht- liche Seite hervorgehoben, weßhalb in jenem Punkte noch faſt alles zu thun iſt. Das Handelsgeſetzbuch hat ganz conſequent alle Beitragsvereine weggelaſſen; unbegreiflich bleibt es, weßhalb es ſich auf die Gegenſeitigkeitsvereine nicht ein- gelaſſen hat, die ja doch auch als Geſellſchaften fungiren. Auerbach hat ihnen in ſeinem Geſellſchaftsweſen einen, wenn auch nur ſehr kurzen Abſchnitt ge- widmet (Band III. Seite 3). Warum hat er bei ſeiner Darſtellung der Aktien und ihres Rechts auf die Literatur der Inhaberpapiere, namentlich auf Ungers Schrift, gar keine Rückſicht genommen?
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Dennoch iſt gerade das Gegentheil der Fall. Die ganze Verwaltung
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den Commanditen, als endlich namentlich bei den Aktienvereinen Gegen-
ſtand öffentlicher Geſetzgebung geworden, und daher der Beſtimmung
des Vereinsvertrages faſt ganz entzogen. Die innere Verwaltung iſt
daher hier faſt auf jedem Punkte eine öffentliche, und der Unterſchied
zwiſchen dieſen Vereinen und den öffentlichen unter der Staatsverwal-
tung ſtehenden Anſtalten beſteht faſt nur noch in der Freiheit des Ein-
tritts der Mitglieder, im Rechte der Wahl des Verwaltungsorganismus
und der freien Diskuſſion über die wirkliche Verwaltung, nicht aber in
dem Rechte der Geſellſchaften, ſich nach eigenem Ermeſſen ſelbſt Geſetze
zu geben. In der That iſt in dieſen Geſetzen nur noch das Entſtehen
und die Auflöſung, und auch nicht einmal die letztere mehr, ganz in
den Willen der Mitglieder geſtellt; auf allen andern Punkten haben
ſie nur noch die wirkliche Ausführung unter den vom Staate ihnen
geſetzten rechtlichen Bedingungen. Wir werden den ganz richtigen Grund
dieſes Verhältniſſes unten darlegen. Es zeigt ſich aber, daß innerhalb
dieſer Gruppe von Vereinen die einzelnen Abtheilungen wieder ihre
eigenen Grundſätze der Verwaltung haben, die ſich ſpäter zu einem
vollſtändigen Körper von Geſetzen und Rechtsbeſtimmungen entwickeln.
Und ſo erſcheint ſchon hier auch das Vereinsverwaltungsrecht als
ein in ſeinem allgemeinen Theile weitläuftig und doch organiſch ent-
wickeltes Ganze; es iſt klar, daß es keine Verwaltungswiſſenſchaft
künftig geben kann, ohne daſſelbe in ſich aufgenommen und verarbeitet
zu haben.
Wir glauben hier die Bemerkung nicht unterlaſſen zu dürfen, daß wir in
dieſem allgemeinen Vereinsrecht namentlich das Aktienrecht nicht behandeln wer-
den, weil es kein Theil der vollziehenden Organe, ſondern ein Gebiet des eigent-
lichen Verwaltungsrechts iſt, und zwar desjenigen, das es mit der Werthordnung
zu thun hat. Die bisherige Darſtellung des Aktienrechts hat ſich übrigens gerade
mit dem öffentlichen Aktienrecht nur wenig beſchäftigt, und nur die privatrecht-
liche Seite hervorgehoben, weßhalb in jenem Punkte noch faſt alles zu thun iſt.
Das Handelsgeſetzbuch hat ganz conſequent alle Beitragsvereine weggelaſſen;
unbegreiflich bleibt es, weßhalb es ſich auf die Gegenſeitigkeitsvereine nicht ein-
gelaſſen hat, die ja doch auch als Geſellſchaften fungiren. Auerbach hat ihnen
in ſeinem Geſellſchaftsweſen einen, wenn auch nur ſehr kurzen Abſchnitt ge-
widmet (Band III. Seite 3). Warum hat er bei ſeiner Darſtellung der Aktien
und ihres Rechts auf die Literatur der Inhaberpapiere, namentlich auf Ungers
Schrift, gar keine Rückſicht genommen?
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 615. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/639>, abgerufen am 22.11.2024.
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