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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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Verfassung angesehen und verfolgt; um ihrerseits diesen Verfolgungen
gegenüber Kraft zu gewinnen, vereinigen sie sich zu geheimen Gesell-
schaften, und so entsteht hier zum erstenmale eine neue Gestalt des
Vereinswesens, die geheime Verbindung. Auch diese erhalten sich,
und erhalten zugleich ihren ursprünglichen Charakter, indem sie den-
selben im folgenden Jahrhundert noch erweitern. Die geheime Ver-
bindung wird die Form, in welcher die Gegensätze in Beziehung auf
die Verfassung und auf die Gesellschaftsordnung sich consolidiren. Sie
verkehren das Wesen des Vereins in sein Gegentheil; anstatt durch die
Vereinigung der Kräfte eine Förderung der Entwicklung zu wollen, wollen
sie einen Umsturz derselben; anstatt durch vereinigte Kraft die Elemente
und die Ausbildung der freien Lebensverhältnisse zu fördern, wollen
sie mit roher Gewalt ihren Ideen den Sieg verschaffen. In dem Be-
wußtsein, durch dieß Princip mit dem Wesen der ganzen Staats- und
Gesellschaftsordnung in Widerstreit zu stehen, müssen sie sich selbst und
ihre Thätigkeit verbergen; sie werden geheime Vereine, und als solche
fallen sie gleich anfangs unter die Thätigkeit der Sicherheitspolizei. Sie
haben von da die Bedeutung einer Gefahr, aber nicht die eines för-
dernden Elements; sie dienen dazu, die Widersprüche, die sich in der
staatlichen und gesellschaftlichen Welt zeigen, kennen zu lernen, aber
nicht sie zu bewältigen. Und damit treten sie aus dem ganzen Gebiete
des Vereinswesens hinaus, während sich das letztere in großartiger
Weise mit dem neunzehnten Jahrhundert zu entfalten beginnt.

Das neunzehnte Jahrhundert ist die Epoche der staatsbürgerlichen
Gesellschaft, welche eben zunächst die wissenschaftliche Entwicklung in
dem Gebiete des gewerblichen Kapitals, und dann die nicht minder
wichtige geistige Bildung jedes einzelnen Staatsbürgers als die Grund-
lage des Gesammtlebens und als ihren eigenen eigentlichen Zweck setzt.
Die Staatsgewalt ihrerseits erkennt, daß in diesen Elementen der Keim
und das Ziel ihrer eigenen Kraft liege. Sie begrüßt daher jede Be-
wegung, welche hier fördernd eingreift, auf allen Punkten, und reicht
ihr gerne ihre Hand. Die Gesellschaft selbst aber kommt, nachdem der
äußere Friede hergestellt, bald zu der Erkenntniß, daß gerade hier die
wichtigste Bedingung des Fortschrittes in der freien und offenen Ver-
einigung der Kräfte der Einzelnen beruhe. Dieß Bewußtsein durch-
dringt, wie jede große ihrer Zeit entsprechende Wahrheit, das ganze
Volk, und jede Richtung desselben nimmt dasselbe in sich auf, während
andererseits die organische Aufgabe der Staatsverwaltung auch für sich
dasselbe als ihr letztes Ziel anerkennt. Damit nun ist der Satz gegeben,
der dem neuen Vereinswesen das gesammte Gebiet des innern Staats-
lebens öffnet. Indem die Staaten die Grundlagen ihrer Macht und

Verfaſſung angeſehen und verfolgt; um ihrerſeits dieſen Verfolgungen
gegenüber Kraft zu gewinnen, vereinigen ſie ſich zu geheimen Geſell-
ſchaften, und ſo entſteht hier zum erſtenmale eine neue Geſtalt des
Vereinsweſens, die geheime Verbindung. Auch dieſe erhalten ſich,
und erhalten zugleich ihren urſprünglichen Charakter, indem ſie den-
ſelben im folgenden Jahrhundert noch erweitern. Die geheime Ver-
bindung wird die Form, in welcher die Gegenſätze in Beziehung auf
die Verfaſſung und auf die Geſellſchaftsordnung ſich conſolidiren. Sie
verkehren das Weſen des Vereins in ſein Gegentheil; anſtatt durch die
Vereinigung der Kräfte eine Förderung der Entwicklung zu wollen, wollen
ſie einen Umſturz derſelben; anſtatt durch vereinigte Kraft die Elemente
und die Ausbildung der freien Lebensverhältniſſe zu fördern, wollen
ſie mit roher Gewalt ihren Ideen den Sieg verſchaffen. In dem Be-
wußtſein, durch dieß Princip mit dem Weſen der ganzen Staats- und
Geſellſchaftsordnung in Widerſtreit zu ſtehen, müſſen ſie ſich ſelbſt und
ihre Thätigkeit verbergen; ſie werden geheime Vereine, und als ſolche
fallen ſie gleich anfangs unter die Thätigkeit der Sicherheitspolizei. Sie
haben von da die Bedeutung einer Gefahr, aber nicht die eines för-
dernden Elements; ſie dienen dazu, die Widerſprüche, die ſich in der
ſtaatlichen und geſellſchaftlichen Welt zeigen, kennen zu lernen, aber
nicht ſie zu bewältigen. Und damit treten ſie aus dem ganzen Gebiete
des Vereinsweſens hinaus, während ſich das letztere in großartiger
Weiſe mit dem neunzehnten Jahrhundert zu entfalten beginnt.

Das neunzehnte Jahrhundert iſt die Epoche der ſtaatsbürgerlichen
Geſellſchaft, welche eben zunächſt die wiſſenſchaftliche Entwicklung in
dem Gebiete des gewerblichen Kapitals, und dann die nicht minder
wichtige geiſtige Bildung jedes einzelnen Staatsbürgers als die Grund-
lage des Geſammtlebens und als ihren eigenen eigentlichen Zweck ſetzt.
Die Staatsgewalt ihrerſeits erkennt, daß in dieſen Elementen der Keim
und das Ziel ihrer eigenen Kraft liege. Sie begrüßt daher jede Be-
wegung, welche hier fördernd eingreift, auf allen Punkten, und reicht
ihr gerne ihre Hand. Die Geſellſchaft ſelbſt aber kommt, nachdem der
äußere Friede hergeſtellt, bald zu der Erkenntniß, daß gerade hier die
wichtigſte Bedingung des Fortſchrittes in der freien und offenen Ver-
einigung der Kräfte der Einzelnen beruhe. Dieß Bewußtſein durch-
dringt, wie jede große ihrer Zeit entſprechende Wahrheit, das ganze
Volk, und jede Richtung deſſelben nimmt daſſelbe in ſich auf, während
andererſeits die organiſche Aufgabe der Staatsverwaltung auch für ſich
daſſelbe als ihr letztes Ziel anerkennt. Damit nun iſt der Satz gegeben,
der dem neuen Vereinsweſen das geſammte Gebiet des innern Staats-
lebens öffnet. Indem die Staaten die Grundlagen ihrer Macht und

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[533/0557] Verfaſſung angeſehen und verfolgt; um ihrerſeits dieſen Verfolgungen gegenüber Kraft zu gewinnen, vereinigen ſie ſich zu geheimen Geſell- ſchaften, und ſo entſteht hier zum erſtenmale eine neue Geſtalt des Vereinsweſens, die geheime Verbindung. Auch dieſe erhalten ſich, und erhalten zugleich ihren urſprünglichen Charakter, indem ſie den- ſelben im folgenden Jahrhundert noch erweitern. Die geheime Ver- bindung wird die Form, in welcher die Gegenſätze in Beziehung auf die Verfaſſung und auf die Geſellſchaftsordnung ſich conſolidiren. Sie verkehren das Weſen des Vereins in ſein Gegentheil; anſtatt durch die Vereinigung der Kräfte eine Förderung der Entwicklung zu wollen, wollen ſie einen Umſturz derſelben; anſtatt durch vereinigte Kraft die Elemente und die Ausbildung der freien Lebensverhältniſſe zu fördern, wollen ſie mit roher Gewalt ihren Ideen den Sieg verſchaffen. In dem Be- wußtſein, durch dieß Princip mit dem Weſen der ganzen Staats- und Geſellſchaftsordnung in Widerſtreit zu ſtehen, müſſen ſie ſich ſelbſt und ihre Thätigkeit verbergen; ſie werden geheime Vereine, und als ſolche fallen ſie gleich anfangs unter die Thätigkeit der Sicherheitspolizei. Sie haben von da die Bedeutung einer Gefahr, aber nicht die eines för- dernden Elements; ſie dienen dazu, die Widerſprüche, die ſich in der ſtaatlichen und geſellſchaftlichen Welt zeigen, kennen zu lernen, aber nicht ſie zu bewältigen. Und damit treten ſie aus dem ganzen Gebiete des Vereinsweſens hinaus, während ſich das letztere in großartiger Weiſe mit dem neunzehnten Jahrhundert zu entfalten beginnt. Das neunzehnte Jahrhundert iſt die Epoche der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft, welche eben zunächſt die wiſſenſchaftliche Entwicklung in dem Gebiete des gewerblichen Kapitals, und dann die nicht minder wichtige geiſtige Bildung jedes einzelnen Staatsbürgers als die Grund- lage des Geſammtlebens und als ihren eigenen eigentlichen Zweck ſetzt. Die Staatsgewalt ihrerſeits erkennt, daß in dieſen Elementen der Keim und das Ziel ihrer eigenen Kraft liege. Sie begrüßt daher jede Be- wegung, welche hier fördernd eingreift, auf allen Punkten, und reicht ihr gerne ihre Hand. Die Geſellſchaft ſelbſt aber kommt, nachdem der äußere Friede hergeſtellt, bald zu der Erkenntniß, daß gerade hier die wichtigſte Bedingung des Fortſchrittes in der freien und offenen Ver- einigung der Kräfte der Einzelnen beruhe. Dieß Bewußtſein durch- dringt, wie jede große ihrer Zeit entſprechende Wahrheit, das ganze Volk, und jede Richtung deſſelben nimmt daſſelbe in ſich auf, während andererſeits die organiſche Aufgabe der Staatsverwaltung auch für ſich daſſelbe als ihr letztes Ziel anerkennt. Damit nun iſt der Satz gegeben, der dem neuen Vereinsweſen das geſammte Gebiet des innern Staats- lebens öffnet. Indem die Staaten die Grundlagen ihrer Macht und

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 533. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/557>, abgerufen am 24.11.2024.