öffentliche Institute, die halb auf dem Princip des freien Vereins, halb auf dem der Verwaltung beruhen. Das sind die großen Handels- Compagnien, die im 17. und 18. Jahrhundert entstehen, und so viele und große Dinge durchgeführt haben. Sie sind die herrschende Gestalt des Vereinswesens in dieser Zeit. An sie schließt sich eine zweite, die mit ihnen auf das Engste zusammenhängt. Das sind die neu entstehenden großen Geld- und Creditinstitute, die Banken, die zugleich zu Finanzorganen werden. Handelscompagnien und Banken zeigen uns das Vereinswesen auf einem Gebiet, wo es bisher fremd gewesen. Beide sind unfähig, sich an eine bestimmte Stadt, an einen bestimmten Ort anzuschließen. Sie sind die erste Gestalt volkswirth- schaftlicher Vereine, in ihrem Umfange wie in ihrem Zwecke sich über die Interessen ganzer Reiche verbreitend. Sie müssen daher auch eine Form erzeugen, in welcher sie jedes Capital in sich aufnehmen können; sie dürfen nicht, wie die Zunft und Innung, sich auf einzelne Personen beschränken; sie bedürfen wo möglich des gesammten volkswirthschaft- lichen Capitals, und die Form, in der sie dasselbe in ihr Vereinswesen herbei ziehen, ist die Actie. Mit der Actie tritt ein ganz neues Ele- ment in das Vereinsleben. Durch sie wird einerseits der Verein frei, das heißt, er fordert gar keine Art von Bedingungen mehr für die Mitglieder, als die Zahlung des Kaufpreises der Actie, und damit tritt das Vereinswesen durch sie zum erstenmale definitiv über die Gränze der ständischen Unterschiede hinaus, nur noch den gewerblichen Besitz, das Werthcapital, als maßgebend anerkennend. Es ist der erste gewaltige Sieg des Princips der staatsbürgerlichen Gesellschaft über das Ständethum, der erste und zugleich großartige Beweis, was das ge- werbliche Capital durch seine Vereinigung vermag, und zwar nicht bloß in der wirthschaftlichen, sondern auch in der gewerblichen Welt. Aber dieß ganze Vereinswesen bewegt sich noch immer innerhalb des Gebietes der großen Capitalien und Handelsunternehmungen, der Verein selbst hat nicht die freie Selbstbestimmung, die das Wesen des Vereins aus- macht; seine Vereinsform ruht auf den ihm bewilligten Vorrechten; sein Gebiet erstreckt sich nicht über das ganze Volksleben; es ist der erste, aber noch ganz vereinzelte Versuch; erst das folgende Jahrhundert konnte das, was hier begonnen war, zur vollen Entwicklung bringen.
Unterdessen erzeugt die sich immer kräftiger entwickelnde staatsbür- gerliche Gesellschaft neue Principien über öffentliches Recht und Ver- fassungen, die aber mit der bestehenden öffentlichen Ordnung im direkten Gegensatze stehen. Dieser Gegensatz verbittert sich; der Kampf naht; und das Vorgefühl dieses Kampfes bringt die Gesinnungsgenossen immer näher an einander. Naturgemäß werden die letzteren als Feinde der
öffentliche Inſtitute, die halb auf dem Princip des freien Vereins, halb auf dem der Verwaltung beruhen. Das ſind die großen Handels- Compagnien, die im 17. und 18. Jahrhundert entſtehen, und ſo viele und große Dinge durchgeführt haben. Sie ſind die herrſchende Geſtalt des Vereinsweſens in dieſer Zeit. An ſie ſchließt ſich eine zweite, die mit ihnen auf das Engſte zuſammenhängt. Das ſind die neu entſtehenden großen Geld- und Creditinſtitute, die Banken, die zugleich zu Finanzorganen werden. Handelscompagnien und Banken zeigen uns das Vereinsweſen auf einem Gebiet, wo es bisher fremd geweſen. Beide ſind unfähig, ſich an eine beſtimmte Stadt, an einen beſtimmten Ort anzuſchließen. Sie ſind die erſte Geſtalt volkswirth- ſchaftlicher Vereine, in ihrem Umfange wie in ihrem Zwecke ſich über die Intereſſen ganzer Reiche verbreitend. Sie müſſen daher auch eine Form erzeugen, in welcher ſie jedes Capital in ſich aufnehmen können; ſie dürfen nicht, wie die Zunft und Innung, ſich auf einzelne Perſonen beſchränken; ſie bedürfen wo möglich des geſammten volkswirthſchaft- lichen Capitals, und die Form, in der ſie daſſelbe in ihr Vereinsweſen herbei ziehen, iſt die Actie. Mit der Actie tritt ein ganz neues Ele- ment in das Vereinsleben. Durch ſie wird einerſeits der Verein frei, das heißt, er fordert gar keine Art von Bedingungen mehr für die Mitglieder, als die Zahlung des Kaufpreiſes der Actie, und damit tritt das Vereinsweſen durch ſie zum erſtenmale definitiv über die Gränze der ſtändiſchen Unterſchiede hinaus, nur noch den gewerblichen Beſitz, das Werthcapital, als maßgebend anerkennend. Es iſt der erſte gewaltige Sieg des Princips der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft über das Ständethum, der erſte und zugleich großartige Beweis, was das ge- werbliche Capital durch ſeine Vereinigung vermag, und zwar nicht bloß in der wirthſchaftlichen, ſondern auch in der gewerblichen Welt. Aber dieß ganze Vereinsweſen bewegt ſich noch immer innerhalb des Gebietes der großen Capitalien und Handelsunternehmungen, der Verein ſelbſt hat nicht die freie Selbſtbeſtimmung, die das Weſen des Vereins aus- macht; ſeine Vereinsform ruht auf den ihm bewilligten Vorrechten; ſein Gebiet erſtreckt ſich nicht über das ganze Volksleben; es iſt der erſte, aber noch ganz vereinzelte Verſuch; erſt das folgende Jahrhundert konnte das, was hier begonnen war, zur vollen Entwicklung bringen.
Unterdeſſen erzeugt die ſich immer kräftiger entwickelnde ſtaatsbür- gerliche Geſellſchaft neue Principien über öffentliches Recht und Ver- faſſungen, die aber mit der beſtehenden öffentlichen Ordnung im direkten Gegenſatze ſtehen. Dieſer Gegenſatz verbittert ſich; der Kampf naht; und das Vorgefühl dieſes Kampfes bringt die Geſinnungsgenoſſen immer näher an einander. Naturgemäß werden die letzteren als Feinde der
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öffentliche Inſtitute, die halb auf dem Princip des freien Vereins, halb
auf dem der Verwaltung beruhen. Das ſind die großen Handels-
Compagnien, die im 17. und 18. Jahrhundert entſtehen, und ſo
viele und große Dinge durchgeführt haben. Sie ſind die herrſchende
Geſtalt des Vereinsweſens in dieſer Zeit. An ſie ſchließt ſich eine
zweite, die mit ihnen auf das Engſte zuſammenhängt. Das ſind die
neu entſtehenden großen Geld- und Creditinſtitute, die Banken, die
zugleich zu Finanzorganen werden. Handelscompagnien und Banken
zeigen uns das Vereinsweſen auf einem Gebiet, wo es bisher fremd
geweſen. Beide ſind unfähig, ſich an eine beſtimmte Stadt, an einen
beſtimmten Ort anzuſchließen. Sie ſind die erſte Geſtalt volkswirth-
ſchaftlicher Vereine, in ihrem Umfange wie in ihrem Zwecke ſich über
die Intereſſen ganzer Reiche verbreitend. Sie müſſen daher auch eine
Form erzeugen, in welcher ſie jedes Capital in ſich aufnehmen können;
ſie dürfen nicht, wie die Zunft und Innung, ſich auf einzelne Perſonen
beſchränken; ſie bedürfen wo möglich des geſammten volkswirthſchaft-
lichen Capitals, und die Form, in der ſie daſſelbe in ihr Vereinsweſen
herbei ziehen, iſt die Actie. Mit der Actie tritt ein ganz neues Ele-
ment in das Vereinsleben. Durch ſie wird einerſeits der Verein frei,
das heißt, er fordert gar keine Art von Bedingungen mehr für die
Mitglieder, als die Zahlung des Kaufpreiſes der Actie, und damit
tritt das Vereinsweſen durch ſie zum erſtenmale definitiv über die
Gränze der ſtändiſchen Unterſchiede hinaus, nur noch den gewerblichen
Beſitz, das Werthcapital, als maßgebend anerkennend. Es iſt der erſte
gewaltige Sieg des Princips der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft über das
Ständethum, der erſte und zugleich großartige Beweis, was das ge-
werbliche Capital durch ſeine Vereinigung vermag, und zwar nicht bloß
in der wirthſchaftlichen, ſondern auch in der gewerblichen Welt. Aber
dieß ganze Vereinsweſen bewegt ſich noch immer innerhalb des Gebietes
der großen Capitalien und Handelsunternehmungen, der Verein ſelbſt
hat nicht die freie Selbſtbeſtimmung, die das Weſen des Vereins aus-
macht; ſeine Vereinsform ruht auf den ihm bewilligten Vorrechten;
ſein Gebiet erſtreckt ſich nicht über das ganze Volksleben; es iſt der
erſte, aber noch ganz vereinzelte Verſuch; erſt das folgende Jahrhundert
konnte das, was hier begonnen war, zur vollen Entwicklung bringen.
Unterdeſſen erzeugt die ſich immer kräftiger entwickelnde ſtaatsbür-
gerliche Geſellſchaft neue Principien über öffentliches Recht und Ver-
faſſungen, die aber mit der beſtehenden öffentlichen Ordnung im direkten
Gegenſatze ſtehen. Dieſer Gegenſatz verbittert ſich; der Kampf naht;
und das Vorgefühl dieſes Kampfes bringt die Geſinnungsgenoſſen immer
näher an einander. Naturgemäß werden die letzteren als Feinde der
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 532. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/556>, abgerufen am 21.11.2024.
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