genommen ward; die Gemeindeverfassung sollte eben das Vorbild des Sieges der staatsbürgerlichen Gesellschaft über die noch herrschenden Reste der ständischen sein. Daher kam es endlich, daß die preußische Städteordnung von 1808 nicht bloß ganz Deutschland als etwas hoch- bedeutendes erschien, sondern auch wirklich hochbedeutend war. Sie war eben die erste verfassungsmäßige Anerkennung der Rechte und Ord- nungen der staatsbürgerlichen Gesellschaft im Norden Deutschlands; es war der erste Sieg, den sie, in Verbindung mit der ihr entsprechenden Gewerbefreiheit, im öffentlichen Rechte erfochten, gleichsam eine verfas- sungsmäßige Burg gegenüber den ständischen Ordnungen und der Amts- gewalt, welche im innigen Vereine nach innen das ganze übrige Staats- leben beherrschten. Um diese Verfassung erhob sich nun der Kampf beider Elemente; man fühlte, daß man bei ihr als einem Anfange nicht stehen bleiben könne; die Principien, die für sie galten, mußten entweder zu Grunde gehen, oder allgemein werden. Es ist das dreizehnte und vier- zehnte Jahrhundert des Städtewesens, nur in einer andern Form; und es ist verzeihlich, daß man darüber alle andern Gebiete und Formen der Selbstverwaltung vergaß, obwohl nichts verkehrter war, als die Stadtverfassung überhaupt mit der Gemeindeverfassung zu identificiren.
Denn während in den Städten allerdings der staatsbürgerliche Begriff der Gemeinde zur Geltung gelangte, blieb das Land in seiner alten Verfassung. Die Geschichte der Landgemeinde ist neben der der Stadtgemeinde noch nicht geschrieben. Ihre Elemente sind in Deutsch- land zu eigenthümlich, als daß wir sie hier nicht besonders darlegen sollten.
Wir haben früher die beiden historischen Begriffe von Dorfschaft und Herrschaft aufgestellt. Beide Begriffe bleiben von entscheidender Wichtigkeit, aber sie müssen gerade auf dem Lande mit dem dritten großen Faktor in Verbindung gebracht werden, dem Amtskörper. Schon im Beginne dieses Jahrhunderts gibt es keine reine Dorfschaft und keine reine Herrschaft mehr. Der amtliche Organismus des Staats hat sich über beide ausgebreitet. Er hat auf allen Punkten diejenigen Verwaltungsaufgaben, welche sich über eine Mehrheit von Dorf- oder Herrschaften ausdehnen, in seinen Bereich gezogen. Indem er die rein örtliche Competenz jener Körper anerkannte, hat er sie auf das Aeußerste beschränkt, und sich zum Organ jeder allgemeinen Verwaltungsange- legenheit gemacht. Während daher in England die freien Grundbesitzer die Verwaltungsgemeinden mit Selbstbesteuerung schufen, tritt in Deutsch- land das Amt an die Stelle der Verwaltungsgemeinde, und damit die Staatsbesteuerung an die Stelle der Selbst- besteuerung. Das ist von höchster Bedeutung geworden, und hat
genommen ward; die Gemeindeverfaſſung ſollte eben das Vorbild des Sieges der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft über die noch herrſchenden Reſte der ſtändiſchen ſein. Daher kam es endlich, daß die preußiſche Städteordnung von 1808 nicht bloß ganz Deutſchland als etwas hoch- bedeutendes erſchien, ſondern auch wirklich hochbedeutend war. Sie war eben die erſte verfaſſungsmäßige Anerkennung der Rechte und Ord- nungen der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft im Norden Deutſchlands; es war der erſte Sieg, den ſie, in Verbindung mit der ihr entſprechenden Gewerbefreiheit, im öffentlichen Rechte erfochten, gleichſam eine verfaſ- ſungsmäßige Burg gegenüber den ſtändiſchen Ordnungen und der Amts- gewalt, welche im innigen Vereine nach innen das ganze übrige Staats- leben beherrſchten. Um dieſe Verfaſſung erhob ſich nun der Kampf beider Elemente; man fühlte, daß man bei ihr als einem Anfange nicht ſtehen bleiben könne; die Principien, die für ſie galten, mußten entweder zu Grunde gehen, oder allgemein werden. Es iſt das dreizehnte und vier- zehnte Jahrhundert des Städteweſens, nur in einer andern Form; und es iſt verzeihlich, daß man darüber alle andern Gebiete und Formen der Selbſtverwaltung vergaß, obwohl nichts verkehrter war, als die Stadtverfaſſung überhaupt mit der Gemeindeverfaſſung zu identificiren.
Denn während in den Städten allerdings der ſtaatsbürgerliche Begriff der Gemeinde zur Geltung gelangte, blieb das Land in ſeiner alten Verfaſſung. Die Geſchichte der Landgemeinde iſt neben der der Stadtgemeinde noch nicht geſchrieben. Ihre Elemente ſind in Deutſch- land zu eigenthümlich, als daß wir ſie hier nicht beſonders darlegen ſollten.
Wir haben früher die beiden hiſtoriſchen Begriffe von Dorfſchaft und Herrſchaft aufgeſtellt. Beide Begriffe bleiben von entſcheidender Wichtigkeit, aber ſie müſſen gerade auf dem Lande mit dem dritten großen Faktor in Verbindung gebracht werden, dem Amtskörper. Schon im Beginne dieſes Jahrhunderts gibt es keine reine Dorfſchaft und keine reine Herrſchaft mehr. Der amtliche Organismus des Staats hat ſich über beide ausgebreitet. Er hat auf allen Punkten diejenigen Verwaltungsaufgaben, welche ſich über eine Mehrheit von Dorf- oder Herrſchaften ausdehnen, in ſeinen Bereich gezogen. Indem er die rein örtliche Competenz jener Körper anerkannte, hat er ſie auf das Aeußerſte beſchränkt, und ſich zum Organ jeder allgemeinen Verwaltungsange- legenheit gemacht. Während daher in England die freien Grundbeſitzer die Verwaltungsgemeinden mit Selbſtbeſteuerung ſchufen, tritt in Deutſch- land das Amt an die Stelle der Verwaltungsgemeinde, und damit die Staatsbeſteuerung an die Stelle der Selbſt- beſteuerung. Das iſt von höchſter Bedeutung geworden, und hat
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genommen ward; die Gemeindeverfaſſung ſollte eben das Vorbild des
Sieges der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft über die noch herrſchenden
Reſte der ſtändiſchen ſein. Daher kam es endlich, daß die preußiſche
Städteordnung von 1808 nicht bloß ganz Deutſchland als etwas hoch-
bedeutendes erſchien, ſondern auch wirklich hochbedeutend war. Sie
war eben die erſte verfaſſungsmäßige Anerkennung der Rechte und Ord-
nungen der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft im Norden Deutſchlands; es
war der erſte Sieg, den ſie, in Verbindung mit der ihr entſprechenden
Gewerbefreiheit, im öffentlichen Rechte erfochten, gleichſam eine verfaſ-
ſungsmäßige Burg gegenüber den ſtändiſchen Ordnungen und der Amts-
gewalt, welche im innigen Vereine nach innen das ganze übrige Staats-
leben beherrſchten. Um dieſe Verfaſſung erhob ſich nun der Kampf beider
Elemente; man fühlte, daß man bei ihr als einem Anfange nicht ſtehen
bleiben könne; die Principien, die für ſie galten, mußten entweder zu
Grunde gehen, oder allgemein werden. Es iſt das dreizehnte und vier-
zehnte Jahrhundert des Städteweſens, nur in einer andern Form; und
es iſt verzeihlich, daß man darüber alle andern Gebiete und Formen
der Selbſtverwaltung vergaß, obwohl nichts verkehrter war, als die
Stadtverfaſſung überhaupt mit der Gemeindeverfaſſung zu identificiren.
Denn während in den Städten allerdings der ſtaatsbürgerliche
Begriff der Gemeinde zur Geltung gelangte, blieb das Land in ſeiner
alten Verfaſſung. Die Geſchichte der Landgemeinde iſt neben der der
Stadtgemeinde noch nicht geſchrieben. Ihre Elemente ſind in Deutſch-
land zu eigenthümlich, als daß wir ſie hier nicht beſonders darlegen
ſollten.
Wir haben früher die beiden hiſtoriſchen Begriffe von Dorfſchaft
und Herrſchaft aufgeſtellt. Beide Begriffe bleiben von entſcheidender
Wichtigkeit, aber ſie müſſen gerade auf dem Lande mit dem dritten
großen Faktor in Verbindung gebracht werden, dem Amtskörper.
Schon im Beginne dieſes Jahrhunderts gibt es keine reine Dorfſchaft
und keine reine Herrſchaft mehr. Der amtliche Organismus des Staats
hat ſich über beide ausgebreitet. Er hat auf allen Punkten diejenigen
Verwaltungsaufgaben, welche ſich über eine Mehrheit von Dorf- oder
Herrſchaften ausdehnen, in ſeinen Bereich gezogen. Indem er die rein
örtliche Competenz jener Körper anerkannte, hat er ſie auf das Aeußerſte
beſchränkt, und ſich zum Organ jeder allgemeinen Verwaltungsange-
legenheit gemacht. Während daher in England die freien Grundbeſitzer
die Verwaltungsgemeinden mit Selbſtbeſteuerung ſchufen, tritt in Deutſch-
land das Amt an die Stelle der Verwaltungsgemeinde,
und damit die Staatsbeſteuerung an die Stelle der Selbſt-
beſteuerung. Das iſt von höchſter Bedeutung geworden, und hat
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/516>, abgerufen am 22.11.2024.
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