ist, während das Mittel, die Aktie, durch ihr Verhältniß zum Werth und Creditumlauf sich weit über die Grenzen der ursprünglichen Gesell- schafter hinaus erstreckt. Dadurch wird der Organismus und die Thätigkeit der Gesellschaft nothwendig Gegenstand des Verwaltungs- rechts, während der Zweck derselben ein rein wirthschaftlicher sein kann. Ist aber der Zweck der, vermöge der Ausübung irgend einer Verwaltungsaufgabe einen Erwerb zu erzielen, so nehmen sie als Ver- waltungsvereine den Charakter und damit auch das Recht derselben an; das Verhältniß der Aktie ist dann ein Gebiet des wirthschaftlichen Gesellschaftsrechts, das Verhältniß der Thätigkeit der Gesellschaft als Ganzes gehört dem Vereinswesen.
Die eigentlichen Vereine sind dann endlich diejenigen Ver- einigungen, deren Zweck die dauernde Ausübung einer Verwaltungs- aufgabe ist. Die historische Form der Vereine auf Grundlage der Ver- waltung der unbeweglichen wirthschaftlichen Güter und ihrer Interessen ist dann der Verband (Wasserverbände, Schulverbände, Wegever- bände etc.); auf Grundlage der Arbeit und ihrer speziellen Interessen erscheinen die historischen Genossenschaften (Zunft, Innung etc.). Beide werden nun von dem Vereinswesen der staatsbürgerlichen Gesell- schaft so weit überragt, daß sie nur noch in Ausnahmen vorkommen.
Das Princip für das eigentliche staatsbürgerliche Vereins- wesen ist, daß jedes Gebiet des öffentlichen Lebens Gegenstand einer dafür bestimmten dauernden und organisirten Vereinigung sein kann. In dem Vereine ist daher die volle freie Bethätigung der Einzelnen im öffentlichen Leben gegeben, da sich in ihm die Einzelnen Mittel, Zweck und Organismus selbst setzen. Die Bedeutung dieses Auftretens der Vereine für das Gesammtleben besteht darin, daß in ihnen sich die Individualitäten für das öffentliche Leben geltend machen können, die sonst mit ihrer Bedeutung keinen Raum gewinnen. In einem freien Staate erfüllt sich daher das ganze Leben desselben mit dem Vereinswesen; und indem es auf diese Weise ein Faktor des Gesammt- lebens wird, entsteht die Nothwendigkeit, das in allen Vereinen ge- meinsame Element zu finden und in diesem das Verhältniß zur Voll- ziehung festzustellen. Dieses gemeinsame Element ist nun das, was wir die organischen Grundbegriffe des Vereins nennen, und ohne welche ein Vereinsrecht nicht entwickelt werden kann.
Jeder Verein ist zuerst seinem Begriffe nach eine juristische Persönlichkeit. Es bedarf dazu keiner besonderen Verleihung des Rechts der letzteren, sondern nur des durch die Regierung nicht wider- sprochenen Akts der öffentlichen Constituirung desselben.
Jeder Verein hat das Element der Gesellschaft dadurch in sich,
Stein, Handbuch der Verwaltungslehre. 3
iſt, während das Mittel, die Aktie, durch ihr Verhältniß zum Werth und Creditumlauf ſich weit über die Grenzen der urſprünglichen Geſell- ſchafter hinaus erſtreckt. Dadurch wird der Organismus und die Thätigkeit der Geſellſchaft nothwendig Gegenſtand des Verwaltungs- rechts, während der Zweck derſelben ein rein wirthſchaftlicher ſein kann. Iſt aber der Zweck der, vermöge der Ausübung irgend einer Verwaltungsaufgabe einen Erwerb zu erzielen, ſo nehmen ſie als Ver- waltungsvereine den Charakter und damit auch das Recht derſelben an; das Verhältniß der Aktie iſt dann ein Gebiet des wirthſchaftlichen Geſellſchaftsrechts, das Verhältniß der Thätigkeit der Geſellſchaft als Ganzes gehört dem Vereinsweſen.
Die eigentlichen Vereine ſind dann endlich diejenigen Ver- einigungen, deren Zweck die dauernde Ausübung einer Verwaltungs- aufgabe iſt. Die hiſtoriſche Form der Vereine auf Grundlage der Ver- waltung der unbeweglichen wirthſchaftlichen Güter und ihrer Intereſſen iſt dann der Verband (Waſſerverbände, Schulverbände, Wegever- bände ꝛc.); auf Grundlage der Arbeit und ihrer ſpeziellen Intereſſen erſcheinen die hiſtoriſchen Genoſſenſchaften (Zunft, Innung ꝛc.). Beide werden nun von dem Vereinsweſen der ſtaatsbürgerlichen Geſell- ſchaft ſo weit überragt, daß ſie nur noch in Ausnahmen vorkommen.
Das Princip für das eigentliche ſtaatsbürgerliche Vereins- weſen iſt, daß jedes Gebiet des öffentlichen Lebens Gegenſtand einer dafür beſtimmten dauernden und organiſirten Vereinigung ſein kann. In dem Vereine iſt daher die volle freie Bethätigung der Einzelnen im öffentlichen Leben gegeben, da ſich in ihm die Einzelnen Mittel, Zweck und Organismus ſelbſt ſetzen. Die Bedeutung dieſes Auftretens der Vereine für das Geſammtleben beſteht darin, daß in ihnen ſich die Individualitäten für das öffentliche Leben geltend machen können, die ſonſt mit ihrer Bedeutung keinen Raum gewinnen. In einem freien Staate erfüllt ſich daher das ganze Leben deſſelben mit dem Vereinsweſen; und indem es auf dieſe Weiſe ein Faktor des Geſammt- lebens wird, entſteht die Nothwendigkeit, das in allen Vereinen ge- meinſame Element zu finden und in dieſem das Verhältniß zur Voll- ziehung feſtzuſtellen. Dieſes gemeinſame Element iſt nun das, was wir die organiſchen Grundbegriffe des Vereins nennen, und ohne welche ein Vereinsrecht nicht entwickelt werden kann.
Jeder Verein iſt zuerſt ſeinem Begriffe nach eine juriſtiſche Perſönlichkeit. Es bedarf dazu keiner beſonderen Verleihung des Rechts der letzteren, ſondern nur des durch die Regierung nicht wider- ſprochenen Akts der öffentlichen Conſtituirung deſſelben.
Jeder Verein hat das Element der Geſellſchaft dadurch in ſich,
Stein, Handbuch der Verwaltungslehre. 3
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iſt, während das Mittel, die Aktie, durch ihr Verhältniß zum Werth
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Thätigkeit der Geſellſchaft nothwendig Gegenſtand des Verwaltungs-
rechts, während der Zweck derſelben ein rein wirthſchaftlicher ſein
kann. Iſt aber der Zweck der, vermöge der Ausübung irgend einer
Verwaltungsaufgabe einen Erwerb zu erzielen, ſo nehmen ſie als Ver-
waltungsvereine den Charakter und damit auch das Recht derſelben an;
das Verhältniß der Aktie iſt dann ein Gebiet des wirthſchaftlichen
Geſellſchaftsrechts, das Verhältniß der Thätigkeit der Geſellſchaft als
Ganzes gehört dem Vereinsweſen.
Die eigentlichen Vereine ſind dann endlich diejenigen Ver-
einigungen, deren Zweck die dauernde Ausübung einer Verwaltungs-
aufgabe iſt. Die hiſtoriſche Form der Vereine auf Grundlage der Ver-
waltung der unbeweglichen wirthſchaftlichen Güter und ihrer Intereſſen
iſt dann der Verband (Waſſerverbände, Schulverbände, Wegever-
bände ꝛc.); auf Grundlage der Arbeit und ihrer ſpeziellen Intereſſen
erſcheinen die hiſtoriſchen Genoſſenſchaften (Zunft, Innung ꝛc.).
Beide werden nun von dem Vereinsweſen der ſtaatsbürgerlichen Geſell-
ſchaft ſo weit überragt, daß ſie nur noch in Ausnahmen vorkommen.
Das Princip für das eigentliche ſtaatsbürgerliche Vereins-
weſen iſt, daß jedes Gebiet des öffentlichen Lebens Gegenſtand einer
dafür beſtimmten dauernden und organiſirten Vereinigung ſein kann.
In dem Vereine iſt daher die volle freie Bethätigung der Einzelnen
im öffentlichen Leben gegeben, da ſich in ihm die Einzelnen Mittel,
Zweck und Organismus ſelbſt ſetzen. Die Bedeutung dieſes Auftretens
der Vereine für das Geſammtleben beſteht darin, daß in ihnen ſich
die Individualitäten für das öffentliche Leben geltend machen können,
die ſonſt mit ihrer Bedeutung keinen Raum gewinnen. In einem
freien Staate erfüllt ſich daher das ganze Leben deſſelben mit dem
Vereinsweſen; und indem es auf dieſe Weiſe ein Faktor des Geſammt-
lebens wird, entſteht die Nothwendigkeit, das in allen Vereinen ge-
meinſame Element zu finden und in dieſem das Verhältniß zur Voll-
ziehung feſtzuſtellen. Dieſes gemeinſame Element iſt nun das, was
wir die organiſchen Grundbegriffe des Vereins nennen, und ohne welche
ein Vereinsrecht nicht entwickelt werden kann.
Jeder Verein iſt zuerſt ſeinem Begriffe nach eine juriſtiſche
Perſönlichkeit. Es bedarf dazu keiner beſonderen Verleihung des
Rechts der letzteren, ſondern nur des durch die Regierung nicht wider-
ſprochenen Akts der öffentlichen Conſtituirung deſſelben.
Jeder Verein hat das Element der Geſellſchaft dadurch in ſich,
Stein, Handbuch der Verwaltungslehre. 3
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/57>, abgerufen am 25.11.2024.
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