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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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Es ergibt sich daher zunächst, daß mit der Verschiedenheit der Men-
schen eine das ganze Leben derselben umfassende Verschiedenheit der
Ehre und Macht entsteht.

Diese Verschiedenheit ist nun nicht bloß eine Thatsache, sondern
sie erscheint vielmehr als das größte organische Princip des Lebens der
Menschheit. Denn aus ihr geht das Streben der Niederen nach der
höheren Entwicklung der Anderen, und zugleich die höchste Befriedigung
der Höheren in der Hingabe des Eigenen an die Niederen hervor,
welche erst dem Dasein die Fülle des geistigen Lebens verleihen. Denn
Leben ist auch hier Wechselwirkung, und die absolute Gleichheit ist der
Tod. Es hat daher nie gleiche Menschen gegeben und kann und darf
sie nicht geben.

Ist dem nun so, so wird diese Verschiedenheit alsbald den Cha-
rakter des persönlichen Daseins annehmen, indem sie dasselbe ganz
umfaßt. Sie wird sich organisiren; das ist, sie wird Bewußtsein,
Willen und äußere Gestalt annehmen. Diese Organisirung kann aber,
da ihr Inhalt ein im Wesen der Persönlichkeit liegender ist, und da
Unterschied und Bewegung in dieser Verschiedenheit absolute Elemente
der Entwicklung werden, nicht bloß auf dem Zufall oder der Will-
kür beruhen, sondern das Leben erschafft sie selber mit unwidersteh-
licher Gewalt. Das nun kann wieder nur geschehen, indem sich
dieselbe an die selbständigen Elemente des letzteren anschließt. Diese
nun sind das persönliche, das geistige und das wirthschaftliche Element.
Und so entstehen die drei Grundformen, in denen sich die Verschieden-
heit der Menschen von jeher organisirt hat und organisiren wird. Die
erste dieser Ordnungen ist die, welche an das persönliche Element des
Geschlechts anschließt und aus der Familie hervorgehend, das ganze
Leben der Menschheit umfaßt. Wir nennen sie daher die Geschlechter-
ordnung
. Die zweite legt das an sich rein geistige Element der
geistigen Arbeit und That zum Grunde, die wir, indem sie das ganze
Leben erfüllen, den Beruf nennen; aus dem Berufe wird in seiner
äußeren Organisirung der Stand, und die auf dem Stande beruhende
Ordnung der menschlichen Gesammtheit ist dann die Standesord-
nung
. Die dritte endlich legt der gesammten persönlichen Entwicklung
und ihren Verschiedenheiten den freien, gewerblichen Besitz zum Grunde,
erzeugt und verlöscht mit ihm die Verschiedenheiten in Ehre und Macht,
und heißt, indem hier die freie Arbeit die Ordnung für jeden Einzelnen
bildet und erhält, die freie, oder nach dem aus ihr erzeugten Rechte
die staatsbürgerliche Ordnung. Das nun sind die drei elementaren
Ordnungen der Menschen in ihrem Gesammtleben. Natürlich hat das
letztere eine Menge von Uebergangszuständen und höchst verschiedene

Es ergibt ſich daher zunächſt, daß mit der Verſchiedenheit der Men-
ſchen eine das ganze Leben derſelben umfaſſende Verſchiedenheit der
Ehre und Macht entſteht.

Dieſe Verſchiedenheit iſt nun nicht bloß eine Thatſache, ſondern
ſie erſcheint vielmehr als das größte organiſche Princip des Lebens der
Menſchheit. Denn aus ihr geht das Streben der Niederen nach der
höheren Entwicklung der Anderen, und zugleich die höchſte Befriedigung
der Höheren in der Hingabe des Eigenen an die Niederen hervor,
welche erſt dem Daſein die Fülle des geiſtigen Lebens verleihen. Denn
Leben iſt auch hier Wechſelwirkung, und die abſolute Gleichheit iſt der
Tod. Es hat daher nie gleiche Menſchen gegeben und kann und darf
ſie nicht geben.

Iſt dem nun ſo, ſo wird dieſe Verſchiedenheit alsbald den Cha-
rakter des perſönlichen Daſeins annehmen, indem ſie daſſelbe ganz
umfaßt. Sie wird ſich organiſiren; das iſt, ſie wird Bewußtſein,
Willen und äußere Geſtalt annehmen. Dieſe Organiſirung kann aber,
da ihr Inhalt ein im Weſen der Perſönlichkeit liegender iſt, und da
Unterſchied und Bewegung in dieſer Verſchiedenheit abſolute Elemente
der Entwicklung werden, nicht bloß auf dem Zufall oder der Will-
kür beruhen, ſondern das Leben erſchafft ſie ſelber mit unwiderſteh-
licher Gewalt. Das nun kann wieder nur geſchehen, indem ſich
dieſelbe an die ſelbſtändigen Elemente des letzteren anſchließt. Dieſe
nun ſind das perſönliche, das geiſtige und das wirthſchaftliche Element.
Und ſo entſtehen die drei Grundformen, in denen ſich die Verſchieden-
heit der Menſchen von jeher organiſirt hat und organiſiren wird. Die
erſte dieſer Ordnungen iſt die, welche an das perſönliche Element des
Geſchlechts anſchließt und aus der Familie hervorgehend, das ganze
Leben der Menſchheit umfaßt. Wir nennen ſie daher die Geſchlechter-
ordnung
. Die zweite legt das an ſich rein geiſtige Element der
geiſtigen Arbeit und That zum Grunde, die wir, indem ſie das ganze
Leben erfüllen, den Beruf nennen; aus dem Berufe wird in ſeiner
äußeren Organiſirung der Stand, und die auf dem Stande beruhende
Ordnung der menſchlichen Geſammtheit iſt dann die Standesord-
nung
. Die dritte endlich legt der geſammten perſönlichen Entwicklung
und ihren Verſchiedenheiten den freien, gewerblichen Beſitz zum Grunde,
erzeugt und verlöſcht mit ihm die Verſchiedenheiten in Ehre und Macht,
und heißt, indem hier die freie Arbeit die Ordnung für jeden Einzelnen
bildet und erhält, die freie, oder nach dem aus ihr erzeugten Rechte
die ſtaatsbürgerliche Ordnung. Das nun ſind die drei elementaren
Ordnungen der Menſchen in ihrem Geſammtleben. Natürlich hat das
letztere eine Menge von Uebergangszuſtänden und höchſt verſchiedene

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[394/0418] Es ergibt ſich daher zunächſt, daß mit der Verſchiedenheit der Men- ſchen eine das ganze Leben derſelben umfaſſende Verſchiedenheit der Ehre und Macht entſteht. Dieſe Verſchiedenheit iſt nun nicht bloß eine Thatſache, ſondern ſie erſcheint vielmehr als das größte organiſche Princip des Lebens der Menſchheit. Denn aus ihr geht das Streben der Niederen nach der höheren Entwicklung der Anderen, und zugleich die höchſte Befriedigung der Höheren in der Hingabe des Eigenen an die Niederen hervor, welche erſt dem Daſein die Fülle des geiſtigen Lebens verleihen. Denn Leben iſt auch hier Wechſelwirkung, und die abſolute Gleichheit iſt der Tod. Es hat daher nie gleiche Menſchen gegeben und kann und darf ſie nicht geben. Iſt dem nun ſo, ſo wird dieſe Verſchiedenheit alsbald den Cha- rakter des perſönlichen Daſeins annehmen, indem ſie daſſelbe ganz umfaßt. Sie wird ſich organiſiren; das iſt, ſie wird Bewußtſein, Willen und äußere Geſtalt annehmen. Dieſe Organiſirung kann aber, da ihr Inhalt ein im Weſen der Perſönlichkeit liegender iſt, und da Unterſchied und Bewegung in dieſer Verſchiedenheit abſolute Elemente der Entwicklung werden, nicht bloß auf dem Zufall oder der Will- kür beruhen, ſondern das Leben erſchafft ſie ſelber mit unwiderſteh- licher Gewalt. Das nun kann wieder nur geſchehen, indem ſich dieſelbe an die ſelbſtändigen Elemente des letzteren anſchließt. Dieſe nun ſind das perſönliche, das geiſtige und das wirthſchaftliche Element. Und ſo entſtehen die drei Grundformen, in denen ſich die Verſchieden- heit der Menſchen von jeher organiſirt hat und organiſiren wird. Die erſte dieſer Ordnungen iſt die, welche an das perſönliche Element des Geſchlechts anſchließt und aus der Familie hervorgehend, das ganze Leben der Menſchheit umfaßt. Wir nennen ſie daher die Geſchlechter- ordnung. Die zweite legt das an ſich rein geiſtige Element der geiſtigen Arbeit und That zum Grunde, die wir, indem ſie das ganze Leben erfüllen, den Beruf nennen; aus dem Berufe wird in ſeiner äußeren Organiſirung der Stand, und die auf dem Stande beruhende Ordnung der menſchlichen Geſammtheit iſt dann die Standesord- nung. Die dritte endlich legt der geſammten perſönlichen Entwicklung und ihren Verſchiedenheiten den freien, gewerblichen Beſitz zum Grunde, erzeugt und verlöſcht mit ihm die Verſchiedenheiten in Ehre und Macht, und heißt, indem hier die freie Arbeit die Ordnung für jeden Einzelnen bildet und erhält, die freie, oder nach dem aus ihr erzeugten Rechte die ſtaatsbürgerliche Ordnung. Das nun ſind die drei elementaren Ordnungen der Menſchen in ihrem Geſammtleben. Natürlich hat das letztere eine Menge von Uebergangszuſtänden und höchſt verſchiedene

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/418>, abgerufen am 23.11.2024.