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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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daß die Zollbehandlung bei den meisten Waaren wichtiger ist als
der Zollsatz.

Der Streit zwischen Schutzzoll und Freihandel beruht einerseits auf der
Vermengung der Handelsfreiheit mit dem Freihandel, andererseits auf der Un-
klarheit über das Wesen der Zolllosigkeit. Endlich haben sich bedeutsame poli-
tische Motive hineingemischt, so daß eine objektive Behandlung sehr schwierig ist.
Die fast endlose Literatur bei Rau, Volkswirthschaftspflege II. §. 205 ff. für
und gegen die Handelsfreiheit; meist in allgemeinen Sätzen sich bewegend.
Fr. List hat das unsterbliche Verdienst, den organischen Begriff des Schutz-
zollsystems in seinem nationalen System der polit. Oekon. 1841 zuerst begründet
zu haben, dem in der That die Zollgesetzgebungen des Continents entsprechen.
Vergl. Stein, Volkswirthschaftslehre S. 350 ff. "Die Aufhebung des Schutz-
zolles wird trotz aller Theorie stets nur als die praktische Folge der Gleichheit
der Capitalverhältnisse zur Geltung gelangen."

2) Die Zollbegünstigungen entstehen da, wo einzelne theils
örtliche, theils im Wesen des Handels liegende Verhältnisse besondere
Ausnahmen von der allgemeinen Zollordnung als Bedingung der
Handelsentwicklung erscheinen lassen. Diese sind

Freihäfen, die man so lange für nothwendig hielt, als das
System der Lagerhäuser nicht zur vollen Geltung und Ausdehnung
gelangt war.

Lagerhäuser (Waarenhäuser, Zolldepots, docks, entrepots) sind
Anstalten, in denen die Einfuhren unverzollt niedergelegt werden, so
daß der Zoll erst bezahlt wird, wenn der Handel die Waare für den
inländischen Consum aus denselben bezieht. Sie sind eine vollkommen
logische Consequenz des Schutzzollsystems, da sie den Zwischenhandel
zollfrei machen, ohne den Eigenhandel vom Zoll zu befreien. Principiell
sollten sie bei jeder Zollstelle sein; praktisch sind sie nur bei den größten.
Sie fordern eine selbständige, aber möglichst einfache, freie und kosten-
lose Verwaltung.

Zollcredite, Creditirung des Zollbetrages mit regelmäßiger
Liquidirung, als große Erleichterung für bedeutende Importgeschäfte.

Rückzölle bei Wiederausfuhr von Waaren sind consequente Fol-
gerungen aus dem Zollprincip, aber nie ohne bedeutende Uebelstände
und Gefahren; daher nur als specielle und genau erwogene Ausnahmen
zuzulassen.

Steuervergütungen als Erstattung der Produktionsbesteue-
rung bei der Ausfuhr sind an sich falsch, und nur unter besonderen
Umständen und bei durchaus einzelnen Artikeln anzuwenden.

Das System der Freihäfen bedeutet stets ein unentwickeltes Zollsystem,
und sie verschwinden daher fast gänzlich. Rau II. §. 308. Das System der

daß die Zollbehandlung bei den meiſten Waaren wichtiger iſt als
der Zollſatz.

Der Streit zwiſchen Schutzzoll und Freihandel beruht einerſeits auf der
Vermengung der Handelsfreiheit mit dem Freihandel, andererſeits auf der Un-
klarheit über das Weſen der Zollloſigkeit. Endlich haben ſich bedeutſame poli-
tiſche Motive hineingemiſcht, ſo daß eine objektive Behandlung ſehr ſchwierig iſt.
Die faſt endloſe Literatur bei Rau, Volkswirthſchaftspflege II. §. 205 ff. für
und gegen die Handelsfreiheit; meiſt in allgemeinen Sätzen ſich bewegend.
Fr. Liſt hat das unſterbliche Verdienſt, den organiſchen Begriff des Schutz-
zollſyſtems in ſeinem nationalen Syſtem der polit. Oekon. 1841 zuerſt begründet
zu haben, dem in der That die Zollgeſetzgebungen des Continents entſprechen.
Vergl. Stein, Volkswirthſchaftslehre S. 350 ff. „Die Aufhebung des Schutz-
zolles wird trotz aller Theorie ſtets nur als die praktiſche Folge der Gleichheit
der Capitalverhältniſſe zur Geltung gelangen.“

2) Die Zollbegünſtigungen entſtehen da, wo einzelne theils
örtliche, theils im Weſen des Handels liegende Verhältniſſe beſondere
Ausnahmen von der allgemeinen Zollordnung als Bedingung der
Handelsentwicklung erſcheinen laſſen. Dieſe ſind

Freihäfen, die man ſo lange für nothwendig hielt, als das
Syſtem der Lagerhäuſer nicht zur vollen Geltung und Ausdehnung
gelangt war.

Lagerhäuſer (Waarenhäuſer, Zolldepots, docks, entrepôts) ſind
Anſtalten, in denen die Einfuhren unverzollt niedergelegt werden, ſo
daß der Zoll erſt bezahlt wird, wenn der Handel die Waare für den
inländiſchen Conſum aus denſelben bezieht. Sie ſind eine vollkommen
logiſche Conſequenz des Schutzzollſyſtems, da ſie den Zwiſchenhandel
zollfrei machen, ohne den Eigenhandel vom Zoll zu befreien. Principiell
ſollten ſie bei jeder Zollſtelle ſein; praktiſch ſind ſie nur bei den größten.
Sie fordern eine ſelbſtändige, aber möglichſt einfache, freie und koſten-
loſe Verwaltung.

Zollcredite, Creditirung des Zollbetrages mit regelmäßiger
Liquidirung, als große Erleichterung für bedeutende Importgeſchäfte.

Rückzölle bei Wiederausfuhr von Waaren ſind conſequente Fol-
gerungen aus dem Zollprincip, aber nie ohne bedeutende Uebelſtände
und Gefahren; daher nur als ſpecielle und genau erwogene Ausnahmen
zuzulaſſen.

Steuervergütungen als Erſtattung der Produktionsbeſteue-
rung bei der Ausfuhr ſind an ſich falſch, und nur unter beſonderen
Umſtänden und bei durchaus einzelnen Artikeln anzuwenden.

Das Syſtem der Freihäfen bedeutet ſtets ein unentwickeltes Zollſyſtem,
und ſie verſchwinden daher faſt gänzlich. Rau II. §. 308. Das Syſtem der

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[374/0398] daß die Zollbehandlung bei den meiſten Waaren wichtiger iſt als der Zollſatz. Der Streit zwiſchen Schutzzoll und Freihandel beruht einerſeits auf der Vermengung der Handelsfreiheit mit dem Freihandel, andererſeits auf der Un- klarheit über das Weſen der Zollloſigkeit. Endlich haben ſich bedeutſame poli- tiſche Motive hineingemiſcht, ſo daß eine objektive Behandlung ſehr ſchwierig iſt. Die faſt endloſe Literatur bei Rau, Volkswirthſchaftspflege II. §. 205 ff. für und gegen die Handelsfreiheit; meiſt in allgemeinen Sätzen ſich bewegend. Fr. Liſt hat das unſterbliche Verdienſt, den organiſchen Begriff des Schutz- zollſyſtems in ſeinem nationalen Syſtem der polit. Oekon. 1841 zuerſt begründet zu haben, dem in der That die Zollgeſetzgebungen des Continents entſprechen. Vergl. Stein, Volkswirthſchaftslehre S. 350 ff. „Die Aufhebung des Schutz- zolles wird trotz aller Theorie ſtets nur als die praktiſche Folge der Gleichheit der Capitalverhältniſſe zur Geltung gelangen.“ 2) Die Zollbegünſtigungen entſtehen da, wo einzelne theils örtliche, theils im Weſen des Handels liegende Verhältniſſe beſondere Ausnahmen von der allgemeinen Zollordnung als Bedingung der Handelsentwicklung erſcheinen laſſen. Dieſe ſind Freihäfen, die man ſo lange für nothwendig hielt, als das Syſtem der Lagerhäuſer nicht zur vollen Geltung und Ausdehnung gelangt war. Lagerhäuſer (Waarenhäuſer, Zolldepots, docks, entrepôts) ſind Anſtalten, in denen die Einfuhren unverzollt niedergelegt werden, ſo daß der Zoll erſt bezahlt wird, wenn der Handel die Waare für den inländiſchen Conſum aus denſelben bezieht. Sie ſind eine vollkommen logiſche Conſequenz des Schutzzollſyſtems, da ſie den Zwiſchenhandel zollfrei machen, ohne den Eigenhandel vom Zoll zu befreien. Principiell ſollten ſie bei jeder Zollſtelle ſein; praktiſch ſind ſie nur bei den größten. Sie fordern eine ſelbſtändige, aber möglichſt einfache, freie und koſten- loſe Verwaltung. Zollcredite, Creditirung des Zollbetrages mit regelmäßiger Liquidirung, als große Erleichterung für bedeutende Importgeſchäfte. Rückzölle bei Wiederausfuhr von Waaren ſind conſequente Fol- gerungen aus dem Zollprincip, aber nie ohne bedeutende Uebelſtände und Gefahren; daher nur als ſpecielle und genau erwogene Ausnahmen zuzulaſſen. Steuervergütungen als Erſtattung der Produktionsbeſteue- rung bei der Ausfuhr ſind an ſich falſch, und nur unter beſonderen Umſtänden und bei durchaus einzelnen Artikeln anzuwenden. Das Syſtem der Freihäfen bedeutet ſtets ein unentwickeltes Zollſyſtem, und ſie verſchwinden daher faſt gänzlich. Rau II. §. 308. Das Syſtem der

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/398>, abgerufen am 22.11.2024.