Schutzzoll, der immer eine Belastung des einen Capitals zu Gunsten des andern ist, aus einer einfachen Verwaltungsmaßregel zu einem System zu erheben. Erst vermöge eines solchen Systemes kann der- selbe seiner Idee entsprechen. Die Elemente dieses Systems sind das Princip, die Ordnung und die Verwaltung des Schutzzolles.
1) Das Zollprincip ist nichts als die Anwendung des allge- meinen Princips der Verwaltung auf das Zollwesen. Der Schutzzoll soll nur die Bedingungen für die einheimischen Capitalien geben, die sich dieselben nicht selbst verschaffen können. Das Verhältniß tritt nun überhaupt nur da ein, wo die eigene Industrie mit fremden Capitalien kämpft, welche bereits durch Amortisation billigere Preise stellen, also mit geringerer Verzinsung des Capitals arbeiten können, als junge Unternehmungen, ohne doch zu verlieren. Die Bedingung der Entwicklung der letzteren ist daher ein Preis, der ihnen die Amor- tisation noch möglich macht. Ist nun durch den Schutzzoll ein solcher Preis da, so ist es Aufgabe der Unternehmung, die Amortisation wirklich vorzunehmen. Und tritt nun diese ein, so ist es klar, daß damit der Schutzzoll selbst unnöthig wird. Das höchste Princip des Schutzzolles ist daher das, sich selber überflüssig zu machen. So lange man unter "Freihandel" nicht "Zolllosigkeit" ver- steht, ist das die einfache Lösung des Streites zwischen beiden Principien.
Das richtige Zollprincip kann daher weder die Ausfuhr- noch die Durchgangszölle anerkennen. Der Schutzzoll hat ferner weder gleiche noch dauernde Zollsätze. Im Gegentheil wird der Zollsatz je nach den besondern Verhältnissen jedes Industriezweiges zu bemessen sein, und somit jeder rationelle Schutzzoll zu einem systematischen, auf möglichst genauer Statistik beruhenden Zolltarif führen. Die Auf- stellung eines solchen Zolltarifes muß ferner festhalten, daß jeder Zoll- satz nur für eine bestimmte Dauer gegeben werden soll. Grund- sätzlich sollte jeder Schutzzollsatz von vorn herein drei Epochen gesetzlich aufstellen. In der ersten soll er volle Geltung haben; in der zwei- ten soll er (bis zur Hälfte) vermindert werden; in der dritten soll er aufhören. Der Tarifsatz für die Zolleinheit soll ferner je nach der Höhe des Capitals, das zu seiner Produktion nothwendig ist, höher sein. Gegenstände, die zu ihrer Produktion kein selbständiges Capital erfor- dern, also der Industrie nicht angehören, sollen keinen Schutzzoll zulassen, daher sollen die Rohprodukte und die Gewerbsprodukte zoll- los sein. Der Gedanke, durch den Zoll die Verschiedenheit der Be- steuerung des Landes auszugleichen, ist an sich richtig, aber unpraktisch. Die äußerste Gränze des Zollsatzes aber ist unter allen Verhältnissen die Höhe der Schmuggelprämie; und schließlich darf nie vergessen werden,
Schutzzoll, der immer eine Belaſtung des einen Capitals zu Gunſten des andern iſt, aus einer einfachen Verwaltungsmaßregel zu einem Syſtem zu erheben. Erſt vermöge eines ſolchen Syſtemes kann der- ſelbe ſeiner Idee entſprechen. Die Elemente dieſes Syſtems ſind das Princip, die Ordnung und die Verwaltung des Schutzzolles.
1) Das Zollprincip iſt nichts als die Anwendung des allge- meinen Princips der Verwaltung auf das Zollweſen. Der Schutzzoll ſoll nur die Bedingungen für die einheimiſchen Capitalien geben, die ſich dieſelben nicht ſelbſt verſchaffen können. Das Verhältniß tritt nun überhaupt nur da ein, wo die eigene Induſtrie mit fremden Capitalien kämpft, welche bereits durch Amortiſation billigere Preiſe ſtellen, alſo mit geringerer Verzinſung des Capitals arbeiten können, als junge Unternehmungen, ohne doch zu verlieren. Die Bedingung der Entwicklung der letzteren iſt daher ein Preis, der ihnen die Amor- tiſation noch möglich macht. Iſt nun durch den Schutzzoll ein ſolcher Preis da, ſo iſt es Aufgabe der Unternehmung, die Amortiſation wirklich vorzunehmen. Und tritt nun dieſe ein, ſo iſt es klar, daß damit der Schutzzoll ſelbſt unnöthig wird. Das höchſte Princip des Schutzzolles iſt daher das, ſich ſelber überflüſſig zu machen. So lange man unter „Freihandel“ nicht „Zollloſigkeit“ ver- ſteht, iſt das die einfache Löſung des Streites zwiſchen beiden Principien.
Das richtige Zollprincip kann daher weder die Ausfuhr- noch die Durchgangszölle anerkennen. Der Schutzzoll hat ferner weder gleiche noch dauernde Zollſätze. Im Gegentheil wird der Zollſatz je nach den beſondern Verhältniſſen jedes Induſtriezweiges zu bemeſſen ſein, und ſomit jeder rationelle Schutzzoll zu einem ſyſtematiſchen, auf möglichſt genauer Statiſtik beruhenden Zolltarif führen. Die Auf- ſtellung eines ſolchen Zolltarifes muß ferner feſthalten, daß jeder Zoll- ſatz nur für eine beſtimmte Dauer gegeben werden ſoll. Grund- ſätzlich ſollte jeder Schutzzollſatz von vorn herein drei Epochen geſetzlich aufſtellen. In der erſten ſoll er volle Geltung haben; in der zwei- ten ſoll er (bis zur Hälfte) vermindert werden; in der dritten ſoll er aufhören. Der Tarifſatz für die Zolleinheit ſoll ferner je nach der Höhe des Capitals, das zu ſeiner Produktion nothwendig iſt, höher ſein. Gegenſtände, die zu ihrer Produktion kein ſelbſtändiges Capital erfor- dern, alſo der Induſtrie nicht angehören, ſollen keinen Schutzzoll zulaſſen, daher ſollen die Rohprodukte und die Gewerbsprodukte zoll- los ſein. Der Gedanke, durch den Zoll die Verſchiedenheit der Be- ſteuerung des Landes auszugleichen, iſt an ſich richtig, aber unpraktiſch. Die äußerſte Gränze des Zollſatzes aber iſt unter allen Verhältniſſen die Höhe der Schmuggelprämie; und ſchließlich darf nie vergeſſen werden,
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Schutzzoll, der immer eine Belaſtung des einen Capitals zu Gunſten
des andern iſt, aus einer einfachen Verwaltungsmaßregel zu einem
Syſtem zu erheben. Erſt vermöge eines ſolchen Syſtemes kann der-
ſelbe ſeiner Idee entſprechen. Die Elemente dieſes Syſtems ſind das
Princip, die Ordnung und die Verwaltung des Schutzzolles.
1) Das Zollprincip iſt nichts als die Anwendung des allge-
meinen Princips der Verwaltung auf das Zollweſen. Der Schutzzoll
ſoll nur die Bedingungen für die einheimiſchen Capitalien geben, die
ſich dieſelben nicht ſelbſt verſchaffen können. Das Verhältniß tritt
nun überhaupt nur da ein, wo die eigene Induſtrie mit fremden
Capitalien kämpft, welche bereits durch Amortiſation billigere Preiſe
ſtellen, alſo mit geringerer Verzinſung des Capitals arbeiten können,
als junge Unternehmungen, ohne doch zu verlieren. Die Bedingung
der Entwicklung der letzteren iſt daher ein Preis, der ihnen die Amor-
tiſation noch möglich macht. Iſt nun durch den Schutzzoll ein ſolcher
Preis da, ſo iſt es Aufgabe der Unternehmung, die Amortiſation
wirklich vorzunehmen. Und tritt nun dieſe ein, ſo iſt es klar, daß
damit der Schutzzoll ſelbſt unnöthig wird. Das höchſte Princip
des Schutzzolles iſt daher das, ſich ſelber überflüſſig zu
machen. So lange man unter „Freihandel“ nicht „Zollloſigkeit“ ver-
ſteht, iſt das die einfache Löſung des Streites zwiſchen beiden Principien.
Das richtige Zollprincip kann daher weder die Ausfuhr- noch die
Durchgangszölle anerkennen. Der Schutzzoll hat ferner weder gleiche
noch dauernde Zollſätze. Im Gegentheil wird der Zollſatz je nach
den beſondern Verhältniſſen jedes Induſtriezweiges zu bemeſſen ſein,
und ſomit jeder rationelle Schutzzoll zu einem ſyſtematiſchen, auf
möglichſt genauer Statiſtik beruhenden Zolltarif führen. Die Auf-
ſtellung eines ſolchen Zolltarifes muß ferner feſthalten, daß jeder Zoll-
ſatz nur für eine beſtimmte Dauer gegeben werden ſoll. Grund-
ſätzlich ſollte jeder Schutzzollſatz von vorn herein drei Epochen geſetzlich
aufſtellen. In der erſten ſoll er volle Geltung haben; in der zwei-
ten ſoll er (bis zur Hälfte) vermindert werden; in der dritten ſoll er
aufhören. Der Tarifſatz für die Zolleinheit ſoll ferner je nach der
Höhe des Capitals, das zu ſeiner Produktion nothwendig iſt, höher ſein.
Gegenſtände, die zu ihrer Produktion kein ſelbſtändiges Capital erfor-
dern, alſo der Induſtrie nicht angehören, ſollen keinen Schutzzoll
zulaſſen, daher ſollen die Rohprodukte und die Gewerbsprodukte zoll-
los ſein. Der Gedanke, durch den Zoll die Verſchiedenheit der Be-
ſteuerung des Landes auszugleichen, iſt an ſich richtig, aber unpraktiſch.
Die äußerſte Gränze des Zollſatzes aber iſt unter allen Verhältniſſen
die Höhe der Schmuggelprämie; und ſchließlich darf nie vergeſſen werden,
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/397>, abgerufen am 22.11.2024.
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