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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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weiter als die Literatur des vorigen Jahrhunderts, indem man bald wie Rau
die Industrie unter das Gewerbe fallen läßt, bald wie Bulau das Gewerbe
in die Industrie zieht, bald wie Mohl die letzteren überhaupt nicht erwähnt.
Die Nationalökonomie freilich müßte mit gutem Beispiel vorangehen.

Elemente der Geschichte.

Die Geschichte der Industrie im obigen Sinn und ihres Rechts hat
daher auch einen ganz anderen Charakter als die des Gewerbes. Die
Industrie ist ihrem Wesen nach unfähig, wie das Gewerbe, das ständische
Element überhaupt in sich aufzunehmen. Sie gehört an und für sich
der staatsbürgerlichen Gesellschaft; ihre Grundlage ist das selbständige
Capital; ihre Entwicklung ist die der Dampfmaschine; ihr Inhalt, der
über beide weit hinausgeht, ist die zu einer europäischen Thatsache sich
erhebende Bildung des Bewußtseins von dem Verhältniß und Gegen-
satz zwischen Capital und Arbeit. Wohl aber muß man auch
hier drei Stadien unterscheiden, die wieder ihrerseits in der Verwaltung
ihren entsprechenden Ausdruck finden.

Das erste Stadium, meist der Maschinenverwendung voraufgehend,
ist das der Hülflosigkeit und inneren Unsicherheit des Capitals, das noch
nicht wagt, sich auf sich selbst zu verlassen. Dem entspricht das Princip
der direkten Unterstützung der entstehenden, aber nur noch in ver-
einzelten Anfängen auftretenden Industrie, die zum Theil mit einzelnen
Staatsunternehmungen begleitet ist. Letztere erscheinen allerdings
wesentlich als Musteranstalten und Vorbilder; sie verschwinden aber mit
der direkten Unterstützung gleichzeitig so wie die Dampfmaschine auftritt.

Mit der Dampfmaschine beginnt nämlich die Epoche, in der nicht
mehr ein einzelner Capitalist, sondern das Geldcapital der Volks-
wirthschaft überhaupt
in die Unternehmungen hineintritt, und
seine volle Produktionskraft entfaltet. Der Einfluß dieser Bewegung
erstreckt sich alsbald auf jede Art der Unternehmung; jede Unter-
nehmung strebt von da, durch Verwendung von Capital eine höhere
Produktivität zu gewinnen, und zwar nicht bloß durch Aufstellung und
Gebrauch von Maschinen, sondern überhaupt durch Entwicklung der
Produktion zum eigentlichen Betriebe. So geschieht es, daß der Be-
griff der Industrie sowohl als der Name derselben sich über Bergbau,
Forstwirthschaft und Gewerbe ausdehnt, und in dem gewöhnlichen
Sprachgebrauch seine feste Bedeutung verliert. Allein das Wesen der
Sache bleibt in allen Formen; die Industrie ist das Capital
als producirende Kraft
, und alles producirende Capital ist In-
dustrie. Das ist die große volkswirthschaftliche Thatsache, welche diese
Epoche ausschließlich beherrscht.

weiter als die Literatur des vorigen Jahrhunderts, indem man bald wie Rau
die Induſtrie unter das Gewerbe fallen läßt, bald wie Bulau das Gewerbe
in die Induſtrie zieht, bald wie Mohl die letzteren überhaupt nicht erwähnt.
Die Nationalökonomie freilich müßte mit gutem Beiſpiel vorangehen.

Elemente der Geſchichte.

Die Geſchichte der Induſtrie im obigen Sinn und ihres Rechts hat
daher auch einen ganz anderen Charakter als die des Gewerbes. Die
Induſtrie iſt ihrem Weſen nach unfähig, wie das Gewerbe, das ſtändiſche
Element überhaupt in ſich aufzunehmen. Sie gehört an und für ſich
der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft; ihre Grundlage iſt das ſelbſtändige
Capital; ihre Entwicklung iſt die der Dampfmaſchine; ihr Inhalt, der
über beide weit hinausgeht, iſt die zu einer europäiſchen Thatſache ſich
erhebende Bildung des Bewußtſeins von dem Verhältniß und Gegen-
ſatz zwiſchen Capital und Arbeit. Wohl aber muß man auch
hier drei Stadien unterſcheiden, die wieder ihrerſeits in der Verwaltung
ihren entſprechenden Ausdruck finden.

Das erſte Stadium, meiſt der Maſchinenverwendung voraufgehend,
iſt das der Hülfloſigkeit und inneren Unſicherheit des Capitals, das noch
nicht wagt, ſich auf ſich ſelbſt zu verlaſſen. Dem entſpricht das Princip
der direkten Unterſtützung der entſtehenden, aber nur noch in ver-
einzelten Anfängen auftretenden Induſtrie, die zum Theil mit einzelnen
Staatsunternehmungen begleitet iſt. Letztere erſcheinen allerdings
weſentlich als Muſteranſtalten und Vorbilder; ſie verſchwinden aber mit
der direkten Unterſtützung gleichzeitig ſo wie die Dampfmaſchine auftritt.

Mit der Dampfmaſchine beginnt nämlich die Epoche, in der nicht
mehr ein einzelner Capitaliſt, ſondern das Geldcapital der Volks-
wirthſchaft überhaupt
in die Unternehmungen hineintritt, und
ſeine volle Produktionskraft entfaltet. Der Einfluß dieſer Bewegung
erſtreckt ſich alsbald auf jede Art der Unternehmung; jede Unter-
nehmung ſtrebt von da, durch Verwendung von Capital eine höhere
Produktivität zu gewinnen, und zwar nicht bloß durch Aufſtellung und
Gebrauch von Maſchinen, ſondern überhaupt durch Entwicklung der
Produktion zum eigentlichen Betriebe. So geſchieht es, daß der Be-
griff der Induſtrie ſowohl als der Name derſelben ſich über Bergbau,
Forſtwirthſchaft und Gewerbe ausdehnt, und in dem gewöhnlichen
Sprachgebrauch ſeine feſte Bedeutung verliert. Allein das Weſen der
Sache bleibt in allen Formen; die Induſtrie iſt das Capital
als producirende Kraft
, und alles producirende Capital iſt In-
duſtrie. Das iſt die große volkswirthſchaftliche Thatſache, welche dieſe
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[352/0376] weiter als die Literatur des vorigen Jahrhunderts, indem man bald wie Rau die Induſtrie unter das Gewerbe fallen läßt, bald wie Bulau das Gewerbe in die Induſtrie zieht, bald wie Mohl die letzteren überhaupt nicht erwähnt. Die Nationalökonomie freilich müßte mit gutem Beiſpiel vorangehen. Elemente der Geſchichte. Die Geſchichte der Induſtrie im obigen Sinn und ihres Rechts hat daher auch einen ganz anderen Charakter als die des Gewerbes. Die Induſtrie iſt ihrem Weſen nach unfähig, wie das Gewerbe, das ſtändiſche Element überhaupt in ſich aufzunehmen. Sie gehört an und für ſich der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft; ihre Grundlage iſt das ſelbſtändige Capital; ihre Entwicklung iſt die der Dampfmaſchine; ihr Inhalt, der über beide weit hinausgeht, iſt die zu einer europäiſchen Thatſache ſich erhebende Bildung des Bewußtſeins von dem Verhältniß und Gegen- ſatz zwiſchen Capital und Arbeit. Wohl aber muß man auch hier drei Stadien unterſcheiden, die wieder ihrerſeits in der Verwaltung ihren entſprechenden Ausdruck finden. Das erſte Stadium, meiſt der Maſchinenverwendung voraufgehend, iſt das der Hülfloſigkeit und inneren Unſicherheit des Capitals, das noch nicht wagt, ſich auf ſich ſelbſt zu verlaſſen. Dem entſpricht das Princip der direkten Unterſtützung der entſtehenden, aber nur noch in ver- einzelten Anfängen auftretenden Induſtrie, die zum Theil mit einzelnen Staatsunternehmungen begleitet iſt. Letztere erſcheinen allerdings weſentlich als Muſteranſtalten und Vorbilder; ſie verſchwinden aber mit der direkten Unterſtützung gleichzeitig ſo wie die Dampfmaſchine auftritt. Mit der Dampfmaſchine beginnt nämlich die Epoche, in der nicht mehr ein einzelner Capitaliſt, ſondern das Geldcapital der Volks- wirthſchaft überhaupt in die Unternehmungen hineintritt, und ſeine volle Produktionskraft entfaltet. Der Einfluß dieſer Bewegung erſtreckt ſich alsbald auf jede Art der Unternehmung; jede Unter- nehmung ſtrebt von da, durch Verwendung von Capital eine höhere Produktivität zu gewinnen, und zwar nicht bloß durch Aufſtellung und Gebrauch von Maſchinen, ſondern überhaupt durch Entwicklung der Produktion zum eigentlichen Betriebe. So geſchieht es, daß der Be- griff der Induſtrie ſowohl als der Name derſelben ſich über Bergbau, Forſtwirthſchaft und Gewerbe ausdehnt, und in dem gewöhnlichen Sprachgebrauch ſeine feſte Bedeutung verliert. Allein das Weſen der Sache bleibt in allen Formen; die Induſtrie iſt das Capital als producirende Kraft, und alles producirende Capital iſt In- duſtrie. Das iſt die große volkswirthſchaftliche Thatſache, welche dieſe Epoche ausſchließlich beherrſcht.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/376>, abgerufen am 23.11.2024.