in dem achtzehnten Jahrhundert die schiffbaren Gewässer noch immer den Charakter örtlicher Verkehrswege haben, erscheinen dieselben im neunzehnten Jahrhundert schon als Verkehrswege der allgemeinen Handelsbewegung. Die Verwaltung fängt daher jetzt an, unmittelbar für dieselben thätig zu sein. So entstehen zuerst die Canalbauten einerseits, und die Strom- und Flußregulirungen andererseits. Aber auch sie sind zunächst nur als Aufgaben der angränzenden Länder aufgefaßt; den Ausdruck dieses Princips bilden theils die Privilegien für bestimmte Schifffahrtsgesellschaften, theils die Belegung fremder Schiffe mit besonderen Abgaben. Erst die Mitte unseres Jahrhunderts stellt sich auf den Standpunkt, die großen schiffbaren Ströme als Theil des Meeres zu betrachten; und so bricht sich der Gedanke der vollen Verkehrsfreiheit Bahn, der theils in der Aufhebung der noch be- stehenden Stromzölle, wie auf Rhein und Elbe, theils in der unbe- schränkten Zulassung fremder Dampfschifffahrtslinien, wie auf der Donau, theils in großen internationalen Stromarbeiten wie an der Sulinamündung, theils in nicht minder bedeutenden Weltcanalbauten, wie der Suezeanal seinen großartigen Ausdruck findet. Hier reicht das Wasserrecht dem Schifffahrtswesen die Hand, und das Princip der Ge- meinschaft des Verkehrslebens von ganz Europa erringt einen neuen, hochbedeutenden Sieg über Grundherrlichkeit und Partikularismus der früheren Epochen.
Zuerst und am klarsten ist das Princip der Unterordnung aller schiffbaren Flüsse gesetzlich ausgesprochen in der Ord. des eaux et forets 1669: "toutes les eaux portants bateaux de leur fonds -- sont domaine de la Couronne." Stein bei Haimerl a. a. O. Laferriere, Droit publ. I. 1. Tit. 4. (Geschichte.) Ueber die Entwicklung des deutschen Rechts Mittermaier, deutsches Privat- recht I. §. 221. 222 nebst Literatur. Oesterreichs Strompolizeiordnung von 1770. (s. oben). Preuß. Allgem. Landrecht I. 8 und 22 und das Gesetz über die Benützung der Privatflüsse vom 28. Febr. 1843. Vergl. Nieberding a. a. O. und Glaß. Alte Rhein- und Elbzölle Klüber, Oeffentliches Recht §. 568 ff. mit all den früheren Bestimmungen auch über Main, Neckar, Mosel, Maas und Schelde als internationale Verträge. Elbzölle speciell: Aktenstücke und Nachweise 1860. Freiheit der Donau 1859. Befreiung von den Elbzöllen in Aussicht gestellt (Norddeutsche Bundesverfassung Art. 54). -- Convention über internationale Schifffahrt auf dem Pruth von 1869.
e) Das Wasserrecht der Landwirthschaft.
Das was wir das Wasserrecht der Landwirthschaft nennen, ent- steht endlich da, wo die Fähigkeit des Wassers der Produktion, na- mentlich in der Landwirthschaft zu dienen, nicht mehr der Einzelthätig- keit überlassen, sondern Gegenstand der Verwaltung wird. Nach dem
in dem achtzehnten Jahrhundert die ſchiffbaren Gewäſſer noch immer den Charakter örtlicher Verkehrswege haben, erſcheinen dieſelben im neunzehnten Jahrhundert ſchon als Verkehrswege der allgemeinen Handelsbewegung. Die Verwaltung fängt daher jetzt an, unmittelbar für dieſelben thätig zu ſein. So entſtehen zuerſt die Canalbauten einerſeits, und die Strom- und Flußregulirungen andererſeits. Aber auch ſie ſind zunächſt nur als Aufgaben der angränzenden Länder aufgefaßt; den Ausdruck dieſes Princips bilden theils die Privilegien für beſtimmte Schifffahrtsgeſellſchaften, theils die Belegung fremder Schiffe mit beſonderen Abgaben. Erſt die Mitte unſeres Jahrhunderts ſtellt ſich auf den Standpunkt, die großen ſchiffbaren Ströme als Theil des Meeres zu betrachten; und ſo bricht ſich der Gedanke der vollen Verkehrsfreiheit Bahn, der theils in der Aufhebung der noch be- ſtehenden Stromzölle, wie auf Rhein und Elbe, theils in der unbe- ſchränkten Zulaſſung fremder Dampfſchifffahrtslinien, wie auf der Donau, theils in großen internationalen Stromarbeiten wie an der Sulinamündung, theils in nicht minder bedeutenden Weltcanalbauten, wie der Suezeanal ſeinen großartigen Ausdruck findet. Hier reicht das Waſſerrecht dem Schifffahrtsweſen die Hand, und das Princip der Ge- meinſchaft des Verkehrslebens von ganz Europa erringt einen neuen, hochbedeutenden Sieg über Grundherrlichkeit und Partikularismus der früheren Epochen.
Zuerſt und am klarſten iſt das Princip der Unterordnung aller ſchiffbaren Flüſſe geſetzlich ausgeſprochen in der Ord. des eaux et forêts 1669: „toutes les eaux portants bateaux de leur fonds — sont domaine de la Couronne.“ Stein bei Haimerl a. a. O. Laferrière, Droit publ. I. 1. Tit. 4. (Geſchichte.) Ueber die Entwicklung des deutſchen Rechts Mittermaier, deutſches Privat- recht I. §. 221. 222 nebſt Literatur. Oeſterreichs Strompolizeiordnung von 1770. (ſ. oben). Preuß. Allgem. Landrecht I. 8 und 22 und das Geſetz über die Benützung der Privatflüſſe vom 28. Febr. 1843. Vergl. Nieberding a. a. O. und Glaß. Alte Rhein- und Elbzölle Klüber, Oeffentliches Recht §. 568 ff. mit all den früheren Beſtimmungen auch über Main, Neckar, Moſel, Maas und Schelde als internationale Verträge. Elbzölle ſpeciell: Aktenſtücke und Nachweiſe 1860. Freiheit der Donau 1859. Befreiung von den Elbzöllen in Ausſicht geſtellt (Norddeutſche Bundesverfaſſung Art. 54). — Convention über internationale Schifffahrt auf dem Pruth von 1869.
e) Das Waſſerrecht der Landwirthſchaft.
Das was wir das Waſſerrecht der Landwirthſchaft nennen, ent- ſteht endlich da, wo die Fähigkeit des Waſſers der Produktion, na- mentlich in der Landwirthſchaft zu dienen, nicht mehr der Einzelthätig- keit überlaſſen, ſondern Gegenſtand der Verwaltung wird. Nach dem
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[163/0187]
in dem achtzehnten Jahrhundert die ſchiffbaren Gewäſſer noch immer
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neunzehnten Jahrhundert ſchon als Verkehrswege der allgemeinen
Handelsbewegung. Die Verwaltung fängt daher jetzt an, unmittelbar
für dieſelben thätig zu ſein. So entſtehen zuerſt die Canalbauten
einerſeits, und die Strom- und Flußregulirungen andererſeits.
Aber auch ſie ſind zunächſt nur als Aufgaben der angränzenden Länder
aufgefaßt; den Ausdruck dieſes Princips bilden theils die Privilegien
für beſtimmte Schifffahrtsgeſellſchaften, theils die Belegung fremder
Schiffe mit beſonderen Abgaben. Erſt die Mitte unſeres Jahrhunderts
ſtellt ſich auf den Standpunkt, die großen ſchiffbaren Ströme als Theil
des Meeres zu betrachten; und ſo bricht ſich der Gedanke der vollen
Verkehrsfreiheit Bahn, der theils in der Aufhebung der noch be-
ſtehenden Stromzölle, wie auf Rhein und Elbe, theils in der unbe-
ſchränkten Zulaſſung fremder Dampfſchifffahrtslinien, wie auf der
Donau, theils in großen internationalen Stromarbeiten wie an der
Sulinamündung, theils in nicht minder bedeutenden Weltcanalbauten,
wie der Suezeanal ſeinen großartigen Ausdruck findet. Hier reicht das
Waſſerrecht dem Schifffahrtsweſen die Hand, und das Princip der Ge-
meinſchaft des Verkehrslebens von ganz Europa erringt einen neuen,
hochbedeutenden Sieg über Grundherrlichkeit und Partikularismus der
früheren Epochen.
Zuerſt und am klarſten iſt das Princip der Unterordnung aller ſchiffbaren
Flüſſe geſetzlich ausgeſprochen in der Ord. des eaux et forêts 1669: „toutes
les eaux portants bateaux de leur fonds — sont domaine de la Couronne.“
Stein bei Haimerl a. a. O. Laferrière, Droit publ. I. 1. Tit. 4. (Geſchichte.)
Ueber die Entwicklung des deutſchen Rechts Mittermaier, deutſches Privat-
recht I. §. 221. 222 nebſt Literatur. Oeſterreichs Strompolizeiordnung von
1770. (ſ. oben). Preuß. Allgem. Landrecht I. 8 und 22 und das Geſetz über
die Benützung der Privatflüſſe vom 28. Febr. 1843. Vergl. Nieberding
a. a. O. und Glaß. Alte Rhein- und Elbzölle Klüber, Oeffentliches Recht
§. 568 ff. mit all den früheren Beſtimmungen auch über Main, Neckar, Moſel,
Maas und Schelde als internationale Verträge. Elbzölle ſpeciell: Aktenſtücke
und Nachweiſe 1860. Freiheit der Donau 1859. Befreiung von den Elbzöllen
in Ausſicht geſtellt (Norddeutſche Bundesverfaſſung Art. 54). — Convention über
internationale Schifffahrt auf dem Pruth von 1869.
e) Das Waſſerrecht der Landwirthſchaft.
Das was wir das Waſſerrecht der Landwirthſchaft nennen, ent-
ſteht endlich da, wo die Fähigkeit des Waſſers der Produktion, na-
mentlich in der Landwirthſchaft zu dienen, nicht mehr der Einzelthätig-
keit überlaſſen, ſondern Gegenſtand der Verwaltung wird. Nach dem
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/187>, abgerufen am 22.12.2024.
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