Gebiet in dem flachen England und selbst in Frankreich nahezu fehlt. Das Recht desselben hat zwei Epochen. Die erste ist die grundherr- liche, in der der Grundherr als Eigenthümer auch des fließenden Wassers auftritt; daher Recht auf Anlage von Mühlen etc. als Perti- nenz der Grundherrschaft. Die zweite beginnt mit dem achtzehnten Jahrhundert sich klarer zu bilden, erscheint jedoch noch wesentlich als Recht der bestehenden Wassergewerke, namentlich der Mühlen; daher erschöpft sich das Recht in den Mühlwasserordnungen, die dem römi- schen Recht ganz unbekannt sind, mit Vorfluths-, Staurecht, Wehrrecht und anderen Punkten. Dadurch Verbindung mit gewissen Servituten, und daran sich knüpfend eine große Jurisprudenz, welche noch immer alle Fragen aus dem einseitigen privatrechtlichen Gesichtspunkt be- handelt.
Vergl. das betreffende Recht für Preußen bei Nieberding a. a. O. Letzte preußische Mühlordnung vom 15. Nov. 1811. -- Oesterreich: Stand- punkt der Verleihung von Wassergefällen (niederösterreichische Verordnung vom 28. Febr. 1858; StubenrauchI. S. 258).
d) Die Wasserverkehrswege.
Die zweite große Form des Gebrauchs des Wassers ist die der Wasserverkehrswege. Der einfache Grundsatz, daß ein Gewässer welches die Fähigkeit hat, als Verkehrsweg benützt zu werden, auch der Gesammtheit gehöre, entsteht mit dem Verkehr selbst, und ist daher dem römischen Recht wie dem ältesten deutschen Recht ein unbezweifeltes Princip. Die Entstehung der Grundherrlichkeit hat nun diesen Grund- satz seit dem Mittelalter wieder in Zweifel gestellt, die Benützung der Wasserstraßen als ein Recht der ersteren, und vermöge derselben Zoll- und Wegegeld von der Flußschifffahrt gefordert. Der Kampf gegen diesen verderblichen Grundsatz erscheint dann in der Regalität des Wassers. Dieselbe wird in verschiedener Weise ausgedrückt, enthält aber zunächst und ursprünglich nur den negativen Gedanken, daß alle schiffbaren Ströme und Flüsse, als Eigenthum der Krone, nicht der Grundherrlichkeit angehören. In dem theils theoretischen, theils prak- tischen Kampf um das Princip erschöpft sich dann das achtzehnte Jahr- hundert; doch gelangt dasselbe schon zu den allgemeinen Strom- und Flußpolizeiordnungen, welche zugleich Schifffahrtsordnungen sind, während für die kleineren fließenden Gewässer wieder die Leinpfade- ordnungen und das Flößerrecht, obwohl meist örtlich entstanden, dennoch gleichfalls den Gedanken des allgemeinen Rechts an jedem schiffbaren Gewässer in ihrem Gebiete durchführen. Aber erst das neunzehnte Jahrhundert gelangt zu einer größeren Auffassung. Während
Gebiet in dem flachen England und ſelbſt in Frankreich nahezu fehlt. Das Recht deſſelben hat zwei Epochen. Die erſte iſt die grundherr- liche, in der der Grundherr als Eigenthümer auch des fließenden Waſſers auftritt; daher Recht auf Anlage von Mühlen ꝛc. als Perti- nenz der Grundherrſchaft. Die zweite beginnt mit dem achtzehnten Jahrhundert ſich klarer zu bilden, erſcheint jedoch noch weſentlich als Recht der beſtehenden Waſſergewerke, namentlich der Mühlen; daher erſchöpft ſich das Recht in den Mühlwaſſerordnungen, die dem römi- ſchen Recht ganz unbekannt ſind, mit Vorfluths-, Staurecht, Wehrrecht und anderen Punkten. Dadurch Verbindung mit gewiſſen Servituten, und daran ſich knüpfend eine große Jurisprudenz, welche noch immer alle Fragen aus dem einſeitigen privatrechtlichen Geſichtspunkt be- handelt.
Vergl. das betreffende Recht für Preußen bei Nieberding a. a. O. Letzte preußiſche Mühlordnung vom 15. Nov. 1811. — Oeſterreich: Stand- punkt der Verleihung von Waſſergefällen (niederöſterreichiſche Verordnung vom 28. Febr. 1858; StubenrauchI. S. 258).
d) Die Waſſerverkehrswege.
Die zweite große Form des Gebrauchs des Waſſers iſt die der Waſſerverkehrswege. Der einfache Grundſatz, daß ein Gewäſſer welches die Fähigkeit hat, als Verkehrsweg benützt zu werden, auch der Geſammtheit gehöre, entſteht mit dem Verkehr ſelbſt, und iſt daher dem römiſchen Recht wie dem älteſten deutſchen Recht ein unbezweifeltes Princip. Die Entſtehung der Grundherrlichkeit hat nun dieſen Grund- ſatz ſeit dem Mittelalter wieder in Zweifel geſtellt, die Benützung der Waſſerſtraßen als ein Recht der erſteren, und vermöge derſelben Zoll- und Wegegeld von der Flußſchifffahrt gefordert. Der Kampf gegen dieſen verderblichen Grundſatz erſcheint dann in der Regalität des Waſſers. Dieſelbe wird in verſchiedener Weiſe ausgedrückt, enthält aber zunächſt und urſprünglich nur den negativen Gedanken, daß alle ſchiffbaren Ströme und Flüſſe, als Eigenthum der Krone, nicht der Grundherrlichkeit angehören. In dem theils theoretiſchen, theils prak- tiſchen Kampf um das Princip erſchöpft ſich dann das achtzehnte Jahr- hundert; doch gelangt daſſelbe ſchon zu den allgemeinen Strom- und Flußpolizeiordnungen, welche zugleich Schifffahrtsordnungen ſind, während für die kleineren fließenden Gewäſſer wieder die Leinpfade- ordnungen und das Flößerrecht, obwohl meiſt örtlich entſtanden, dennoch gleichfalls den Gedanken des allgemeinen Rechts an jedem ſchiffbaren Gewäſſer in ihrem Gebiete durchführen. Aber erſt das neunzehnte Jahrhundert gelangt zu einer größeren Auffaſſung. Während
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><p><pbfacs="#f0186"n="162"/>
Gebiet in dem flachen England und ſelbſt in Frankreich nahezu fehlt.<lb/>
Das <hirendition="#g">Recht</hi> deſſelben hat zwei Epochen. Die erſte iſt die grundherr-<lb/>
liche, in der der Grundherr als Eigenthümer auch des fließenden<lb/>
Waſſers auftritt; daher Recht auf Anlage von Mühlen ꝛc. als Perti-<lb/>
nenz der Grundherrſchaft. Die zweite beginnt mit dem achtzehnten<lb/>
Jahrhundert ſich klarer zu bilden, erſcheint jedoch noch weſentlich als<lb/>
Recht der <hirendition="#g">beſtehenden</hi> Waſſergewerke, namentlich der Mühlen; daher<lb/>
erſchöpft ſich das Recht in den Mühlwaſſerordnungen, die dem römi-<lb/>ſchen Recht ganz unbekannt ſind, mit Vorfluths-, Staurecht, Wehrrecht<lb/>
und anderen Punkten. Dadurch Verbindung mit gewiſſen Servituten,<lb/>
und daran ſich knüpfend eine große Jurisprudenz, welche noch immer<lb/>
alle Fragen aus dem einſeitigen privatrechtlichen Geſichtspunkt be-<lb/>
handelt.</p><lb/><p>Vergl. das betreffende Recht für <hirendition="#g">Preußen</hi> bei <hirendition="#g">Nieberding</hi> a. a. O.<lb/>
Letzte preußiſche Mühlordnung vom 15. Nov. 1811. —<hirendition="#g">Oeſterreich</hi>: Stand-<lb/>
punkt der Verleihung von Waſſergefällen (niederöſterreichiſche Verordnung vom<lb/>
28. Febr. 1858; <hirendition="#g">Stubenrauch</hi><hirendition="#aq">I.</hi> S. 258).</p><lb/><p><hirendition="#aq">d</hi>) <hirendition="#g">Die Waſſerverkehrswege</hi>.</p><lb/><p>Die zweite große Form des Gebrauchs des Waſſers iſt die der<lb/><hirendition="#g">Waſſerverkehrswege</hi>. Der einfache Grundſatz, daß ein Gewäſſer<lb/>
welches die Fähigkeit hat, als Verkehrsweg benützt zu werden, auch<lb/>
der Geſammtheit gehöre, entſteht mit dem Verkehr ſelbſt, und iſt daher<lb/>
dem römiſchen Recht wie dem älteſten deutſchen Recht ein unbezweifeltes<lb/>
Princip. Die Entſtehung der Grundherrlichkeit hat nun dieſen Grund-<lb/>ſatz ſeit dem Mittelalter wieder in Zweifel geſtellt, die Benützung der<lb/>
Waſſerſtraßen als ein Recht der erſteren, und vermöge derſelben Zoll-<lb/>
und Wegegeld von der Flußſchifffahrt gefordert. Der Kampf gegen<lb/>
dieſen verderblichen Grundſatz erſcheint dann in der <hirendition="#g">Regalität</hi> des<lb/>
Waſſers. Dieſelbe wird in verſchiedener Weiſe ausgedrückt, enthält<lb/>
aber zunächſt und urſprünglich nur den negativen Gedanken, daß alle<lb/>ſchiffbaren Ströme und Flüſſe, als Eigenthum der Krone, <hirendition="#g">nicht</hi> der<lb/>
Grundherrlichkeit angehören. In dem theils theoretiſchen, theils prak-<lb/>
tiſchen Kampf um das Princip erſchöpft ſich dann das achtzehnte Jahr-<lb/>
hundert; doch gelangt daſſelbe ſchon zu den allgemeinen <hirendition="#g">Strom-</hi> und<lb/><hirendition="#g">Flußpolizeiordnungen</hi>, welche zugleich Schifffahrtsordnungen ſind,<lb/>
während für die kleineren fließenden Gewäſſer wieder die <hirendition="#g">Leinpfade-</hi><lb/>
ordnungen und das <hirendition="#g">Flößerrecht</hi>, obwohl meiſt örtlich entſtanden,<lb/>
dennoch gleichfalls den Gedanken des allgemeinen Rechts an jedem<lb/><hirendition="#g">ſchiffbaren</hi> Gewäſſer in ihrem Gebiete durchführen. Aber erſt das<lb/>
neunzehnte Jahrhundert gelangt zu einer größeren Auffaſſung. Während<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[162/0186]
Gebiet in dem flachen England und ſelbſt in Frankreich nahezu fehlt.
Das Recht deſſelben hat zwei Epochen. Die erſte iſt die grundherr-
liche, in der der Grundherr als Eigenthümer auch des fließenden
Waſſers auftritt; daher Recht auf Anlage von Mühlen ꝛc. als Perti-
nenz der Grundherrſchaft. Die zweite beginnt mit dem achtzehnten
Jahrhundert ſich klarer zu bilden, erſcheint jedoch noch weſentlich als
Recht der beſtehenden Waſſergewerke, namentlich der Mühlen; daher
erſchöpft ſich das Recht in den Mühlwaſſerordnungen, die dem römi-
ſchen Recht ganz unbekannt ſind, mit Vorfluths-, Staurecht, Wehrrecht
und anderen Punkten. Dadurch Verbindung mit gewiſſen Servituten,
und daran ſich knüpfend eine große Jurisprudenz, welche noch immer
alle Fragen aus dem einſeitigen privatrechtlichen Geſichtspunkt be-
handelt.
Vergl. das betreffende Recht für Preußen bei Nieberding a. a. O.
Letzte preußiſche Mühlordnung vom 15. Nov. 1811. — Oeſterreich: Stand-
punkt der Verleihung von Waſſergefällen (niederöſterreichiſche Verordnung vom
28. Febr. 1858; Stubenrauch I. S. 258).
d) Die Waſſerverkehrswege.
Die zweite große Form des Gebrauchs des Waſſers iſt die der
Waſſerverkehrswege. Der einfache Grundſatz, daß ein Gewäſſer
welches die Fähigkeit hat, als Verkehrsweg benützt zu werden, auch
der Geſammtheit gehöre, entſteht mit dem Verkehr ſelbſt, und iſt daher
dem römiſchen Recht wie dem älteſten deutſchen Recht ein unbezweifeltes
Princip. Die Entſtehung der Grundherrlichkeit hat nun dieſen Grund-
ſatz ſeit dem Mittelalter wieder in Zweifel geſtellt, die Benützung der
Waſſerſtraßen als ein Recht der erſteren, und vermöge derſelben Zoll-
und Wegegeld von der Flußſchifffahrt gefordert. Der Kampf gegen
dieſen verderblichen Grundſatz erſcheint dann in der Regalität des
Waſſers. Dieſelbe wird in verſchiedener Weiſe ausgedrückt, enthält
aber zunächſt und urſprünglich nur den negativen Gedanken, daß alle
ſchiffbaren Ströme und Flüſſe, als Eigenthum der Krone, nicht der
Grundherrlichkeit angehören. In dem theils theoretiſchen, theils prak-
tiſchen Kampf um das Princip erſchöpft ſich dann das achtzehnte Jahr-
hundert; doch gelangt daſſelbe ſchon zu den allgemeinen Strom- und
Flußpolizeiordnungen, welche zugleich Schifffahrtsordnungen ſind,
während für die kleineren fließenden Gewäſſer wieder die Leinpfade-
ordnungen und das Flößerrecht, obwohl meiſt örtlich entſtanden,
dennoch gleichfalls den Gedanken des allgemeinen Rechts an jedem
ſchiffbaren Gewäſſer in ihrem Gebiete durchführen. Aber erſt das
neunzehnte Jahrhundert gelangt zu einer größeren Auffaſſung. Während
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/186>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.