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Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.

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Ordnung ist und bald die Stimmung wie von selber pst_245.002
trägt. Außerdem aber gründen die horazischen pst_245.003
Maße gar nicht im "Wesen", im "Geist" oder in der pst_245.004
"Seele" des Dichters. Horaz spielt auf Alkaios, Sappho, pst_245.005
Anakreon, Asklepiades an. Er spielt auf die Griechen pst_245.006
auch an in seinem Satzbau und in seinen Motiven, und pst_245.007
der Reiz seiner Poesie besteht weithin in der artistischen pst_245.008
Freiheit und souveränen Kraft, fremde Gebärden und pst_245.009
Töne wiederzugeben und sich, seelisch unbeteiligt, in pst_245.010
einer Kunstwelt zu bewegen. Wer Horaz auslegen will, pst_245.011
hat darauf sein Augenmerk zu richten. Jede andere Interpretation pst_245.012
muß zu falschen Ergebnissen führen. Ob pst_245.013
dies für den ganzen Horaz oder nur für Teile seines pst_245.014
Werks zutrifft, das brauchen wir hier, wo uns einzig an pst_245.015
einem Beispiel liegt, nicht zu beachten.

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Das Beispiel aber steht für ganze Bereiche einer Poesie, pst_245.017
die der deutsche, an Goethe gebildete Literarhistoriker pst_245.018
leicht übersieht, oder, wenn er sie sieht, nicht pst_245.019
zu schätzen weiß, die im weltliterarischen Rahmen jedoch, pst_245.020
zumal bei den romanischen Völkern, einen so pst_245.021
hohen Rang einnimmt und geschichtlich so viel bedeutet, pst_245.022
daß jeder, der sie mißachtet, nur die engen Grenzen pst_245.023
seiner Bildung, seiner literarischen Einsicht verrät. pst_245.024
Und ist diese Dichtung denn immer so klar von einer pst_245.025
"ursprünglichen" geschieden? Ich brauche nur Mörike pst_245.026
oder Goethes "Westöstlichen Divan" zu nennen, um in pst_245.027
Erinnerung zu rufen, wie oft, sogar in der Goethezeit, pst_245.028
der Anklang, artistisches Spiel, am Wesen und Wert pst_245.029
einer Dichtung beteiligt ist. Solche Züge zu erfassen, pst_245.030
ist die Fundamentalpoetik kein geeignetes Instrument. pst_245.031
Denn da sie die Dichtung in der reinen Zeit als dem

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Anakreon, Asklepiades an. Er spielt auf die Griechen pst_245.006
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einem Beispiel liegt, nicht zu beachten.

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die der deutsche, an Goethe gebildete Literarhistoriker pst_245.018
leicht übersieht, oder, wenn er sie sieht, nicht pst_245.019
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Zitationshilfe: Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946/249>, abgerufen am 09.11.2024.