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Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.

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Vorahnungen, in banger Erwartung, in Zeichen, die pst_184.002
noch nichts Bestimmtes, aber doch etwas Unheilvolles pst_184.003
oder Erfreuliches ankündigen. Man denke etwa an Appianis pst_184.004
Stimmung in der "Emilia Galotti", an Adams pst_184.005
Unbehagen in der ersten Szene des "Zerbrochenen pst_184.006
Krugs". Mache dich auf das Schlimmste, mache dich pst_184.007
auf die Bestrafung des Schurken gefaßt! rufen Lessing pst_184.008
und Kleist dem Publikum zu. An Mitteln, die Zukunft pst_184.009
vorwegzunehmen, ohne sie doch schon zu enthüllen, pst_184.010
bieten sich unzählige an. Der Meister weiß sie gehörig pst_184.011
anzuwenden, der Dilettant vergreift sich. Nur sorgsamste pst_184.012
Interpretation kann hier das Rechte vom Falschen pst_184.013
scheiden.

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Immerhin dürfen zwei bewährte Mittel herausgehoben pst_184.015
werden. Das eine ist das antike Orakel. Seine gewaltige pst_184.016
dichterische Bedeutung, die sich so oft bei Sophokles, pst_184.017
am reinsten im "König Ödipus" auswirkt, beruht pst_184.018
darauf, daß dem Gott, Apoll, der Ausgang des pst_184.019
Schicksals längst bekannt ist, daß aber der Mensch pst_184.020
es nicht lassen kann, die Zukunft als ungewisses Ergebnis pst_184.021
seiner Freiheit anzusehen. Damit ist beides vollkommen pst_184.022
erreicht. Der Zuschauer weiß, worauf es hinaus pst_184.023
will. Er kann jedes Wort und jede Gebärde schon pst_184.024
auf die letzte Szene beziehen. Zugleich aber plant und pst_184.025
hofft er noch mit dem Helden, und um so leidenschaftlicher, pst_184.026
als die Untrüglichkeit des Orakels nicht außer pst_184.027
allem Zweifel steht - ein idealer Fall, der die deutlichste pst_184.028
Antizipation der Zukunft mit der lebendigsten Spannung pst_184.029
vereint und das mächtig erregende Doppellicht pst_184.030
der "tragischen Ironie" ausstrahlt.

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Das andere ist Zeugung und Geburt. Das Thema der

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noch nichts Bestimmtes, aber doch etwas Unheilvolles pst_184.003
oder Erfreuliches ankündigen. Man denke etwa an Appianis pst_184.004
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dichterische Bedeutung, die sich so oft bei Sophokles, pst_184.017
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seiner Freiheit anzusehen. Damit ist beides vollkommen pst_184.022
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Zitationshilfe: Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946/188>, abgerufen am 09.11.2024.