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Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.

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den Vorzug geben. Wer aber den Maßstab des Epischen pst_147.002
anlegt, wird das Inferno mächtiger finden. Denn hier pst_147.003
tritt alles sichtbarer hervor. Fest stehen die einzelnen pst_147.004
Gestalten da, undurchsichtig, in einer Körperlichkeit, pst_147.005
die dem Auge Widerpart hält. Dieselben Züge jedoch, pst_147.006
die den an Homer geschulten Betrachter erfreuen, bedeuten pst_147.007
im Zusammenhang des Danteschen Gedichts pst_147.008
Verworfenheit. Verworfen ist, wer in sich selbst besteht pst_147.009
und wessen Körper wesentlich wird; verworfen, wessen pst_147.010
Zweck in jedem Punkte seiner Bewegung liegt und pst_147.011
nicht in jenem glorreichen Ende, auf das hin Gott den pst_147.012
Menschen geschaffen. Eine denkwürdige Situation! Die pst_147.013
epische Welt ist zur Hölle geworden, weil sie die neue pst_147.014
Bewegung nach oben, welche im Christentum anhebt, pst_147.015
nicht teilt. Ähnlich steht es bei Milton und Klopstock. pst_147.016
Auch da gerät das Höllische besser nach dem Maßstab pst_147.017
der epischen Kunst. Und da sich Klopstock im Technischen pst_147.018
seines Dichtens eng an Homer anschließt, kann pst_147.019
über ihn das Urteil nicht schwanken: Stilistisch einstimmig pst_147.020
sind allein die Schilderungen der gottlosen pst_147.021
Sphäre.

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Historischer Forschung ist aufgetragen, zu untersuchen, pst_147.023
welche Wandlung das Epos in christlicher Zeit pst_147.024
durchmacht, wie etwa im Nibelungenlied, bei Ariost pst_147.025
und Tasso Dramatisches oder Lyrisches mehr hervortritt. pst_147.026
Dagegen sei hier noch auf das Tierepos hingewiesen, pst_147.027
auf "Reinke de vos", der unter allen neueren Epen pst_147.028
gewiß das am meisten epische ist. Die Tiere stehen nicht pst_147.029
in der Spannung von Sündenfall und jüngstem Gericht. pst_147.030
Sie machen keine Entwicklung durch. Ein Fuchs ist ein pst_147.031
Fuchs und ein Dachs ist ein Dachs, unwiderruflich festgestellt

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den Vorzug geben. Wer aber den Maßstab des Epischen pst_147.002
anlegt, wird das Inferno mächtiger finden. Denn hier pst_147.003
tritt alles sichtbarer hervor. Fest stehen die einzelnen pst_147.004
Gestalten da, undurchsichtig, in einer Körperlichkeit, pst_147.005
die dem Auge Widerpart hält. Dieselben Züge jedoch, pst_147.006
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Verworfenheit. Verworfen ist, wer in sich selbst besteht pst_147.009
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Zweck in jedem Punkte seiner Bewegung liegt und pst_147.011
nicht in jenem glorreichen Ende, auf das hin Gott den pst_147.012
Menschen geschaffen. Eine denkwürdige Situation! Die pst_147.013
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Bewegung nach oben, welche im Christentum anhebt, pst_147.015
nicht teilt. Ähnlich steht es bei Milton und Klopstock. pst_147.016
Auch da gerät das Höllische besser nach dem Maßstab pst_147.017
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seines Dichtens eng an Homer anschließt, kann pst_147.019
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sind allein die Schilderungen der gottlosen pst_147.021
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  Historischer Forschung ist aufgetragen, zu untersuchen, pst_147.023
welche Wandlung das Epos in christlicher Zeit pst_147.024
durchmacht, wie etwa im Nibelungenlied, bei Ariost pst_147.025
und Tasso Dramatisches oder Lyrisches mehr hervortritt. pst_147.026
Dagegen sei hier noch auf das Tierepos hingewiesen, pst_147.027
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gewiß das am meisten epische ist. Die Tiere stehen nicht pst_147.029
in der Spannung von Sündenfall und jüngstem Gericht. pst_147.030
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Zitationshilfe: Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946/151>, abgerufen am 23.11.2024.