Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_122.001 (242-252) pst_122.004 In neuzeitlicher Dichtung läßt sich dergleichen höchstens pst_122.005 Weitere Beispiele würden immer nur dasselbe zeigen: pst_122.025 pst_122.001 (242–252) pst_122.004 In neuzeitlicher Dichtung läßt sich dergleichen höchstens pst_122.005 Weitere Beispiele würden immer nur dasselbe zeigen: pst_122.025 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg> <pb facs="#f0126" n="122"/> <lb n="pst_122.001"/> <l>Dort nun schritt ihm die milde, gütige Mutter entgegen,</l> <lb n="pst_122.002"/> <l>Die gerad zu Laodike ging, der schönsten der Töchter.»</l> </lg> <lb n="pst_122.003"/> <p> <hi rendition="#right">(242–252)</hi> </p> <lb n="pst_122.004"/> <p> In neuzeitlicher Dichtung läßt sich dergleichen höchstens <lb n="pst_122.005"/> als bewußt archaische Manier rechtfertigen. Bei <lb n="pst_122.006"/> Homer ist es ganz natürlich, offenbar deshalb, weil er <lb n="pst_122.007"/> die Unterordnung des Nebensatzes bei weitem nicht so <lb n="pst_122.008"/> deutlich empfindet wie wir. So hat auch das Relativpronomen <lb n="pst_122.009"/> bei ihm noch demonstrative Bedeutung und <lb n="pst_122.010"/> leitet einen Hauptsatz ein. Er sagt also nicht: ‚Ich habe <lb n="pst_122.011"/> das Haus gesehen, das an der Straße steht ‘, sondern: <lb n="pst_122.012"/> ‚Ich habe das Haus gesehen, das steht an der Straße ‘. <lb n="pst_122.013"/> Und bis ins Kleinste setzt sich das fort. Wir pflegen zu <lb n="pst_122.014"/> sagen, daß eine Präposition einen Kasus regiere. Bei <lb n="pst_122.015"/> Homer jedoch bewahren die Kasus noch einige Selbständigkeit. <lb n="pst_122.016"/> Der Genetiv von ‚Haus ‘ kann ‚aus dem <lb n="pst_122.017"/> Haus ‘ bedeuten, der Dativ ‚im Haus ‘. Die Präpositionen <lb n="pst_122.018"/> wiederum werden noch adverbial verwendet, ‚vor ‘ <lb n="pst_122.019"/> also in der Bedeutung von ‚davor ‘, ‚in ‘ in der Bedeutung <lb n="pst_122.020"/> ‚darin ‘. Sie können deshalb vor oder hinter dem <lb n="pst_122.021"/> zu bestimmenden Wort stehen. Dann regiert nicht eine <lb n="pst_122.022"/> Präposition einen Kasus, sondern eine Postposition tritt <lb n="pst_122.023"/> zu einem Kasus erläuternd hinzu.</p> <lb n="pst_122.024"/> <p> Weitere Beispiele würden immer nur dasselbe zeigen: <lb n="pst_122.025"/> daß der Sinn für grammatische Bezüge noch wenig <lb n="pst_122.026"/> ausgebildet ist, daß kleinste Satzteile sogar, die später <lb n="pst_122.027"/> rein funktionale Bedeutung gewinnen, noch ziemlich <lb n="pst_122.028"/> fest in sich selber bestehen. Dies aber ist nur der grammatische <lb n="pst_122.029"/> Niederschlag des von Schiller erkannten Gesetzes.</p> <lb n="pst_122.030"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [122/0126]
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Dort nun schritt ihm die milde, gütige Mutter entgegen, pst_122.002
Die gerad zu Laodike ging, der schönsten der Töchter.»
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In neuzeitlicher Dichtung läßt sich dergleichen höchstens pst_122.005
als bewußt archaische Manier rechtfertigen. Bei pst_122.006
Homer ist es ganz natürlich, offenbar deshalb, weil er pst_122.007
die Unterordnung des Nebensatzes bei weitem nicht so pst_122.008
deutlich empfindet wie wir. So hat auch das Relativpronomen pst_122.009
bei ihm noch demonstrative Bedeutung und pst_122.010
leitet einen Hauptsatz ein. Er sagt also nicht: ‚Ich habe pst_122.011
das Haus gesehen, das an der Straße steht ‘, sondern: pst_122.012
‚Ich habe das Haus gesehen, das steht an der Straße ‘. pst_122.013
Und bis ins Kleinste setzt sich das fort. Wir pflegen zu pst_122.014
sagen, daß eine Präposition einen Kasus regiere. Bei pst_122.015
Homer jedoch bewahren die Kasus noch einige Selbständigkeit. pst_122.016
Der Genetiv von ‚Haus ‘ kann ‚aus dem pst_122.017
Haus ‘ bedeuten, der Dativ ‚im Haus ‘. Die Präpositionen pst_122.018
wiederum werden noch adverbial verwendet, ‚vor ‘ pst_122.019
also in der Bedeutung von ‚davor ‘, ‚in ‘ in der Bedeutung pst_122.020
‚darin ‘. Sie können deshalb vor oder hinter dem pst_122.021
zu bestimmenden Wort stehen. Dann regiert nicht eine pst_122.022
Präposition einen Kasus, sondern eine Postposition tritt pst_122.023
zu einem Kasus erläuternd hinzu.
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Weitere Beispiele würden immer nur dasselbe zeigen: pst_122.025
daß der Sinn für grammatische Bezüge noch wenig pst_122.026
ausgebildet ist, daß kleinste Satzteile sogar, die später pst_122.027
rein funktionale Bedeutung gewinnen, noch ziemlich pst_122.028
fest in sich selber bestehen. Dies aber ist nur der grammatische pst_122.029
Niederschlag des von Schiller erkannten Gesetzes.
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