Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.

Bild:
<< vorherige Seite

pst_121.001
kaum mehr nachahmen läßt, die aber auch in pst_121.002
andern jugendlichen Sprachen zu bemerken ist, und pst_121.003
wie das Epische überhaupt, eine unwiederholbare frühe pst_121.004
Stufe des menschlichen Daseins bedeutet. Ein Blick in pst_121.005
Kägis griechische Schulgrammatik genügt, um das Wesentliche pst_121.006
zu sehen. Wenn Homer einmal zu einer längeren pst_121.007
hypotaktischen Fügung ausholt, so bricht er nicht pst_121.008
selten plötzlich ab und entzieht sich der Spannung durch pst_121.009
Anakoluth. Ein Beispiel, das Thassilo von Scheffer1 auf pst_121.010
deutsch noch wiederzugeben vermag, steht im sechsten pst_121.011
Gesang der "Ilias":

pst_121.012
"Wie er nun aber zu Priamos' herrlichem Hause pst_121.013
gelangte, pst_121.014
Rings errichtet mit Hallen geglätteter Säulen - doch pst_121.015
drinnen pst_121.016
Waren Gemächer an fünfzig mit glatten steinernen pst_121.017
Wänden, pst_121.018
Eines neben dem andern gebaut; des Priamos Söhne pst_121.019
Ruhten dort schlafend zur Seite der ehlich verbundenen pst_121.020
Gattin; pst_121.021
Doch für die Töchter erhuben sich drüben am anderen pst_121.022
Ende pst_121.023
Zwölf gedeckte Gemächer im Hof aus glattem pst_121.024
Gemäuer, pst_121.025
Eines neben dem andern; die Schwiegersöhne des pst_121.026
Königs pst_121.027
Ruhten dort schlafend zur Seite der keuschen, würdigen pst_121.028
Frauen -
1 pst_121.029
Th. v. Scheffer: Homer, Ilias, Berlin 1920.

pst_121.001
kaum mehr nachahmen läßt, die aber auch in pst_121.002
andern jugendlichen Sprachen zu bemerken ist, und pst_121.003
wie das Epische überhaupt, eine unwiederholbare frühe pst_121.004
Stufe des menschlichen Daseins bedeutet. Ein Blick in pst_121.005
Kägis griechische Schulgrammatik genügt, um das Wesentliche pst_121.006
zu sehen. Wenn Homer einmal zu einer längeren pst_121.007
hypotaktischen Fügung ausholt, so bricht er nicht pst_121.008
selten plötzlich ab und entzieht sich der Spannung durch pst_121.009
Anakoluth. Ein Beispiel, das Thassilo von Scheffer1 auf pst_121.010
deutsch noch wiederzugeben vermag, steht im sechsten pst_121.011
Gesang der «Ilias»:

pst_121.012
«Wie er nun aber zu Priamos' herrlichem Hause pst_121.013
gelangte, pst_121.014
Rings errichtet mit Hallen geglätteter Säulen – doch pst_121.015
drinnen pst_121.016
Waren Gemächer an fünfzig mit glatten steinernen pst_121.017
Wänden, pst_121.018
Eines neben dem andern gebaut; des Priamos Söhne pst_121.019
Ruhten dort schlafend zur Seite der ehlich verbundenen pst_121.020
Gattin; pst_121.021
Doch für die Töchter erhuben sich drüben am anderen pst_121.022
Ende pst_121.023
Zwölf gedeckte Gemächer im Hof aus glattem pst_121.024
Gemäuer, pst_121.025
Eines neben dem andern; die Schwiegersöhne des pst_121.026
Königs pst_121.027
Ruhten dort schlafend zur Seite der keuschen, würdigen pst_121.028
Frauen –
1 pst_121.029
Th. v. Scheffer: Homer, Ilias, Berlin 1920.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0125" n="121"/><lb n="pst_121.001"/>
kaum mehr nachahmen läßt, die aber auch in <lb n="pst_121.002"/>
andern jugendlichen Sprachen zu bemerken ist, und <lb n="pst_121.003"/>
wie das Epische überhaupt, eine unwiederholbare frühe <lb n="pst_121.004"/>
Stufe des menschlichen Daseins bedeutet. Ein Blick in <lb n="pst_121.005"/>
Kägis griechische Schulgrammatik genügt, um das Wesentliche <lb n="pst_121.006"/>
zu sehen. Wenn Homer einmal zu einer längeren <lb n="pst_121.007"/>
hypotaktischen Fügung ausholt, so bricht er nicht <lb n="pst_121.008"/>
selten plötzlich ab und entzieht sich der Spannung durch <lb n="pst_121.009"/>
Anakoluth. Ein Beispiel, das Thassilo von Scheffer<note xml:id="PST_121_1" place="foot" n="1"><lb n="pst_121.029"/>
Th. v. Scheffer: Homer, Ilias, Berlin 1920.</note> auf <lb n="pst_121.010"/>
deutsch noch wiederzugeben vermag, steht im sechsten <lb n="pst_121.011"/>
Gesang der «Ilias»:</p>
          <lb n="pst_121.012"/>
          <lg>
            <l>«Wie er nun aber zu Priamos' herrlichem Hause</l>
            <lb n="pst_121.013"/>
            <l> <hi rendition="#et">gelangte,</hi> </l>
            <lb n="pst_121.014"/>
            <l>Rings errichtet mit Hallen geglätteter Säulen &#x2013; doch</l>
            <lb n="pst_121.015"/>
            <l> <hi rendition="#et">drinnen</hi> </l>
            <lb n="pst_121.016"/>
            <l>Waren Gemächer an fünfzig mit glatten steinernen</l>
            <lb n="pst_121.017"/>
            <l> <hi rendition="#et">Wänden,</hi> </l>
            <lb n="pst_121.018"/>
            <l>Eines neben dem andern gebaut; des Priamos Söhne</l>
            <lb n="pst_121.019"/>
            <l>Ruhten dort schlafend zur Seite der ehlich verbundenen</l>
            <lb n="pst_121.020"/>
            <l> <hi rendition="#et">Gattin;</hi> </l>
            <lb n="pst_121.021"/>
            <l>Doch für die Töchter erhuben sich drüben am anderen</l>
            <lb n="pst_121.022"/>
            <l> <hi rendition="#et">Ende</hi> </l>
            <lb n="pst_121.023"/>
            <l>Zwölf gedeckte Gemächer im Hof aus glattem</l>
            <lb n="pst_121.024"/>
            <l> <hi rendition="#et">Gemäuer,</hi> </l>
            <lb n="pst_121.025"/>
            <l>Eines neben dem andern; die Schwiegersöhne des</l>
            <lb n="pst_121.026"/>
            <l> <hi rendition="#et">Königs</hi> </l>
            <lb n="pst_121.027"/>
            <l>Ruhten dort schlafend zur Seite der keuschen, würdigen</l>
            <lb n="pst_121.028"/>
            <l> <hi rendition="#et">Frauen &#x2013;</hi> </l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0125] pst_121.001 kaum mehr nachahmen läßt, die aber auch in pst_121.002 andern jugendlichen Sprachen zu bemerken ist, und pst_121.003 wie das Epische überhaupt, eine unwiederholbare frühe pst_121.004 Stufe des menschlichen Daseins bedeutet. Ein Blick in pst_121.005 Kägis griechische Schulgrammatik genügt, um das Wesentliche pst_121.006 zu sehen. Wenn Homer einmal zu einer längeren pst_121.007 hypotaktischen Fügung ausholt, so bricht er nicht pst_121.008 selten plötzlich ab und entzieht sich der Spannung durch pst_121.009 Anakoluth. Ein Beispiel, das Thassilo von Scheffer 1 auf pst_121.010 deutsch noch wiederzugeben vermag, steht im sechsten pst_121.011 Gesang der «Ilias»: pst_121.012 «Wie er nun aber zu Priamos' herrlichem Hause pst_121.013 gelangte, pst_121.014 Rings errichtet mit Hallen geglätteter Säulen – doch pst_121.015 drinnen pst_121.016 Waren Gemächer an fünfzig mit glatten steinernen pst_121.017 Wänden, pst_121.018 Eines neben dem andern gebaut; des Priamos Söhne pst_121.019 Ruhten dort schlafend zur Seite der ehlich verbundenen pst_121.020 Gattin; pst_121.021 Doch für die Töchter erhuben sich drüben am anderen pst_121.022 Ende pst_121.023 Zwölf gedeckte Gemächer im Hof aus glattem pst_121.024 Gemäuer, pst_121.025 Eines neben dem andern; die Schwiegersöhne des pst_121.026 Königs pst_121.027 Ruhten dort schlafend zur Seite der keuschen, würdigen pst_121.028 Frauen – 1 pst_121.029 Th. v. Scheffer: Homer, Ilias, Berlin 1920.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946/125
Zitationshilfe: Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946/125>, abgerufen am 04.05.2024.