Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_111.001 "Nicht weil uns Ovid den schönen Körper seiner Lesbia pst_111.002 pst_111.006 Der Leser setzt hier nicht die Teile zu einem plastischen pst_111.007 Nur also dann, wenn das Gegenüber sich reinlich bildet pst_111.016 "Eine Reihe von Bewegungen, die auf einen Endzweck pst_111.023 Das ist jedoch eher die Bewegung der dramatischen pst_111.025 1 pst_111.028 Lessing sagt fälschlich Lesbia; er verwechselt die Geliebte Ovids pst_111.029 mit derjenigen Catulls. 2 pst_111.030
Hugo Blümner, Lessings Laokoon, 2. Aufl. 1880, S. 444. pst_111.001 «Nicht weil uns Ovid den schönen Körper seiner Lesbia pst_111.002 pst_111.006 Der Leser setzt hier nicht die Teile zu einem plastischen pst_111.007 Nur also dann, wenn das Gegenüber sich reinlich bildet pst_111.016 «Eine Reihe von Bewegungen, die auf einen Endzweck pst_111.023 Das ist jedoch eher die Bewegung der dramatischen pst_111.025 1 pst_111.028 Lessing sagt fälschlich Lesbia; er verwechselt die Geliebte Ovids pst_111.029 mit derjenigen Catulls. 2 pst_111.030
Hugo Blümner, Lessings Laokoon, 2. Aufl. 1880, S. 444. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0115" n="111"/> <lb n="pst_111.001"/> <p> «Nicht weil uns Ovid den schönen Körper seiner Lesbia <lb n="pst_111.002"/> Teil vor Teil zeiget ... sondern weil er es mit der <lb n="pst_111.003"/> wollüstigen Trunkenheit tut, nach der unsere Sehnsucht <lb n="pst_111.004"/> so leicht zu erwecken ist, glauben wir ebendes Anblickes <lb n="pst_111.005"/> zu genießen, den er genoß.» (XXI. Abschnitt.)</p> <space dim="vertical"/> <lb n="pst_111.006"/> <p> Der Leser setzt hier nicht die Teile zu einem plastischen <lb n="pst_111.007"/> Körper zusammen, sondern er macht die Steigerung <lb n="pst_111.008"/> der Wollust mit, die den Dichter beim Anblick <lb n="pst_111.009"/> von Corinnas<note xml:id="PST_111_1" place="foot" n="1"><lb n="pst_111.028"/> Lessing sagt fälschlich Lesbia; er verwechselt die Geliebte Ovids <lb n="pst_111.029"/> mit derjenigen Catulls.</note> Schönheit erregt. Dasselbe wäre von der <lb n="pst_111.010"/> Beschreibung Alcinas bei Ariost zu sagen, die Lessing <lb n="pst_111.011"/> wohl zu Unrecht tadelt. Es kommt auch da nicht auf die <lb n="pst_111.012"/> Vorstellung aller einzelnen Teile an. Das Porträt ist wie <lb n="pst_111.013"/> in Duft getaucht, und dieser Duft bezaubert und trägt <lb n="pst_111.014"/> uns als Stimmung von Stanze zu Stanze dahin.</p> <lb n="pst_111.015"/> <p> Nur also dann, wenn das Gegenüber sich reinlich bildet <lb n="pst_111.016"/> und der Dichter, im genauesten Sinne des Wortes, <lb n="pst_111.017"/> Gegenständliches zeigen will, besteht die Frage Lessings <lb n="pst_111.018"/> zu Recht. Ist sie aber gelöst, wenn dem bildenden Künstler <lb n="pst_111.019"/> Körper, dem Dichter dagegen Handlungen zugewiesen <lb n="pst_111.020"/> werden? Was Lessing unter Handlung versteht, <lb n="pst_111.021"/> erörtert ein Laokoonfragment aus dem Nachlaß:</p> <lb n="pst_111.022"/> <p> «Eine Reihe von Bewegungen, die auf einen Endzweck <lb n="pst_111.023"/> abzielen, heißt eine Handlung<note xml:id="PST_111_2" place="foot" n="2"><lb n="pst_111.030"/> Hugo Blümner, Lessings Laokoon, 2. Aufl. 1880, S. 444.</note>.»</p> <lb n="pst_111.024"/> <p> Das ist jedoch eher die Bewegung der dramatischen <lb n="pst_111.025"/> Poesie. Im dramatischen Kunstwerk sind wir von Anfang <lb n="pst_111.026"/> an auf das Ende gespannt (vergleiche Seite 171), <lb n="pst_111.027"/> und jeder Teil stimmt mit den übrigen, wie Lessing an </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [111/0115]
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«Nicht weil uns Ovid den schönen Körper seiner Lesbia pst_111.002
Teil vor Teil zeiget ... sondern weil er es mit der pst_111.003
wollüstigen Trunkenheit tut, nach der unsere Sehnsucht pst_111.004
so leicht zu erwecken ist, glauben wir ebendes Anblickes pst_111.005
zu genießen, den er genoß.» (XXI. Abschnitt.)
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Der Leser setzt hier nicht die Teile zu einem plastischen pst_111.007
Körper zusammen, sondern er macht die Steigerung pst_111.008
der Wollust mit, die den Dichter beim Anblick pst_111.009
von Corinnas 1 Schönheit erregt. Dasselbe wäre von der pst_111.010
Beschreibung Alcinas bei Ariost zu sagen, die Lessing pst_111.011
wohl zu Unrecht tadelt. Es kommt auch da nicht auf die pst_111.012
Vorstellung aller einzelnen Teile an. Das Porträt ist wie pst_111.013
in Duft getaucht, und dieser Duft bezaubert und trägt pst_111.014
uns als Stimmung von Stanze zu Stanze dahin.
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Nur also dann, wenn das Gegenüber sich reinlich bildet pst_111.016
und der Dichter, im genauesten Sinne des Wortes, pst_111.017
Gegenständliches zeigen will, besteht die Frage Lessings pst_111.018
zu Recht. Ist sie aber gelöst, wenn dem bildenden Künstler pst_111.019
Körper, dem Dichter dagegen Handlungen zugewiesen pst_111.020
werden? Was Lessing unter Handlung versteht, pst_111.021
erörtert ein Laokoonfragment aus dem Nachlaß:
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«Eine Reihe von Bewegungen, die auf einen Endzweck pst_111.023
abzielen, heißt eine Handlung 2.»
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Das ist jedoch eher die Bewegung der dramatischen pst_111.025
Poesie. Im dramatischen Kunstwerk sind wir von Anfang pst_111.026
an auf das Ende gespannt (vergleiche Seite 171), pst_111.027
und jeder Teil stimmt mit den übrigen, wie Lessing an
1 pst_111.028
Lessing sagt fälschlich Lesbia; er verwechselt die Geliebte Ovids pst_111.029
mit derjenigen Catulls.
2 pst_111.030
Hugo Blümner, Lessings Laokoon, 2. Aufl. 1880, S. 444.
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(2015-09-30T09:54:39Z)
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