pst_101.001 noch ein kleines Weilchen wohl verhielten; endlich zum pst_101.002 guten Schluß ließ er den Löwen die Treppe hinunterbrüllen: pst_101.003 ,Seid ihr nun überzeugt?'
pst_101.004
,Wir sind überzeugt.'
pst_101.005
,Gut, so betragt euch auch danach und gebt gegenseitig pst_101.006 aufeinander acht'"1.
pst_101.007
Der grimmige Humor versöhnt mit dieser sonderbaren pst_101.008 Mischung von modernster Psychologie und altertümlicher pst_101.009 Darstellung. Sonst wäre uns nicht ganz wohl pst_101.010 dabei. Denn Spitteler ist tatsächlich, wie er ja selbst bekennt, pst_101.011 genötigt, Seelisches in Erscheinungen umzusetzen.pst_101.012 Homer setzt Seelisches nicht um. Er kennt es pst_101.013 noch gar nicht anders denn als "Vor-kommnis" oder pst_101.014 als "Eräugnis". Gefühle hausen in der Brust wie die pst_101.015 Winde in der Höhle des Aiolos. Der neunte Gesang der pst_101.016 "Ilias" hebt an:
pst_101.017
"So dort wachten die Troer vor Ilios. Doch die Achaierpst_101.018 Ängstete grauliche Furcht, des starrenden Schreckenspst_101.019 Genossin;pst_101.020 Und unduldsamer Schmerz durchdrang die Tapferstenpst_101.021 alle.pst_101.022 Wie zween Winde des Meers fischwimmelnde Flutenpst_101.023 erregen,pst_101.024 Nord und sausender West, die beid' aus Thrakia herwehn,pst_101.025 Kommend in schleuniger Wut; und sogleich nun dunklespst_101.026 Gewogepst_101.027 Hoch sich erhebt, und häufig ans Land sie schütten daspst_101.028 Meergras:pst_101.029 Also zerriß Unruhe das Herz der edlen Achaier."
1pst_101.030 Gesammelte Werke Bd. IV, Zürich 1945, S. 366 f.
pst_101.001 noch ein kleines Weilchen wohl verhielten; endlich zum pst_101.002 guten Schluß ließ er den Löwen die Treppe hinunterbrüllen: pst_101.003 ‚Seid ihr nun überzeugt?‘
pst_101.004
‚Wir sind überzeugt.‘
pst_101.005
‚Gut, so betragt euch auch danach und gebt gegenseitig pst_101.006 aufeinander acht‘»1.
pst_101.007
Der grimmige Humor versöhnt mit dieser sonderbaren pst_101.008 Mischung von modernster Psychologie und altertümlicher pst_101.009 Darstellung. Sonst wäre uns nicht ganz wohl pst_101.010 dabei. Denn Spitteler ist tatsächlich, wie er ja selbst bekennt, pst_101.011 genötigt, Seelisches in Erscheinungen umzusetzen.pst_101.012 Homer setzt Seelisches nicht um. Er kennt es pst_101.013 noch gar nicht anders denn als «Vor-kommnis» oder pst_101.014 als «Eräugnis». Gefühle hausen in der Brust wie die pst_101.015 Winde in der Höhle des Aiolos. Der neunte Gesang der pst_101.016 «Ilias» hebt an:
pst_101.017
«So dort wachten die Troer vor Ilios. Doch die Achaierpst_101.018 Ängstete grauliche Furcht, des starrenden Schreckenspst_101.019 Genossin;pst_101.020 Und unduldsamer Schmerz durchdrang die Tapferstenpst_101.021 alle.pst_101.022 Wie zween Winde des Meers fischwimmelnde Flutenpst_101.023 erregen,pst_101.024 Nord und sausender West, die beid' aus Thrakia herwehn,pst_101.025 Kommend in schleuniger Wut; und sogleich nun dunklespst_101.026 Gewogepst_101.027 Hoch sich erhebt, und häufig ans Land sie schütten daspst_101.028 Meergras:pst_101.029 Also zerriß Unruhe das Herz der edlen Achaier.»
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‚Wir sind überzeugt.‘
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‚Gut, so betragt euch auch danach und gebt gegenseitig pst_101.006
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Der grimmige Humor versöhnt mit dieser sonderbaren pst_101.008
Mischung von modernster Psychologie und altertümlicher pst_101.009
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dabei. Denn Spitteler ist tatsächlich, wie er ja selbst bekennt, pst_101.011
genötigt, Seelisches in Erscheinungen umzusetzen. pst_101.012
Homer setzt Seelisches nicht um. Er kennt es pst_101.013
noch gar nicht anders denn als «Vor-kommnis» oder pst_101.014
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Gesammelte Werke Bd. IV, Zürich 1945, S. 366 f.
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Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946/105>, abgerufen am 16.02.2025.
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