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Stählein, Johann Michael: Der reisende Schneidergesell. Erfurt, 1783.

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welcher von Flensburg im Hollsteinischen
gebürtig war. Dieser beredete mich, ihn
nach seiner Vaterstadt zu begleiten. Wir
gelangten glüklich in Flensburg an. Jch
bekam daselbst bald Arbeit, und blieb zwey
Jahr da. Jn dieser Zwischenzeit wurde
mein Reisekammerad Meister. Jch setzte
also meine Reise allein fort, und gieng nach
Koppenhagen, wo ich drey Jahre in Arbeit
stund. Von hier aus wollte ich nach Lon-
don
gehen; ich fand aber kein Schiff, wur-
de also genöthiget, meine Reise nach Am-
sterdam
anzutreten. Jch langte glüklich
daselbst an, und ließ mich um Arbeit um-
schauen, welche mir auch versprochen wurde.
Hier gehet nun der unglükliche Zeitpunkt
an, welcher mich in die grausame Tunesi-
sche Sklaverey gestürzt hat.

Als ich eines Tages spazieren gieng, um
diese große und schöne Handelsstadt zu be-
sehen, begegnete mir ein Seelenverkaufer,
welcher mich freundlich grüßete und mich
als einen Landsmann bewillkommte; welches
er aber nicht war. Jch dankte ihm Anfangs
höflich, als er mich bat, mit in sein Quar-
tier zu gehen, um mir einige Ehre anzu-
thun. Doch ließ ich mich endlich überre-
den, und gieng mit ihm nach Hause. Er
traktirte mich sehr prächtig; allein dies
Traktament kam mir theuer zu stehen, es

kostete

welcher von Flensburg im Hollſteiniſchen
gebuͤrtig war. Dieſer beredete mich, ihn
nach ſeiner Vaterſtadt zu begleiten. Wir
gelangten gluͤklich in Flensburg an. Jch
bekam daſelbſt bald Arbeit, und blieb zwey
Jahr da. Jn dieſer Zwiſchenzeit wurde
mein Reiſekammerad Meiſter. Jch ſetzte
alſo meine Reiſe allein fort, und gieng nach
Koppenhagen, wo ich drey Jahre in Arbeit
ſtund. Von hier aus wollte ich nach Lon-
don
gehen; ich fand aber kein Schiff, wur-
de alſo genoͤthiget, meine Reiſe nach Am-
ſterdam
anzutreten. Jch langte gluͤklich
daſelbſt an, und ließ mich um Arbeit um-
ſchauen, welche mir auch verſprochen wurde.
Hier gehet nun der ungluͤkliche Zeitpunkt
an, welcher mich in die grauſame Tuneſi-
ſche Sklaverey geſtuͤrzt hat.

Als ich eines Tages ſpazieren gieng, um
dieſe große und ſchoͤne Handelsſtadt zu be-
ſehen, begegnete mir ein Seelenverkaufer,
welcher mich freundlich gruͤßete und mich
als einen Landsmann bewillkommte; welches
er aber nicht war. Jch dankte ihm Anfangs
hoͤflich, als er mich bat, mit in ſein Quar-
tier zu gehen, um mir einige Ehre anzu-
thun. Doch ließ ich mich endlich uͤberre-
den, und gieng mit ihm nach Hauſe. Er
traktirte mich ſehr praͤchtig; allein dies
Traktament kam mir theuer zu ſtehen, es

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[6/0008] welcher von Flensburg im Hollſteiniſchen gebuͤrtig war. Dieſer beredete mich, ihn nach ſeiner Vaterſtadt zu begleiten. Wir gelangten gluͤklich in Flensburg an. Jch bekam daſelbſt bald Arbeit, und blieb zwey Jahr da. Jn dieſer Zwiſchenzeit wurde mein Reiſekammerad Meiſter. Jch ſetzte alſo meine Reiſe allein fort, und gieng nach Koppenhagen, wo ich drey Jahre in Arbeit ſtund. Von hier aus wollte ich nach Lon- don gehen; ich fand aber kein Schiff, wur- de alſo genoͤthiget, meine Reiſe nach Am- ſterdam anzutreten. Jch langte gluͤklich daſelbſt an, und ließ mich um Arbeit um- ſchauen, welche mir auch verſprochen wurde. Hier gehet nun der ungluͤkliche Zeitpunkt an, welcher mich in die grauſame Tuneſi- ſche Sklaverey geſtuͤrzt hat. Als ich eines Tages ſpazieren gieng, um dieſe große und ſchoͤne Handelsſtadt zu be- ſehen, begegnete mir ein Seelenverkaufer, welcher mich freundlich gruͤßete und mich als einen Landsmann bewillkommte; welches er aber nicht war. Jch dankte ihm Anfangs hoͤflich, als er mich bat, mit in ſein Quar- tier zu gehen, um mir einige Ehre anzu- thun. Doch ließ ich mich endlich uͤberre- den, und gieng mit ihm nach Hauſe. Er traktirte mich ſehr praͤchtig; allein dies Traktament kam mir theuer zu ſtehen, es koſtete

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Zitationshilfe: Stählein, Johann Michael: Der reisende Schneidergesell. Erfurt, 1783, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/staehlein_schneidergesell_1783/8>, abgerufen am 26.04.2024.