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Stählein, Johann Michael: Der reisende Schneidergesell. Erfurt, 1783.

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kostete mich meine Freyheit. Wir assen,
tranken, waren lustig, und redeten von al-
lerhand Sachen, bis Nachmittags, da ich
wieder weggehen, und mich für alles freund-
lich bedanken wollte. Hier verwandelte sich
die Höflichkeit meines fälschlich angegebenen
Landsmann zu einer der grausamsten Hand-
lungen. Ein Donnerschlag würde mich nicht
so erschrekt haben, als folgende wenige
Worte, welche er mit einer gesezten Stim-
me zu mir sagte, "Mein Freund du bist
mein Sklave
" Jch erwiederte: "daß
dieses eine schlechte Begegnung von einem
Landsmann wäre, mich zu einem Leibei-
genen zu machen.
" Er sagte aber darauf:
"Jch sollte ihm nicht viel widersprechen,
sonsten wollte er mir noch den Buckel brav
schmieren lassen.
" Jch ward darüber sehr
erschrocken, doch fieng ich aus vollem Hal-
se zu schreyen und zu rufen an. Allein
alle menschliche Hülfe war vergebens. Man
band mir Hände und Füsse, und ließ mich
in ein finsteres Loch werfen, woselbst ich
noch 20 Unglükskammeraden antraf.

Wir wurden vier Wochen in diesem Ker-
ker aufbehalten, und es kamen noch 10 Un-
glükselige dazu, daß wir also zusammen
31 waren. Unser Seelenverkaufer sandte
uns nach den Ostindischen Haus, woselbst
wir noch mehrere von diesem schändlichen

Hand-
)( 4

koſtete mich meine Freyheit. Wir aſſen,
tranken, waren luſtig, und redeten von al-
lerhand Sachen, bis Nachmittags, da ich
wieder weggehen, und mich fuͤr alles freund-
lich bedanken wollte. Hier verwandelte ſich
die Hoͤflichkeit meines faͤlſchlich angegebenen
Landsmann zu einer der grauſamſten Hand-
lungen. Ein Donnerſchlag wuͤrde mich nicht
ſo erſchrekt haben, als folgende wenige
Worte, welche er mit einer geſezten Stim-
me zu mir ſagte, “Mein Freund du biſt
mein Sklave
” Jch erwiederte: “daß
dieſes eine ſchlechte Begegnung von einem
Landsmann waͤre, mich zu einem Leibei-
genen zu machen.
” Er ſagte aber darauf:
Jch ſollte ihm nicht viel widerſprechen,
ſonſten wollte er mir noch den Buckel brav
ſchmieren laſſen.
” Jch ward daruͤber ſehr
erſchrocken, doch fieng ich aus vollem Hal-
ſe zu ſchreyen und zu rufen an. Allein
alle menſchliche Huͤlfe war vergebens. Man
band mir Haͤnde und Fuͤſſe, und ließ mich
in ein finſteres Loch werfen, woſelbſt ich
noch 20 Ungluͤkskammeraden antraf.

Wir wurden vier Wochen in dieſem Ker-
ker aufbehalten, und es kamen noch 10 Un-
gluͤkſelige dazu, daß wir alſo zuſammen
31 waren. Unſer Seelenverkaufer ſandte
uns nach den Oſtindiſchen Haus, woſelbſt
wir noch mehrere von dieſem ſchaͤndlichen

Hand-
)( 4
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[7/0009] koſtete mich meine Freyheit. Wir aſſen, tranken, waren luſtig, und redeten von al- lerhand Sachen, bis Nachmittags, da ich wieder weggehen, und mich fuͤr alles freund- lich bedanken wollte. Hier verwandelte ſich die Hoͤflichkeit meines faͤlſchlich angegebenen Landsmann zu einer der grauſamſten Hand- lungen. Ein Donnerſchlag wuͤrde mich nicht ſo erſchrekt haben, als folgende wenige Worte, welche er mit einer geſezten Stim- me zu mir ſagte, “Mein Freund du biſt mein Sklave” Jch erwiederte: “daß dieſes eine ſchlechte Begegnung von einem Landsmann waͤre, mich zu einem Leibei- genen zu machen.” Er ſagte aber darauf: “Jch ſollte ihm nicht viel widerſprechen, ſonſten wollte er mir noch den Buckel brav ſchmieren laſſen.” Jch ward daruͤber ſehr erſchrocken, doch fieng ich aus vollem Hal- ſe zu ſchreyen und zu rufen an. Allein alle menſchliche Huͤlfe war vergebens. Man band mir Haͤnde und Fuͤſſe, und ließ mich in ein finſteres Loch werfen, woſelbſt ich noch 20 Ungluͤkskammeraden antraf. Wir wurden vier Wochen in dieſem Ker- ker aufbehalten, und es kamen noch 10 Un- gluͤkſelige dazu, daß wir alſo zuſammen 31 waren. Unſer Seelenverkaufer ſandte uns nach den Oſtindiſchen Haus, woſelbſt wir noch mehrere von dieſem ſchaͤndlichen Hand- )( 4

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Zitationshilfe: Stählein, Johann Michael: Der reisende Schneidergesell. Erfurt, 1783, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/staehlein_schneidergesell_1783/9>, abgerufen am 29.03.2024.