Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

der Freude, und Heidi strahlte vor Glück und mußte sie nur
immer ansehen, denn so hatte es die Großmutter nie ge¬
sehen. Sie hatte gar nicht mehr das alte, trübselige Ge¬
sicht, sondern schaute so freudig und dankend auf, als sähe
sie schon mit neuen, hellen Augen in den schönen himm¬
lischen Garten hinein.

Jetzt klopfte es am Fenster, und Heidi sah den Gro߬
vater draußen, der ihm winkte, mit heimzukommen. Es
folgte schnell, aber nicht ohne die Großmutter zu versichern,
morgen komme es wieder, und auch wenn es mit Peter
auf die Weide gehe, so komme es doch im halben Tag zu¬
rück, denn daß es der Großmutter wieder hell machen konnte
und sie wieder fröhlich wurde, das war nun für Heidi das
allergrößte Glück, das es kannte, noch viel größer, als auf
der sonnigen Weide und bei den Blumen und Gaißen zu
sein. Die Brigitte lief dem Heidi unter die Thür nach
mit Rock und Hut, daß es seine Habe mitnehme. Den
Rock nahm es auf den Arm, denn der Großvater kenne es
jetzt schon, dachte es bei sich, aber den Hut wies es hart¬
näckig zurück, die Brigitte solle ihn nur behalten, es setze
ihn nie, nie mehr auf den Kopf. Heidi war so erfüllt von
seinen Erlebnissen, daß es gleich dem Großvater Alles er¬
zählen mußte, was ihm das Herz erfreute, daß man die
weißen Brödchen auch unten im Dörfli für die Großmutter
holen könne, wenn man nur Geld habe, und daß es der
Großmutter auf einmal so hell und wohl geworden war,

Kleine Geschichten. III. 15

der Freude, und Heidi ſtrahlte vor Glück und mußte ſie nur
immer anſehen, denn ſo hatte es die Großmutter nie ge¬
ſehen. Sie hatte gar nicht mehr das alte, trübſelige Ge¬
ſicht, ſondern ſchaute ſo freudig und dankend auf, als ſähe
ſie ſchon mit neuen, hellen Augen in den ſchönen himm¬
liſchen Garten hinein.

Jetzt klopfte es am Fenſter, und Heidi ſah den Gro߬
vater draußen, der ihm winkte, mit heimzukommen. Es
folgte ſchnell, aber nicht ohne die Großmutter zu verſichern,
morgen komme es wieder, und auch wenn es mit Peter
auf die Weide gehe, ſo komme es doch im halben Tag zu¬
rück, denn daß es der Großmutter wieder hell machen konnte
und ſie wieder fröhlich wurde, das war nun für Heidi das
allergrößte Glück, das es kannte, noch viel größer, als auf
der ſonnigen Weide und bei den Blumen und Gaißen zu
ſein. Die Brigitte lief dem Heidi unter die Thür nach
mit Rock und Hut, daß es ſeine Habe mitnehme. Den
Rock nahm es auf den Arm, denn der Großvater kenne es
jetzt ſchon, dachte es bei ſich, aber den Hut wies es hart¬
näckig zurück, die Brigitte ſolle ihn nur behalten, es ſetze
ihn nie, nie mehr auf den Kopf. Heidi war ſo erfüllt von
ſeinen Erlebniſſen, daß es gleich dem Großvater Alles er¬
zählen mußte, was ihm das Herz erfreute, daß man die
weißen Brödchen auch unten im Dörfli für die Großmutter
holen könne, wenn man nur Geld habe, und daß es der
Großmutter auf einmal ſo hell und wohl geworden war,

Kleine Geſchichten. III. 15
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0235" n="225"/>
der Freude, und Heidi &#x017F;trahlte vor Glück und mußte &#x017F;ie nur<lb/>
immer an&#x017F;ehen, denn &#x017F;o hatte es die Großmutter nie ge¬<lb/>
&#x017F;ehen. Sie hatte gar nicht mehr das alte, trüb&#x017F;elige Ge¬<lb/>
&#x017F;icht, &#x017F;ondern &#x017F;chaute &#x017F;o freudig und dankend auf, als &#x017F;ähe<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;chon mit neuen, hellen Augen in den &#x017F;chönen himm¬<lb/>
li&#x017F;chen Garten hinein.</p><lb/>
        <p>Jetzt klopfte es am Fen&#x017F;ter, und Heidi &#x017F;ah den Gro߬<lb/>
vater draußen, der ihm winkte, mit heimzukommen. Es<lb/>
folgte &#x017F;chnell, aber nicht ohne die Großmutter zu ver&#x017F;ichern,<lb/>
morgen komme es wieder, und auch wenn es mit Peter<lb/>
auf die Weide gehe, &#x017F;o komme es doch im halben Tag zu¬<lb/>
rück, denn daß es der Großmutter wieder hell machen konnte<lb/>
und &#x017F;ie wieder fröhlich wurde, das war nun für Heidi das<lb/>
allergrößte Glück, das es kannte, noch viel größer, als auf<lb/>
der &#x017F;onnigen Weide und bei den Blumen und Gaißen zu<lb/>
&#x017F;ein. Die Brigitte lief dem Heidi unter die Thür nach<lb/>
mit Rock und Hut, daß es &#x017F;eine Habe mitnehme. Den<lb/>
Rock nahm es auf den Arm, denn der Großvater kenne es<lb/>
jetzt &#x017F;chon, dachte es bei &#x017F;ich, aber den Hut wies es hart¬<lb/>
näckig zurück, die Brigitte &#x017F;olle ihn nur behalten, es &#x017F;etze<lb/>
ihn nie, nie mehr auf den Kopf. Heidi war &#x017F;o erfüllt von<lb/>
&#x017F;einen Erlebni&#x017F;&#x017F;en, daß es gleich dem Großvater Alles er¬<lb/>
zählen mußte, was ihm das Herz erfreute, daß man die<lb/>
weißen Brödchen auch unten im Dörfli für die Großmutter<lb/>
holen könne, wenn man nur Geld habe, und daß es der<lb/>
Großmutter auf einmal &#x017F;o hell und wohl geworden war,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Kleine Ge&#x017F;chichten. <hi rendition="#aq">III</hi>. 15<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[225/0235] der Freude, und Heidi ſtrahlte vor Glück und mußte ſie nur immer anſehen, denn ſo hatte es die Großmutter nie ge¬ ſehen. Sie hatte gar nicht mehr das alte, trübſelige Ge¬ ſicht, ſondern ſchaute ſo freudig und dankend auf, als ſähe ſie ſchon mit neuen, hellen Augen in den ſchönen himm¬ liſchen Garten hinein. Jetzt klopfte es am Fenſter, und Heidi ſah den Gro߬ vater draußen, der ihm winkte, mit heimzukommen. Es folgte ſchnell, aber nicht ohne die Großmutter zu verſichern, morgen komme es wieder, und auch wenn es mit Peter auf die Weide gehe, ſo komme es doch im halben Tag zu¬ rück, denn daß es der Großmutter wieder hell machen konnte und ſie wieder fröhlich wurde, das war nun für Heidi das allergrößte Glück, das es kannte, noch viel größer, als auf der ſonnigen Weide und bei den Blumen und Gaißen zu ſein. Die Brigitte lief dem Heidi unter die Thür nach mit Rock und Hut, daß es ſeine Habe mitnehme. Den Rock nahm es auf den Arm, denn der Großvater kenne es jetzt ſchon, dachte es bei ſich, aber den Hut wies es hart¬ näckig zurück, die Brigitte ſolle ihn nur behalten, es ſetze ihn nie, nie mehr auf den Kopf. Heidi war ſo erfüllt von ſeinen Erlebniſſen, daß es gleich dem Großvater Alles er¬ zählen mußte, was ihm das Herz erfreute, daß man die weißen Brödchen auch unten im Dörfli für die Großmutter holen könne, wenn man nur Geld habe, und daß es der Großmutter auf einmal ſo hell und wohl geworden war, Kleine Geſchichten. III. 15

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/235
Zitationshilfe: Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/235>, abgerufen am 28.04.2024.