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Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880.

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nu, für Einen, bei dem man wachen soll, siehst du noch
leidlich aus, Alter."

"Nur Geduld, Alter", gab Herr Sesemann zurück;
"derjenige, für den du wachen mußt, wird schon schlimmer
aussehen, wenn wir ihn erst abgefangen haben."

"Also doch ein Kranker im Haus und dazu einer, der
eingefangen werden muß?"

"Weit schlimmer, Doktor, weit schlimmer. Ein Ge¬
spenst im Hause, bei mir spukt's!"

Der Doktor lachte laut auf.

"Schöne Theilnahme, das, Doktor!" fuhr Herr Sese¬
mann fort; "schade, daß meine Freundin Rottenmeier sie nicht
genießen kann. Sie ist fest überzeugt, daß ein alter Sese¬
mann hier herumrumort und Schauerthaten abbüßt."

"Wie hat sie ihn aber nur kennen gelernt?" fragte
der Doktor immer noch sehr erheitert.

Herr Sesemann erzählte nun seinem Freunde den ganzen
Vorgang und wie noch jetzt allnächtlich die Hausthür ge¬
öffnet werde, nach der Angabe der sämmtlichen Hausbewohner,
und fügte hinzu, um für alle Fälle vorbereitet zu sein, habe
er zwei gutgeladene Revolver in das Wachtlokal legen lassen;
denn entweder die Sache sei ein sehr unerwünschter Scherz,
den sich vielleicht irgend ein Bekannter der Dienerschaft
mache, um die Leute des Hauses in Abwesenheit des Haus¬
herrn zu erschrecken -- dann könnte ein kleiner Schrecken,
wie ein guter Schuß in's Leere, ihm nicht unheilsam sein --;

nu, für Einen, bei dem man wachen ſoll, ſiehſt du noch
leidlich aus, Alter.“

„Nur Geduld, Alter“, gab Herr Seſemann zurück;
„derjenige, für den du wachen mußt, wird ſchon ſchlimmer
ausſehen, wenn wir ihn erſt abgefangen haben.“

„Alſo doch ein Kranker im Haus und dazu einer, der
eingefangen werden muß?“

„Weit ſchlimmer, Doktor, weit ſchlimmer. Ein Ge¬
ſpenſt im Hauſe, bei mir ſpukt's!“

Der Doktor lachte laut auf.

„Schöne Theilnahme, das, Doktor!“ fuhr Herr Seſe¬
mann fort; „ſchade, daß meine Freundin Rottenmeier ſie nicht
genießen kann. Sie iſt feſt überzeugt, daß ein alter Seſe¬
mann hier herumrumort und Schauerthaten abbüßt.“

„Wie hat ſie ihn aber nur kennen gelernt?“ fragte
der Doktor immer noch ſehr erheitert.

Herr Seſemann erzählte nun ſeinem Freunde den ganzen
Vorgang und wie noch jetzt allnächtlich die Hausthür ge¬
öffnet werde, nach der Angabe der ſämmtlichen Hausbewohner,
und fügte hinzu, um für alle Fälle vorbereitet zu ſein, habe
er zwei gutgeladene Revolver in das Wachtlokal legen laſſen;
denn entweder die Sache ſei ein ſehr unerwünſchter Scherz,
den ſich vielleicht irgend ein Bekannter der Dienerſchaft
mache, um die Leute des Hauſes in Abweſenheit des Haus¬
herrn zu erſchrecken — dann könnte ein kleiner Schrecken,
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[185/0195] nu, für Einen, bei dem man wachen ſoll, ſiehſt du noch leidlich aus, Alter.“ „Nur Geduld, Alter“, gab Herr Seſemann zurück; „derjenige, für den du wachen mußt, wird ſchon ſchlimmer ausſehen, wenn wir ihn erſt abgefangen haben.“ „Alſo doch ein Kranker im Haus und dazu einer, der eingefangen werden muß?“ „Weit ſchlimmer, Doktor, weit ſchlimmer. Ein Ge¬ ſpenſt im Hauſe, bei mir ſpukt's!“ Der Doktor lachte laut auf. „Schöne Theilnahme, das, Doktor!“ fuhr Herr Seſe¬ mann fort; „ſchade, daß meine Freundin Rottenmeier ſie nicht genießen kann. Sie iſt feſt überzeugt, daß ein alter Seſe¬ mann hier herumrumort und Schauerthaten abbüßt.“ „Wie hat ſie ihn aber nur kennen gelernt?“ fragte der Doktor immer noch ſehr erheitert. Herr Seſemann erzählte nun ſeinem Freunde den ganzen Vorgang und wie noch jetzt allnächtlich die Hausthür ge¬ öffnet werde, nach der Angabe der ſämmtlichen Hausbewohner, und fügte hinzu, um für alle Fälle vorbereitet zu ſein, habe er zwei gutgeladene Revolver in das Wachtlokal legen laſſen; denn entweder die Sache ſei ein ſehr unerwünſchter Scherz, den ſich vielleicht irgend ein Bekannter der Dienerſchaft mache, um die Leute des Hauſes in Abweſenheit des Haus¬ herrn zu erſchrecken — dann könnte ein kleiner Schrecken, wie ein guter Schuß in's Leere, ihm nicht unheilſam ſein —;

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Zitationshilfe: Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/195>, abgerufen am 27.11.2024.