Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880.schichten solchen Ausbrüchen den Lauf lässest, so nehme ich Das machte Eindruck. Heidi wurde ganz weiß vor ſchichten ſolchen Ausbrüchen den Lauf läſſeſt, ſo nehme ich Das machte Eindruck. Heidi wurde ganz weiß vor <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0182" n="172"/> ſchichten ſolchen Ausbrüchen den Lauf läſſeſt, ſo nehme ich<lb/> das Buch aus deinen Händen und für immer!“</p><lb/> <p>Das machte Eindruck. Heidi wurde ganz weiß vor<lb/> Schrecken, das Buch war ſein höchſter Schatz. Es trocknete<lb/> in größter Eile ſeine Thränen und ſchluckte und würgte ſein<lb/> Schluchzen mit Gewalt hinunter, ſo daß kein Tönchen mehr<lb/> laut wurde. Das Mittel hatte geholfen, Heidi weinte nie<lb/> mehr, was es auch leſen mochte; aber manchmal hatte es<lb/> ſolche Anſtrengungen zu machen, um ſich zu überwinden und<lb/> nicht aufzuſchreien, daß Klara öfter ganz erſtaunt ſagte:<lb/> „Heidi, du machſt ſo ſchreckliche Grimaſſen, wie ich noch<lb/> nie geſehen habe.“ Aber die Grimaſſen machten keinen Lärm<lb/> und fielen der Dame Rottenmeier nicht auf, und wenn<lb/> Heidi ſeinen Anfall von verzweiflungsvoller Traurigkeit<lb/> niedergerungen hatte, kam Alles wieder in's Geleiſe für<lb/> einige Zeit und war tonlos vorübergegangen. Aber ſeinen<lb/> Appetit verlor Heidi ſo ſehr und ſah ſo mager und bleich<lb/> aus, daß der Sebaſtian faſt nicht ertragen konnte, das ſo<lb/> mit anzuſehen und Zeuge ſein zu müſſen, wie Heidi bei<lb/> Tiſch die ſchönſten Gerichte an ſich vorübergehen ließ und<lb/> Nichts eſſen wollte. Er flüſterte ihm auch öfter ermunternd<lb/> zu, wenn er ihm eine Schüſſel hinhielt: „Nehmen von<lb/> dem, Mamſellchen, 's iſt vortrefflich. Nicht ſo! Einen<lb/> rechten Löffel voll, noch einen!“ und dergleichen väterlicher<lb/> Räthe mehr; aber es half Nichts; Heidi aß faſt gar nicht<lb/> mehr, und wenn es ſich am Abend auf ſein Kiſſen legte,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [172/0182]
ſchichten ſolchen Ausbrüchen den Lauf läſſeſt, ſo nehme ich
das Buch aus deinen Händen und für immer!“
Das machte Eindruck. Heidi wurde ganz weiß vor
Schrecken, das Buch war ſein höchſter Schatz. Es trocknete
in größter Eile ſeine Thränen und ſchluckte und würgte ſein
Schluchzen mit Gewalt hinunter, ſo daß kein Tönchen mehr
laut wurde. Das Mittel hatte geholfen, Heidi weinte nie
mehr, was es auch leſen mochte; aber manchmal hatte es
ſolche Anſtrengungen zu machen, um ſich zu überwinden und
nicht aufzuſchreien, daß Klara öfter ganz erſtaunt ſagte:
„Heidi, du machſt ſo ſchreckliche Grimaſſen, wie ich noch
nie geſehen habe.“ Aber die Grimaſſen machten keinen Lärm
und fielen der Dame Rottenmeier nicht auf, und wenn
Heidi ſeinen Anfall von verzweiflungsvoller Traurigkeit
niedergerungen hatte, kam Alles wieder in's Geleiſe für
einige Zeit und war tonlos vorübergegangen. Aber ſeinen
Appetit verlor Heidi ſo ſehr und ſah ſo mager und bleich
aus, daß der Sebaſtian faſt nicht ertragen konnte, das ſo
mit anzuſehen und Zeuge ſein zu müſſen, wie Heidi bei
Tiſch die ſchönſten Gerichte an ſich vorübergehen ließ und
Nichts eſſen wollte. Er flüſterte ihm auch öfter ermunternd
zu, wenn er ihm eine Schüſſel hinhielt: „Nehmen von
dem, Mamſellchen, 's iſt vortrefflich. Nicht ſo! Einen
rechten Löffel voll, noch einen!“ und dergleichen väterlicher
Räthe mehr; aber es half Nichts; Heidi aß faſt gar nicht
mehr, und wenn es ſich am Abend auf ſein Kiſſen legte,
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