auf meinem Gang gehabt und sie besorgt, und schon da¬ mals wollten sie mich mitnehmen, aber ich konnte nicht fort¬ kommen, und jetzt sind sie wieder da und wollen mich mit¬ nehmen und ich will auch gehn, da kannst du sicher sein."
"Ich möchte nicht das Kind sein", rief die Barbel mit abwehrender Geberde aus. "Es weiß ja kein Mensch, was mit dem Alten da oben ist! Mit keinem Menschen will er Etwas zu thun haben, Jahr aus Jahr ein setzt er keinen Fuß in eine Kirche, und wenn er mit seinem dicken Stock im Jahr einmal herunterkommt, so weicht ihm Alles aus und muß sich vor ihm fürchten. Mit seinen dicken grauen Augenbrauen und dem furchtbaren Bart sieht er auch aus wie ein alter Heide und Indianer, daß man froh ist, wenn man ihm nicht allein begegnet."
"Und wenn auch", sagte Dete trotzig, "er ist der Gro߬ vater und muß für das Kind sorgen, er wird ihm wohl Nichts thun, sonst hat er's zu verantworten, nicht ich."
"Ich möchte nur wissen", sagte die Barbel forschend, "was der Alte auf dem Gewissen hat, daß er solche Augen macht und so mutterseelenallein da droben auf der Alm bleibt und sich fast nie blicken läßt. Man sagt allerhand von ihm, du weißt doch gewiß auch Etwas davon, von deiner Schwester, nicht, Dete?"
"Freilich, aber ich rede nicht; wenn er's hörte, so käme ich schön an!"
Aber die Barbel hätte schon lange gern gewußt, wie
auf meinem Gang gehabt und ſie beſorgt, und ſchon da¬ mals wollten ſie mich mitnehmen, aber ich konnte nicht fort¬ kommen, und jetzt ſind ſie wieder da und wollen mich mit¬ nehmen und ich will auch gehn, da kannſt du ſicher ſein.“
„Ich möchte nicht das Kind ſein“, rief die Barbel mit abwehrender Geberde aus. „Es weiß ja kein Menſch, was mit dem Alten da oben iſt! Mit keinem Menſchen will er Etwas zu thun haben, Jahr aus Jahr ein ſetzt er keinen Fuß in eine Kirche, und wenn er mit ſeinem dicken Stock im Jahr einmal herunterkommt, ſo weicht ihm Alles aus und muß ſich vor ihm fürchten. Mit ſeinen dicken grauen Augenbrauen und dem furchtbaren Bart ſieht er auch aus wie ein alter Heide und Indianer, daß man froh iſt, wenn man ihm nicht allein begegnet.“
„Und wenn auch“, ſagte Dete trotzig, „er iſt der Gro߬ vater und muß für das Kind ſorgen, er wird ihm wohl Nichts thun, ſonſt hat er's zu verantworten, nicht ich.“
„Ich möchte nur wiſſen“, ſagte die Barbel forſchend, „was der Alte auf dem Gewiſſen hat, daß er ſolche Augen macht und ſo mutterſeelenallein da droben auf der Alm bleibt und ſich faſt nie blicken läßt. Man ſagt allerhand von ihm, du weißt doch gewiß auch Etwas davon, von deiner Schweſter, nicht, Dete?“
„Freilich, aber ich rede nicht; wenn er's hörte, ſo käme ich ſchön an!“
Aber die Barbel hätte ſchon lange gern gewußt, wie
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auf meinem Gang gehabt und ſie beſorgt, und ſchon da¬<lb/>
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auf meinem Gang gehabt und ſie beſorgt, und ſchon da¬
mals wollten ſie mich mitnehmen, aber ich konnte nicht fort¬
kommen, und jetzt ſind ſie wieder da und wollen mich mit¬
nehmen und ich will auch gehn, da kannſt du ſicher ſein.“
„Ich möchte nicht das Kind ſein“, rief die Barbel mit
abwehrender Geberde aus. „Es weiß ja kein Menſch, was
mit dem Alten da oben iſt! Mit keinem Menſchen will er
Etwas zu thun haben, Jahr aus Jahr ein ſetzt er keinen
Fuß in eine Kirche, und wenn er mit ſeinem dicken Stock
im Jahr einmal herunterkommt, ſo weicht ihm Alles aus
und muß ſich vor ihm fürchten. Mit ſeinen dicken grauen
Augenbrauen und dem furchtbaren Bart ſieht er auch aus
wie ein alter Heide und Indianer, daß man froh iſt, wenn
man ihm nicht allein begegnet.“
„Und wenn auch“, ſagte Dete trotzig, „er iſt der Gro߬
vater und muß für das Kind ſorgen, er wird ihm wohl
Nichts thun, ſonſt hat er's zu verantworten, nicht ich.“
„Ich möchte nur wiſſen“, ſagte die Barbel forſchend, „was
der Alte auf dem Gewiſſen hat, daß er ſolche Augen macht
und ſo mutterſeelenallein da droben auf der Alm bleibt
und ſich faſt nie blicken läßt. Man ſagt allerhand von
ihm, du weißt doch gewiß auch Etwas davon, von deiner
Schweſter, nicht, Dete?“
„Freilich, aber ich rede nicht; wenn er's hörte, ſo käme
ich ſchön an!“
Aber die Barbel hätte ſchon lange gern gewußt, wie
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Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/14>, abgerufen am 22.07.2024.
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