gestanden und wanderte nun hinter den zwei alten Be¬ kannten her, die sofort in ein lebhaftes Gespräch geriethen über allerlei Bewohner des "Dörfli" und vieler umher¬ liegenden Behausungen.
"Aber wohin willst du eigentlich mit dem Kind, Dete?" fragte jetzt die neu Hinzugekommene. "Es wird wohl deiner Schwester Kind sein, das hinterlassene."
"Das ist es", erwiderte Dete, "ich will mit ihm hinauf zum Oehi, es muß dort bleiben."
"Was, beim Alm-Oehi soll das Kind bleiben? Du bist, denk' ich, nicht recht bei Verstand, Dete! Wie kannst du so Etwas thun! Der Alte wird dich aber schon heimschicken mit deinem Vorhaben!"
"Das kann er nicht, er ist der Großvater, er muß Etwas thun, ich habe das Kind bis jetzt gehabt und das kann ich dir schon sagen, Barbel, daß ich einen Platz, wie ich ihn jetzt haben kann, nicht dahinten lasse um des Kindes willen; jetzt soll der Großvater das Seinige thun."
"Ja, wenn der wäre wie andere Leute, dann schon", bestätigte die kleine Barbel eifrig; "aber du kennst ja den, was wird der mit einem Kinde anfangen und dann noch einem so kleinen! Das hält's nicht aus bei ihm! Aber wo willst du denn hin?"
"Nach Frankfurt", erklärte Dete, "da bekomm' ich einen extra guten Dienst. Die Herrschaft war schon im vorigen Sommer unten im Bad, ich habe ihre Zimmer
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geſtanden und wanderte nun hinter den zwei alten Be¬ kannten her, die ſofort in ein lebhaftes Geſpräch geriethen über allerlei Bewohner des „Dörfli“ und vieler umher¬ liegenden Behauſungen.
„Aber wohin willſt du eigentlich mit dem Kind, Dete?“ fragte jetzt die neu Hinzugekommene. „Es wird wohl deiner Schweſter Kind ſein, das hinterlaſſene.“
„Das iſt es“, erwiderte Dete, „ich will mit ihm hinauf zum Oehi, es muß dort bleiben.“
„Was, beim Alm-Oehi ſoll das Kind bleiben? Du biſt, denk' ich, nicht recht bei Verſtand, Dete! Wie kannſt du ſo Etwas thun! Der Alte wird dich aber ſchon heimſchicken mit deinem Vorhaben!“
„Das kann er nicht, er iſt der Großvater, er muß Etwas thun, ich habe das Kind bis jetzt gehabt und das kann ich dir ſchon ſagen, Barbel, daß ich einen Platz, wie ich ihn jetzt haben kann, nicht dahinten laſſe um des Kindes willen; jetzt ſoll der Großvater das Seinige thun.“
„Ja, wenn der wäre wie andere Leute, dann ſchon“, beſtätigte die kleine Barbel eifrig; „aber du kennſt ja den, was wird der mit einem Kinde anfangen und dann noch einem ſo kleinen! Das hält's nicht aus bei ihm! Aber wo willſt du denn hin?“
„Nach Frankfurt“, erklärte Dete, „da bekomm' ich einen extra guten Dienſt. Die Herrſchaft war ſchon im vorigen Sommer unten im Bad, ich habe ihre Zimmer
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geſtanden und wanderte nun hinter den zwei alten Be¬
kannten her, die ſofort in ein lebhaftes Geſpräch geriethen
über allerlei Bewohner des „Dörfli“ und vieler umher¬
liegenden Behauſungen.
„Aber wohin willſt du eigentlich mit dem Kind, Dete?“
fragte jetzt die neu Hinzugekommene. „Es wird wohl deiner
Schweſter Kind ſein, das hinterlaſſene.“
„Das iſt es“, erwiderte Dete, „ich will mit ihm
hinauf zum Oehi, es muß dort bleiben.“
„Was, beim Alm-Oehi ſoll das Kind bleiben? Du biſt,
denk' ich, nicht recht bei Verſtand, Dete! Wie kannſt du
ſo Etwas thun! Der Alte wird dich aber ſchon heimſchicken
mit deinem Vorhaben!“
„Das kann er nicht, er iſt der Großvater, er muß
Etwas thun, ich habe das Kind bis jetzt gehabt und das
kann ich dir ſchon ſagen, Barbel, daß ich einen Platz, wie
ich ihn jetzt haben kann, nicht dahinten laſſe um des Kindes
willen; jetzt ſoll der Großvater das Seinige thun.“
„Ja, wenn der wäre wie andere Leute, dann ſchon“,
beſtätigte die kleine Barbel eifrig; „aber du kennſt ja den,
was wird der mit einem Kinde anfangen und dann noch
einem ſo kleinen! Das hält's nicht aus bei ihm! Aber wo
willſt du denn hin?“
„Nach Frankfurt“, erklärte Dete, „da bekomm' ich
einen extra guten Dienſt. Die Herrſchaft war ſchon im
vorigen Sommer unten im Bad, ich habe ihre Zimmer
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Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/13>, abgerufen am 22.07.2024.
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