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Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880.

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Theebrett auf den Armen, denn er brachte das Silberzeug
aus der Küche herauf, um es im Schrank des Eßzimmers
zu verwahren. Als er auf der letzten Stufe der Treppe
angekommen war, trat Heidi vor ihn hin und sagte mit
großer Deutlichkeit: "Sie oder Er!"

Sebastian riß die Augen so weit auf, als es nur mög¬
lich war, und sagte ziemlich barsch: "Was soll das heißen,
Mamsell?"

"Ich möchte nur gern Etwas fragen, aber es ist gewiß
nichts Böses wie heute Morgen", fügte Heidi beschwichtigend
hinzu, denn es merkte, daß Sebastian ein wenig erbittert
war, und dachte, es komme noch von der Tinte am Bo¬
den her.

"So, und warum muß es denn heißen Sie oder Er,
das möcht' ich zuerst wissen", gab Sebastian im gleichen
barschen Ton zurück.

"Ja, so muß ich jetzt immer sagen", versicherte Heidi,
"Fräulein Rottenmeier hat es befohlen."

Jetzt lachte Sebastian so laut auf, daß Heidi ihn
ganz verwundert ansehen mußte, denn es hatte nichts
Lustiges bemerkt; aber Sebastian hatte auf einmal be¬
griffen, was Fräulein Rottenmeier befohlen hatte, und sagte
nun sehr erlustigt: "Schon recht, so fahre die Mamsell
nur zu."

"Ich heiße gar nicht Mamsell", sagte nun Heidi seiner¬
seits ein wenig geärgert, "ich heiße Heidi."

Theebrett auf den Armen, denn er brachte das Silberzeug
aus der Küche herauf, um es im Schrank des Eßzimmers
zu verwahren. Als er auf der letzten Stufe der Treppe
angekommen war, trat Heidi vor ihn hin und ſagte mit
großer Deutlichkeit: „Sie oder Er!“

Sebaſtian riß die Augen ſo weit auf, als es nur mög¬
lich war, und ſagte ziemlich barſch: „Was ſoll das heißen,
Mamſell?“

„Ich möchte nur gern Etwas fragen, aber es iſt gewiß
nichts Böſes wie heute Morgen“, fügte Heidi beſchwichtigend
hinzu, denn es merkte, daß Sebaſtian ein wenig erbittert
war, und dachte, es komme noch von der Tinte am Bo¬
den her.

„So, und warum muß es denn heißen Sie oder Er,
das möcht' ich zuerſt wiſſen“, gab Sebaſtian im gleichen
barſchen Ton zurück.

„Ja, ſo muß ich jetzt immer ſagen“, verſicherte Heidi,
„Fräulein Rottenmeier hat es befohlen.“

Jetzt lachte Sebaſtian ſo laut auf, daß Heidi ihn
ganz verwundert anſehen mußte, denn es hatte nichts
Luſtiges bemerkt; aber Sebaſtian hatte auf einmal be¬
griffen, was Fräulein Rottenmeier befohlen hatte, und ſagte
nun ſehr erluſtigt: „Schon recht, ſo fahre die Mamſell
nur zu.“

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[111/0121] Theebrett auf den Armen, denn er brachte das Silberzeug aus der Küche herauf, um es im Schrank des Eßzimmers zu verwahren. Als er auf der letzten Stufe der Treppe angekommen war, trat Heidi vor ihn hin und ſagte mit großer Deutlichkeit: „Sie oder Er!“ Sebaſtian riß die Augen ſo weit auf, als es nur mög¬ lich war, und ſagte ziemlich barſch: „Was ſoll das heißen, Mamſell?“ „Ich möchte nur gern Etwas fragen, aber es iſt gewiß nichts Böſes wie heute Morgen“, fügte Heidi beſchwichtigend hinzu, denn es merkte, daß Sebaſtian ein wenig erbittert war, und dachte, es komme noch von der Tinte am Bo¬ den her. „So, und warum muß es denn heißen Sie oder Er, das möcht' ich zuerſt wiſſen“, gab Sebaſtian im gleichen barſchen Ton zurück. „Ja, ſo muß ich jetzt immer ſagen“, verſicherte Heidi, „Fräulein Rottenmeier hat es befohlen.“ Jetzt lachte Sebaſtian ſo laut auf, daß Heidi ihn ganz verwundert anſehen mußte, denn es hatte nichts Luſtiges bemerkt; aber Sebaſtian hatte auf einmal be¬ griffen, was Fräulein Rottenmeier befohlen hatte, und ſagte nun ſehr erluſtigt: „Schon recht, ſo fahre die Mamſell nur zu.“ „Ich heiße gar nicht Mamſell“, ſagte nun Heidi ſeiner¬ ſeits ein wenig geärgert, „ich heiße Heidi.“

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Zitationshilfe: Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/121>, abgerufen am 28.11.2024.