Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spindler, Christian Gotthold: Unschuldige Jugend-Früchte. Leipzig, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Send-Schreiben.
Der Frösche heisres Lied scheint in den faulen
Sümpffen
Mein Schicksal und mich selbst durch ihr Coac zu
schimpffen.
Mich nährt ein schlechtes Dorff, dem Witz und
Lust gebricht,
Allwo man gar von nichts als nur vom Haber spricht
Wie viel derselbe werth. Da man den Feldbau
suchet,
Und auf die schlimme Zeit mit Sturm und Nach-
druck fluchet;
Da weiß man keinen Grund von dem erleuchten
Witz
Hier hat der Eigennutz den längst erbauten Sitz.
O! könte dir mein Kiel den Trotz von Weibes-
Bildern,
Den dieser Flecken hegt, nach ihrer Art abschildern!
Sie sind verwegen, frey, arglistig, frech und wild,
Das ist ihr Contrefait, das ist ihr wahres Bild.
Die Anmuth ist verbannt, die Sittsamkeit verflogen,
Das Mitleid hat ein Bär und Tyger auferzogen.
So kränckt mich dein Verlust bey überhäuffter
Quaal.
Mich hält weit höhre Macht, sonst lief ich hundert
mahl.
O! wolte doch die Treu des Himmels mich versorgen,
Denn meiner Jahre Lentz vergeht im frühen Morgen,
Wie ein verscheuchtes Wild such ich die süsse Ruh,
Jch bringe meine Zeit in Mißvergnügen zu.
Die Hoffnung nährt die Lust auf frohes Wieder-
sehen,
Laß mich nur fernerhin in deiner Gnade stehen.
6) An
Vermiſchte Send-Schreiben.
Der Froͤſche heiſres Lied ſcheint in den faulen
Suͤmpffen
Mein Schickſal und mich ſelbſt durch ihr Coac zu
ſchimpffen.
Mich naͤhrt ein ſchlechtes Dorff, dem Witz und
Luſt gebricht,
Allwo man gar von nichts als nur vom Haber ſpricht
Wie viel derſelbe werth. Da man den Feldbau
ſuchet,
Und auf die ſchlimme Zeit mit Sturm und Nach-
druck fluchet;
Da weiß man keinen Grund von dem erleuchten
Witz
Hier hat der Eigennutz den laͤngſt erbauten Sitz.
O! koͤnte dir mein Kiel den Trotz von Weibes-
Bildern,
Den dieſer Flecken hegt, nach ihrer Art abſchildern!
Sie ſind verwegen, frey, argliſtig, frech und wild,
Das iſt ihr Contrefait, das iſt ihr wahres Bild.
Die Anmuth iſt verbannt, die Sittſamkeit verflogen,
Das Mitleid hat ein Baͤr und Tyger auferzogen.
So kraͤnckt mich dein Verluſt bey uͤberhaͤuffter
Quaal.
Mich haͤlt weit hoͤhre Macht, ſonſt lief ich hundert
mahl.
O! wolte doch die Treu des Him̃els mich verſorgen,
Denn meiner Jahre Lentz vergeht im fruͤhen Morgẽ,
Wie ein verſcheuchtes Wild ſuch ich die ſuͤſſe Ruh,
Jch bringe meine Zeit in Mißvergnuͤgen zu.
Die Hoffnung naͤhrt die Luſt auf frohes Wieder-
ſehen,
Laß mich nur fernerhin in deiner Gnade ſtehen.
6) An
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0131" n="111"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vermi&#x017F;chte Send-Schreiben.</hi> </fw><lb/>
            <l>Der Fro&#x0364;&#x017F;che hei&#x017F;res Lied &#x017F;cheint in den faulen</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Su&#x0364;mpffen</hi> </l><lb/>
            <l>Mein Schick&#x017F;al und mich &#x017F;elb&#x017F;t durch ihr Coac zu</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x017F;chimpffen.</hi> </l><lb/>
            <l>Mich na&#x0364;hrt ein &#x017F;chlechtes Dorff, dem Witz und</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Lu&#x017F;t gebricht,</hi> </l><lb/>
            <l>Allwo man gar von nichts als nur vom Haber &#x017F;pricht</l><lb/>
            <l>Wie viel der&#x017F;elbe werth. Da man den Feldbau</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x017F;uchet,</hi> </l><lb/>
            <l>Und auf die &#x017F;chlimme Zeit mit Sturm und Nach-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">druck fluchet;</hi> </l><lb/>
            <l>Da weiß man keinen Grund von dem erleuchten</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Witz</hi> </l><lb/>
            <l>Hier hat der Eigennutz den la&#x0364;ng&#x017F;t erbauten Sitz.</l><lb/>
            <l>O! ko&#x0364;nte dir mein Kiel den Trotz von Weibes-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Bildern,</hi> </l><lb/>
            <l>Den die&#x017F;er Flecken hegt, nach ihrer Art ab&#x017F;childern!</l><lb/>
            <l>Sie &#x017F;ind verwegen, frey, argli&#x017F;tig, frech und wild,</l><lb/>
            <l>Das i&#x017F;t ihr Contrefait, das i&#x017F;t ihr wahres Bild.</l><lb/>
            <l>Die Anmuth i&#x017F;t verbannt, die Sitt&#x017F;amkeit verflogen,</l><lb/>
            <l>Das Mitleid hat ein Ba&#x0364;r und Tyger auferzogen.</l><lb/>
            <l>So kra&#x0364;nckt mich dein Verlu&#x017F;t bey u&#x0364;berha&#x0364;uffter</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Quaal.</hi> </l><lb/>
            <l>Mich ha&#x0364;lt weit ho&#x0364;hre Macht, &#x017F;on&#x017F;t lief ich hundert</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">mahl.</hi> </l><lb/>
            <l>O! wolte doch die Treu des Him&#x0303;els mich ver&#x017F;orgen,</l><lb/>
            <l>Denn meiner Jahre Lentz vergeht im fru&#x0364;hen Morge&#x0303;,</l><lb/>
            <l>Wie ein ver&#x017F;cheuchtes Wild &#x017F;uch ich die &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Ruh,</l><lb/>
            <l>Jch bringe meine Zeit in Mißvergnu&#x0364;gen zu.</l><lb/>
            <l>Die Hoffnung na&#x0364;hrt die Lu&#x017F;t auf frohes Wieder-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x017F;ehen,</hi> </l><lb/>
            <l>Laß mich nur fernerhin in deiner Gnade &#x017F;tehen.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">6) An</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0131] Vermiſchte Send-Schreiben. Der Froͤſche heiſres Lied ſcheint in den faulen Suͤmpffen Mein Schickſal und mich ſelbſt durch ihr Coac zu ſchimpffen. Mich naͤhrt ein ſchlechtes Dorff, dem Witz und Luſt gebricht, Allwo man gar von nichts als nur vom Haber ſpricht Wie viel derſelbe werth. Da man den Feldbau ſuchet, Und auf die ſchlimme Zeit mit Sturm und Nach- druck fluchet; Da weiß man keinen Grund von dem erleuchten Witz Hier hat der Eigennutz den laͤngſt erbauten Sitz. O! koͤnte dir mein Kiel den Trotz von Weibes- Bildern, Den dieſer Flecken hegt, nach ihrer Art abſchildern! Sie ſind verwegen, frey, argliſtig, frech und wild, Das iſt ihr Contrefait, das iſt ihr wahres Bild. Die Anmuth iſt verbannt, die Sittſamkeit verflogen, Das Mitleid hat ein Baͤr und Tyger auferzogen. So kraͤnckt mich dein Verluſt bey uͤberhaͤuffter Quaal. Mich haͤlt weit hoͤhre Macht, ſonſt lief ich hundert mahl. O! wolte doch die Treu des Him̃els mich verſorgen, Denn meiner Jahre Lentz vergeht im fruͤhen Morgẽ, Wie ein verſcheuchtes Wild ſuch ich die ſuͤſſe Ruh, Jch bringe meine Zeit in Mißvergnuͤgen zu. Die Hoffnung naͤhrt die Luſt auf frohes Wieder- ſehen, Laß mich nur fernerhin in deiner Gnade ſtehen. 6) An

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_jugendfruechte_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_jugendfruechte_1745/131
Zitationshilfe: Spindler, Christian Gotthold: Unschuldige Jugend-Früchte. Leipzig, 1745, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_jugendfruechte_1745/131>, abgerufen am 28.04.2024.