Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

schen größtes Werk, die kleinste Kleinigkeit
sey. Alle die weitläufigen Gebäude, alle die
hohen, glänzenden Thürme schwinden in einen
unmerkbaren Punkt zusammen, wenn man sie
mit der Allmachtsgrösse des Schöpfers ver-
gleicht, wenn man sie mit den ungeheuern
Bergen mißt, die seine starke Hand hieher
sezte. Der dumpfe, durchdringende Ton der
Glocken, welche des Klosters Thürme zieren,
fliegt dem horchenden Ohre unhörbar vorüber,
wenn der Donner zwischen den Felsen rollt,
oder die grossen Eisklumpen ins wilde Thal
hinabstürzen, daß die Erde bebt, und der
Schall in den Klüften umherbrüllt.

Vor fünfhundert Jahren baute hier ein
Büssender seine einsame Zelle, und starb im
Rufe der Heiligkeit. Im spätern Jahrhunder-
te gab dies einigen wandernden Mönchen Gele-
genheit, hier ein Klösterlein zu stiften, wel-
ches nach und nach die sterbenden Edeln des

Landes

ſchen groͤßtes Werk, die kleinſte Kleinigkeit
ſey. Alle die weitlaͤufigen Gebaͤude, alle die
hohen, glaͤnzenden Thuͤrme ſchwinden in einen
unmerkbaren Punkt zuſammen, wenn man ſie
mit der Allmachtsgroͤſſe des Schoͤpfers ver-
gleicht, wenn man ſie mit den ungeheuern
Bergen mißt, die ſeine ſtarke Hand hieher
ſezte. Der dumpfe, durchdringende Ton der
Glocken, welche des Kloſters Thuͤrme zieren,
fliegt dem horchenden Ohre unhoͤrbar voruͤber,
wenn der Donner zwiſchen den Felſen rollt,
oder die groſſen Eisklumpen ins wilde Thal
hinabſtuͤrzen, daß die Erde bebt, und der
Schall in den Kluͤften umherbruͤllt.

Vor fuͤnfhundert Jahren baute hier ein
Buͤſſender ſeine einſame Zelle, und ſtarb im
Rufe der Heiligkeit. Im ſpaͤtern Jahrhunder-
te gab dies einigen wandernden Moͤnchen Gele-
genheit, hier ein Kloͤſterlein zu ſtiften, wel-
ches nach und nach die ſterbenden Edeln des

Landes
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0202" n="192"/>
&#x017F;chen gro&#x0364;ßtes Werk, die klein&#x017F;te Kleinigkeit<lb/>
&#x017F;ey. Alle die weitla&#x0364;ufigen Geba&#x0364;ude, alle die<lb/>
hohen, gla&#x0364;nzenden Thu&#x0364;rme &#x017F;chwinden in einen<lb/>
unmerkbaren Punkt zu&#x017F;ammen, wenn man &#x017F;ie<lb/>
mit der Allmachtsgro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e des Scho&#x0364;pfers ver-<lb/>
gleicht, wenn man &#x017F;ie mit den ungeheuern<lb/>
Bergen mißt, die &#x017F;eine &#x017F;tarke Hand hieher<lb/>
&#x017F;ezte. Der dumpfe, durchdringende Ton der<lb/>
Glocken, welche des Klo&#x017F;ters Thu&#x0364;rme zieren,<lb/>
fliegt dem horchenden Ohre unho&#x0364;rbar voru&#x0364;ber,<lb/>
wenn der Donner zwi&#x017F;chen den Fel&#x017F;en rollt,<lb/>
oder die gro&#x017F;&#x017F;en Eisklumpen ins wilde Thal<lb/>
hinab&#x017F;tu&#x0364;rzen, daß die Erde bebt, und der<lb/>
Schall in den Klu&#x0364;ften umherbru&#x0364;llt.</p><lb/>
        <p>Vor fu&#x0364;nfhundert Jahren baute hier ein<lb/>
Bu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ender &#x017F;eine ein&#x017F;ame Zelle, und &#x017F;tarb im<lb/>
Rufe der Heiligkeit. Im &#x017F;pa&#x0364;tern Jahrhunder-<lb/>
te gab dies einigen wandernden Mo&#x0364;nchen Gele-<lb/>
genheit, hier ein Klo&#x0364;&#x017F;terlein zu &#x017F;tiften, wel-<lb/>
ches nach und nach die &#x017F;terbenden Edeln des<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Landes</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[192/0202] ſchen groͤßtes Werk, die kleinſte Kleinigkeit ſey. Alle die weitlaͤufigen Gebaͤude, alle die hohen, glaͤnzenden Thuͤrme ſchwinden in einen unmerkbaren Punkt zuſammen, wenn man ſie mit der Allmachtsgroͤſſe des Schoͤpfers ver- gleicht, wenn man ſie mit den ungeheuern Bergen mißt, die ſeine ſtarke Hand hieher ſezte. Der dumpfe, durchdringende Ton der Glocken, welche des Kloſters Thuͤrme zieren, fliegt dem horchenden Ohre unhoͤrbar voruͤber, wenn der Donner zwiſchen den Felſen rollt, oder die groſſen Eisklumpen ins wilde Thal hinabſtuͤrzen, daß die Erde bebt, und der Schall in den Kluͤften umherbruͤllt. Vor fuͤnfhundert Jahren baute hier ein Buͤſſender ſeine einſame Zelle, und ſtarb im Rufe der Heiligkeit. Im ſpaͤtern Jahrhunder- te gab dies einigen wandernden Moͤnchen Gele- genheit, hier ein Kloͤſterlein zu ſtiften, wel- ches nach und nach die ſterbenden Edeln des Landes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/202
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/202>, abgerufen am 22.11.2024.