Landes reichlich begabten. Ehe die Hälfte ei- nes neuen Jahrhunderts verfloß, wandelte diese Vergrabung das hölzerne Thürmlein in einen hohen Thurm um, dessen Quadersteine weit ins Thal hinabglänzten, die niedern Zel- len der Mönche erweiterten sich in hohe, lufti- ge Gemächer, die Raum genug hatten, ein Duzend Zecher und lustige Trinker zu fassen. Schon damals ging die Sage durchs Land, daß man sich in diesem Kloster von allen seinen Sünden reinigen, die schwerste Last von Herz und Gewissen wegbeten könne, weil der erste Stifter dieses Klosters, ein Erzgauner, ein verruchter Bösewicht, hier nicht allein Verge- bung erflehte, sondern auch Kraft erhielt, Wunder zu würken, Kranke zu heilen und Teufel auszutreiben.
Diese Sage, welche manchen am Rande des Lebens schaudernden Sünder zur neuen Vergabung reizte, war ganz gewiß die Ursache,
Biogr. d. W. 4r Bd. N
Landes reichlich begabten. Ehe die Haͤlfte ei- nes neuen Jahrhunderts verfloß, wandelte dieſe Vergrabung das hoͤlzerne Thuͤrmlein in einen hohen Thurm um, deſſen Quaderſteine weit ins Thal hinabglaͤnzten, die niedern Zel- len der Moͤnche erweiterten ſich in hohe, lufti- ge Gemaͤcher, die Raum genug hatten, ein Duzend Zecher und luſtige Trinker zu faſſen. Schon damals ging die Sage durchs Land, daß man ſich in dieſem Kloſter von allen ſeinen Suͤnden reinigen, die ſchwerſte Laſt von Herz und Gewiſſen wegbeten koͤnne, weil der erſte Stifter dieſes Kloſters, ein Erzgauner, ein verruchter Boͤſewicht, hier nicht allein Verge- bung erflehte, ſondern auch Kraft erhielt, Wunder zu wuͤrken, Kranke zu heilen und Teufel auszutreiben.
Dieſe Sage, welche manchen am Rande des Lebens ſchaudernden Suͤnder zur neuen Vergabung reizte, war ganz gewiß die Urſache,
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Landes reichlich begabten. Ehe die Haͤlfte ei-
nes neuen Jahrhunderts verfloß, wandelte
dieſe Vergrabung das hoͤlzerne Thuͤrmlein in
einen hohen Thurm um, deſſen Quaderſteine
weit ins Thal hinabglaͤnzten, die niedern Zel-
len der Moͤnche erweiterten ſich in hohe, lufti-
ge Gemaͤcher, die Raum genug hatten, ein
Duzend Zecher und luſtige Trinker zu faſſen.
Schon damals ging die Sage durchs Land,
daß man ſich in dieſem Kloſter von allen ſeinen
Suͤnden reinigen, die ſchwerſte Laſt von Herz
und Gewiſſen wegbeten koͤnne, weil der erſte
Stifter dieſes Kloſters, ein Erzgauner, ein
verruchter Boͤſewicht, hier nicht allein Verge-
bung erflehte, ſondern auch Kraft erhielt,
Wunder zu wuͤrken, Kranke zu heilen und
Teufel auszutreiben.
Dieſe Sage, welche manchen am Rande
des Lebens ſchaudernden Suͤnder zur neuen
Vergabung reizte, war ganz gewiß die Urſache,
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/203>, abgerufen am 23.11.2024.
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