den, den unbefangenen Geschichtschreiber nach- zuahmen, der nur das erwiesene, historisch richtige Faktum darstellt, es mit keiner Schminke besudelt, aber auch keine Schminke duldet. Groß sind oft die Thaten des Aber- glaubens, aber auch eben so verheerend seine Würkungen! Wollte Gott, ich könnte mit Gewißheit sagen: Sie warens! Wollte Gott, ich müßte nicht mit gesenktem Blicke gestehen: Sie sinds noch!
In den angenehmen, so laut Gottes Grös- se und Allmacht verkündigenden Thälern des T--Landes, liegt ein grosses, sehr schönes Kloster. Es lehnt seine hohen und stolzen Mauern an einen Berg, dessen Gipfel ewiger Schnee, ewiges Eis deckt, es blickt dem mü- den Pilger einladend durchs enge Thal entge- gen, es würde die Bewunderung eines jeden Wanderers erregen, wenn nicht eben seine Lage am deutlichsten bewiese, daß des Men-
den, den unbefangenen Geſchichtſchreiber nach- zuahmen, der nur das erwieſene, hiſtoriſch richtige Faktum darſtellt, es mit keiner Schminke beſudelt, aber auch keine Schminke duldet. Groß ſind oft die Thaten des Aber- glaubens, aber auch eben ſo verheerend ſeine Wuͤrkungen! Wollte Gott, ich koͤnnte mit Gewißheit ſagen: Sie warens! Wollte Gott, ich muͤßte nicht mit geſenktem Blicke geſtehen: Sie ſinds noch!
In den angenehmen, ſo laut Gottes Groͤſ- ſe und Allmacht verkuͤndigenden Thaͤlern des T—Landes, liegt ein groſſes, ſehr ſchoͤnes Kloſter. Es lehnt ſeine hohen und ſtolzen Mauern an einen Berg, deſſen Gipfel ewiger Schnee, ewiges Eis deckt, es blickt dem muͤ- den Pilger einladend durchs enge Thal entge- gen, es wuͤrde die Bewunderung eines jeden Wanderers erregen, wenn nicht eben ſeine Lage am deutlichſten bewieſe, daß des Men-
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den, den unbefangenen Geſchichtſchreiber nach-
zuahmen, der nur das erwieſene, hiſtoriſch
richtige Faktum darſtellt, es mit keiner
Schminke beſudelt, aber auch keine Schminke
duldet. Groß ſind oft die Thaten des Aber-
glaubens, aber auch eben ſo verheerend ſeine
Wuͤrkungen! Wollte Gott, ich koͤnnte mit
Gewißheit ſagen: Sie warens! Wollte Gott,
ich muͤßte nicht mit geſenktem Blicke geſtehen:
Sie ſinds noch!
In den angenehmen, ſo laut Gottes Groͤſ-
ſe und Allmacht verkuͤndigenden Thaͤlern des
T—Landes, liegt ein groſſes, ſehr ſchoͤnes
Kloſter. Es lehnt ſeine hohen und ſtolzen
Mauern an einen Berg, deſſen Gipfel ewiger
Schnee, ewiges Eis deckt, es blickt dem muͤ-
den Pilger einladend durchs enge Thal entge-
gen, es wuͤrde die Bewunderung eines jeden
Wanderers erregen, wenn nicht eben ſeine
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/201>, abgerufen am 22.11.2024.
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