Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Kleta hatte von früher Jugend an ihre
Tage in stiller Ruhe durchlebt, izt war sie
mit einmal ins bunte Hofgewühle verwickelt
worden, sie taumlete, gleich einer Träumen-
den, darinne umher, es war ihr weh und
wohl ums Herz. Weh, wenn die Hunderte
alle nach ihr hinstarrten; wohl, wenn sie un-
ter den Hunderten den tapfern Hugo erblickte,
dessen reizende Gestalt ihr immer mehr be-
hagte, dessen Tapferkeit sie immer stärker
bewunderte. Sein Bild wanderte auch mit
ihr ins ruhige Gemach, oft sah sie ihn in
Augenblicken der erhizten Einbildungskraft
nahe vor ihrem Sitze stehen, und fuhr so
rasch empor, daß die Mutter sorgfältig nach
der Ursache forschte. Gern hätte sie ihr solche
gestanden, wenn nicht immer geschäftige Die-
nerinnen gegenwärtig gewesen wären, welche
den Putz des künftigen Tages ordneten, und
das Geständniß hinderten.


Kleta hatte von fruͤher Jugend an ihre
Tage in ſtiller Ruhe durchlebt, izt war ſie
mit einmal ins bunte Hofgewuͤhle verwickelt
worden, ſie taumlete, gleich einer Traͤumen-
den, darinne umher, es war ihr weh und
wohl ums Herz. Weh, wenn die Hunderte
alle nach ihr hinſtarrten; wohl, wenn ſie un-
ter den Hunderten den tapfern Hugo erblickte,
deſſen reizende Geſtalt ihr immer mehr be-
hagte, deſſen Tapferkeit ſie immer ſtaͤrker
bewunderte. Sein Bild wanderte auch mit
ihr ins ruhige Gemach, oft ſah ſie ihn in
Augenblicken der erhizten Einbildungskraft
nahe vor ihrem Sitze ſtehen, und fuhr ſo
raſch empor, daß die Mutter ſorgfaͤltig nach
der Urſache forſchte. Gern haͤtte ſie ihr ſolche
geſtanden, wenn nicht immer geſchaͤftige Die-
nerinnen gegenwaͤrtig geweſen waͤren, welche
den Putz des kuͤnftigen Tages ordneten, und
das Geſtaͤndniß hinderten.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0355" n="341"/>
        <p>Kleta hatte von fru&#x0364;her Jugend an ihre<lb/>
Tage in &#x017F;tiller Ruhe durchlebt, izt war &#x017F;ie<lb/>
mit einmal ins bunte Hofgewu&#x0364;hle verwickelt<lb/>
worden, &#x017F;ie taumlete, gleich einer Tra&#x0364;umen-<lb/>
den, darinne umher, es war ihr weh und<lb/>
wohl ums Herz. Weh, wenn die Hunderte<lb/>
alle nach ihr hin&#x017F;tarrten; wohl, wenn &#x017F;ie un-<lb/>
ter den Hunderten den tapfern Hugo erblickte,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en reizende Ge&#x017F;talt ihr immer mehr be-<lb/>
hagte, de&#x017F;&#x017F;en Tapferkeit &#x017F;ie immer &#x017F;ta&#x0364;rker<lb/>
bewunderte. Sein Bild wanderte auch mit<lb/>
ihr ins ruhige Gemach, oft &#x017F;ah &#x017F;ie ihn in<lb/>
Augenblicken der erhizten Einbildungskraft<lb/>
nahe vor ihrem Sitze &#x017F;tehen, und fuhr &#x017F;o<lb/>
ra&#x017F;ch empor, daß die Mutter &#x017F;orgfa&#x0364;ltig nach<lb/>
der Ur&#x017F;ache for&#x017F;chte. Gern ha&#x0364;tte &#x017F;ie ihr &#x017F;olche<lb/>
ge&#x017F;tanden, wenn nicht immer ge&#x017F;cha&#x0364;ftige Die-<lb/>
nerinnen gegenwa&#x0364;rtig gewe&#x017F;en wa&#x0364;ren, welche<lb/>
den Putz des ku&#x0364;nftigen Tages ordneten, und<lb/>
das Ge&#x017F;ta&#x0364;ndniß hinderten.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[341/0355] Kleta hatte von fruͤher Jugend an ihre Tage in ſtiller Ruhe durchlebt, izt war ſie mit einmal ins bunte Hofgewuͤhle verwickelt worden, ſie taumlete, gleich einer Traͤumen- den, darinne umher, es war ihr weh und wohl ums Herz. Weh, wenn die Hunderte alle nach ihr hinſtarrten; wohl, wenn ſie un- ter den Hunderten den tapfern Hugo erblickte, deſſen reizende Geſtalt ihr immer mehr be- hagte, deſſen Tapferkeit ſie immer ſtaͤrker bewunderte. Sein Bild wanderte auch mit ihr ins ruhige Gemach, oft ſah ſie ihn in Augenblicken der erhizten Einbildungskraft nahe vor ihrem Sitze ſtehen, und fuhr ſo raſch empor, daß die Mutter ſorgfaͤltig nach der Urſache forſchte. Gern haͤtte ſie ihr ſolche geſtanden, wenn nicht immer geſchaͤftige Die- nerinnen gegenwaͤrtig geweſen waͤren, welche den Putz des kuͤnftigen Tages ordneten, und das Geſtaͤndniß hinderten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/355
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/355>, abgerufen am 06.05.2024.