Ein kleiner, blasser, noch junger Mann hukte in der Mitte desselben. Seine Kette, an welche er angeschlossen war, reichte nicht bis zur Thüre, er blickte sehnsuchtsvoll nach uns heraus, küßte, gleich Kindern, seine Hand, und warf diese Küsse unsrer Führe- rin zu. Das ist mein Schatz! das ist mein Schatz! sprach er leise, und mit einer Mi- ne, die mein ganzes Mitleid heischte. --
Treten sie nicht näher! rief der Arzt, und riß mich zurück, als ich mich ihm nahen woll- te. Er ist, fuhr er fort, unter allen meinen Patienten der gefährlichste und voll Heimtük- ke, er sucht jeden mit dieser unschuldigen Miene zu locken, und würde sie sicher mor- den, wenn sie ihm an Stärke und Kräften nicht überlegen sind. Ich kann seinen Zustand nicht lindern, bald wird er auch die Sprache verliehren, die ihn noch allein vom Thiere unterscheidet. Ich muß ihn als wahrer Men-
Ein kleiner, blaſſer, noch junger Mann hukte in der Mitte deſſelben. Seine Kette, an welche er angeſchloſſen war, reichte nicht bis zur Thuͤre, er blickte ſehnſuchtsvoll nach uns heraus, kuͤßte, gleich Kindern, ſeine Hand, und warf dieſe Kuͤſſe unſrer Fuͤhre- rin zu. Das iſt mein Schatz! das iſt mein Schatz! ſprach er leiſe, und mit einer Mi- ne, die mein ganzes Mitleid heiſchte. —
Treten ſie nicht naͤher! rief der Arzt, und riß mich zuruͤck, als ich mich ihm nahen woll- te. Er iſt, fuhr er fort, unter allen meinen Patienten der gefaͤhrlichſte und voll Heimtuͤk- ke, er ſucht jeden mit dieſer unſchuldigen Miene zu locken, und wuͤrde ſie ſicher mor- den, wenn ſie ihm an Staͤrke und Kraͤften nicht uͤberlegen ſind. Ich kann ſeinen Zuſtand nicht lindern, bald wird er auch die Sprache verliehren, die ihn noch allein vom Thiere unterſcheidet. Ich muß ihn als wahrer Men-
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Ein kleiner, blaſſer, noch junger Mann
hukte in der Mitte deſſelben. Seine Kette,
an welche er angeſchloſſen war, reichte nicht
bis zur Thuͤre, er blickte ſehnſuchtsvoll nach
uns heraus, kuͤßte, gleich Kindern, ſeine
Hand, und warf dieſe Kuͤſſe unſrer Fuͤhre-
rin zu. Das iſt mein Schatz! das iſt mein
Schatz! ſprach er leiſe, und mit einer Mi-
ne, die mein ganzes Mitleid heiſchte. —
Treten ſie nicht naͤher! rief der Arzt, und
riß mich zuruͤck, als ich mich ihm nahen woll-
te. Er iſt, fuhr er fort, unter allen meinen
Patienten der gefaͤhrlichſte und voll Heimtuͤk-
ke, er ſucht jeden mit dieſer unſchuldigen
Miene zu locken, und wuͤrde ſie ſicher mor-
den, wenn ſie ihm an Staͤrke und Kraͤften
nicht uͤberlegen ſind. Ich kann ſeinen Zuſtand
nicht lindern, bald wird er auch die Sprache
verliehren, die ihn noch allein vom Thiere
unterſcheidet. Ich muß ihn als wahrer Men-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/258>, abgerufen am 25.11.2024.
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