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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796.

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glaubte, daß die ihr anvertraute Tochter auf
diesem oder jenem Balle in Züchten und Eh-
ren tanze, so schlich diese, verführt durch
heisses Flehen und Bitten, mit ihrem Wil-
helm nach seiner einsamen Wohnung, schmach-
tete in seinen Armen, gewährte und genoß
die Früchte der Liebe. Möglich, daß sie
schon in diesen gefahrvollen Stunden die hei-
ligen Lehren der Mutter vergaß, die ange-
nehme Stimme der Verführung hörte, und
dem Geliebten gewährte, was der Gatte nur
fordern soll; möglich, daß eben diese That
sie so eng und fest an ihn kettete, einer der
vorzüglichsten Bewegsgründe war, daß sie die
Mutter verließ, und mit ihm nach einem
fremden Lande flüchtete.

Genug, daß sie dies that, und nach
Monatsfrist mit ihrem Wilhelm im Hafen zu
--. landete. Da er ihr schon vorher erklärt
hatte, daß zur Heurath eines Offiziers der

glaubte, daß die ihr anvertraute Tochter auf
dieſem oder jenem Balle in Zuͤchten und Eh-
ren tanze, ſo ſchlich dieſe, verfuͤhrt durch
heiſſes Flehen und Bitten, mit ihrem Wil-
helm nach ſeiner einſamen Wohnung, ſchmach-
tete in ſeinen Armen, gewaͤhrte und genoß
die Fruͤchte der Liebe. Moͤglich, daß ſie
ſchon in dieſen gefahrvollen Stunden die hei-
ligen Lehren der Mutter vergaß, die ange-
nehme Stimme der Verfuͤhrung hoͤrte, und
dem Geliebten gewaͤhrte, was der Gatte nur
fordern ſoll; moͤglich, daß eben dieſe That
ſie ſo eng und feſt an ihn kettete, einer der
vorzuͤglichſten Bewegsgruͤnde war, daß ſie die
Mutter verließ, und mit ihm nach einem
fremden Lande fluͤchtete.

Genug, daß ſie dies that, und nach
Monatsfriſt mit ihrem Wilhelm im Hafen zu
—. landete. Da er ihr ſchon vorher erklaͤrt
hatte, daß zur Heurath eines Offiziers der

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[120/0134] glaubte, daß die ihr anvertraute Tochter auf dieſem oder jenem Balle in Zuͤchten und Eh- ren tanze, ſo ſchlich dieſe, verfuͤhrt durch heiſſes Flehen und Bitten, mit ihrem Wil- helm nach ſeiner einſamen Wohnung, ſchmach- tete in ſeinen Armen, gewaͤhrte und genoß die Fruͤchte der Liebe. Moͤglich, daß ſie ſchon in dieſen gefahrvollen Stunden die hei- ligen Lehren der Mutter vergaß, die ange- nehme Stimme der Verfuͤhrung hoͤrte, und dem Geliebten gewaͤhrte, was der Gatte nur fordern ſoll; moͤglich, daß eben dieſe That ſie ſo eng und feſt an ihn kettete, einer der vorzuͤglichſten Bewegsgruͤnde war, daß ſie die Mutter verließ, und mit ihm nach einem fremden Lande fluͤchtete. Genug, daß ſie dies that, und nach Monatsfriſt mit ihrem Wilhelm im Hafen zu —. landete. Da er ihr ſchon vorher erklaͤrt hatte, daß zur Heurath eines Offiziers der

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/134>, abgerufen am 07.05.2024.