nem Nervenfieber, nachdem er zuvor seine Tochter dringend gebeten hatte, ihre Tage mit mehr Freude zu genießen. Sein Tod machte tiefen Eindruck auf Amaliens Herz, und vermehrte ihre Trauer um ein großes. Wenigstens konnte und durfte es ihr niemand verdenken, wenn sie unter diesem Vorwande noch einsamer lebte, ihr Zimmer äußerst sel- ten verließ. Ihre Mutter trauerte selbst aufs innigste über den Verlust ihres geliebten Gat- ten, und sah's gerne, wenn ihr Kind mit ihr klagte und weinte; aber sie erschrack auch herzlich, als ihr der besuchende Arzt die ge- wisse Vermuthung entdeckte, daß schleichende Abzehrung am Leben ihrer Tochter nage, und sie nothwendig im nahenden Frühjahre die Wasser zu Spaa trinken müsse, wenn das Ue- bel nicht unheilbar werden solle.
Da fieberhafte Anfälle die Mutter verhin- derten, Amalien zur bestimmten Zeit selbst
nem Nervenfieber, nachdem er zuvor ſeine Tochter dringend gebeten hatte, ihre Tage mit mehr Freude zu genießen. Sein Tod machte tiefen Eindruck auf Amaliens Herz, und vermehrte ihre Trauer um ein großes. Wenigſtens konnte und durfte es ihr niemand verdenken, wenn ſie unter dieſem Vorwande noch einſamer lebte, ihr Zimmer aͤußerſt ſel- ten verließ. Ihre Mutter trauerte ſelbſt aufs innigſte uͤber den Verluſt ihres geliebten Gat- ten, und ſah's gerne, wenn ihr Kind mit ihr klagte und weinte; aber ſie erſchrack auch herzlich, als ihr der beſuchende Arzt die ge- wiſſe Vermuthung entdeckte, daß ſchleichende Abzehrung am Leben ihrer Tochter nage, und ſie nothwendig im nahenden Fruͤhjahre die Waſſer zu Spaa trinken muͤſſe, wenn das Ue- bel nicht unheilbar werden ſolle.
Da fieberhafte Anfaͤlle die Mutter verhin- derten, Amalien zur beſtimmten Zeit ſelbſt
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nem Nervenfieber, nachdem er zuvor ſeine
Tochter dringend gebeten hatte, ihre Tage
mit mehr Freude zu genießen. Sein Tod
machte tiefen Eindruck auf Amaliens Herz,
und vermehrte ihre Trauer um ein großes.
Wenigſtens konnte und durfte es ihr niemand
verdenken, wenn ſie unter dieſem Vorwande
noch einſamer lebte, ihr Zimmer aͤußerſt ſel-
ten verließ. Ihre Mutter trauerte ſelbſt aufs
innigſte uͤber den Verluſt ihres geliebten Gat-
ten, und ſah's gerne, wenn ihr Kind mit
ihr klagte und weinte; aber ſie erſchrack auch
herzlich, als ihr der beſuchende Arzt die ge-
wiſſe Vermuthung entdeckte, daß ſchleichende
Abzehrung am Leben ihrer Tochter nage, und
ſie nothwendig im nahenden Fruͤhjahre die
Waſſer zu Spaa trinken muͤſſe, wenn das Ue-
bel nicht unheilbar werden ſolle.
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derten, Amalien zur beſtimmten Zeit ſelbſt
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/119>, abgerufen am 21.11.2024.
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