gend, sie den Winter über nicht nach der Stadt zu führen, und sah es nicht gerne, wenn ihre Eltern sie in ihrer Einsamkeit stöhrten, oder gar Gesellschaft in ihr Zimmer führten. Der Frühling begann, Vater und Mutter hoften, daß der Alleserfreuende auch ihrer Tochter Herz erfreuen werde, aber ihre Erwartung ward durch den Erfolg getäuscht, Amalie trauerte noch immer in ihrem Zimmer, als die Veilchen lieblich dufteten, und ihre schönen Abrikosenbäume schon verblüht hatten. Sie gab zwar oft den sanften Ermahnungen des Vaters nach, ging mit ihm im Garten, und über Feld spazieren, aber sie staunte im- mer gedankenvoll in die Ferne, und trat ge- fühllos die Pflanzen zu Boden, welche sie sonst so emsig gepflegt hatte.
Möglich, daß Gram über das innere Leiden seines Kindes des Vaters Tage ver- kürzte, er starb im folgenden Herbste an ei-
gend, ſie den Winter uͤber nicht nach der Stadt zu fuͤhren, und ſah es nicht gerne, wenn ihre Eltern ſie in ihrer Einſamkeit ſtoͤhrten, oder gar Geſellſchaft in ihr Zimmer fuͤhrten. Der Fruͤhling begann, Vater und Mutter hoften, daß der Alleserfreuende auch ihrer Tochter Herz erfreuen werde, aber ihre Erwartung ward durch den Erfolg getaͤuſcht, Amalie trauerte noch immer in ihrem Zimmer, als die Veilchen lieblich dufteten, und ihre ſchoͤnen Abrikoſenbaͤume ſchon verbluͤht hatten. Sie gab zwar oft den ſanften Ermahnungen des Vaters nach, ging mit ihm im Garten, und uͤber Feld ſpazieren, aber ſie ſtaunte im- mer gedankenvoll in die Ferne, und trat ge- fuͤhllos die Pflanzen zu Boden, welche ſie ſonſt ſo emſig gepflegt hatte.
Moͤglich, daß Gram uͤber das innere Leiden ſeines Kindes des Vaters Tage ver- kuͤrzte, er ſtarb im folgenden Herbſte an ei-
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gend, ſie den Winter uͤber nicht nach der
Stadt zu fuͤhren, und ſah es nicht gerne,
wenn ihre Eltern ſie in ihrer Einſamkeit
ſtoͤhrten, oder gar Geſellſchaft in ihr Zimmer
fuͤhrten. Der Fruͤhling begann, Vater und
Mutter hoften, daß der Alleserfreuende auch
ihrer Tochter Herz erfreuen werde, aber ihre
Erwartung ward durch den Erfolg getaͤuſcht,
Amalie trauerte noch immer in ihrem Zimmer,
als die Veilchen lieblich dufteten, und ihre
ſchoͤnen Abrikoſenbaͤume ſchon verbluͤht hatten.
Sie gab zwar oft den ſanften Ermahnungen
des Vaters nach, ging mit ihm im Garten,
und uͤber Feld ſpazieren, aber ſie ſtaunte im-
mer gedankenvoll in die Ferne, und trat ge-
fuͤhllos die Pflanzen zu Boden, welche ſie
ſonſt ſo emſig gepflegt hatte.
Moͤglich, daß Gram uͤber das innere
Leiden ſeines Kindes des Vaters Tage ver-
kuͤrzte, er ſtarb im folgenden Herbſte an ei-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/118>, abgerufen am 16.02.2025.
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