Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.
seten seine Schuldscheine ein, und kauften seine er- erbten Güter in sehr geringem Preise an sich; er gieng wirklich mit ihr nach Hamburg, und wollte von da nach D -- gehen, um wenigstens noch ei- nige Trümmer seines so ansehnlichen Erbes zu ret- ten, als er im Duelle tödtlich verwundet wurde, und in Karolinens Armen starb. Doch ist es falsch, daß sie zu London mit einer Tochter nie- derkam, ihr wahrer Zustand war weit schrecklicher; der unglückliche Friedrich hinterließ seine trostlose Gattin zwar ohne alle Aussicht, ohne alles Ver- mögen, aber noch überdieß schwanger. Nach D -- wollte und konnte die Verlaßne nicht reisen, was hätte sie gegen die angesehenen Freunde ihres verstorbenen Gatten auszurichten vermocht, wie konnte sie -- was kaum er selbst hoffte -- von ihnen Unterstützung und Hülfe erwarten? Ihre einzige noch mögliche Hoffnung war auf die huld- reiche Fürstin gerichtet, welche sie bei der ehema- ligen Abreise ihres vollen Schutzes versichert, so- gar gebeten hatte, sich in jeder Noth kühn an sie zu verwenden, und dann thätige Hülfe zu erwar- ten. Karoline entließ zu Hamburg alle ihre Die- ner, gab, was sie noch entbehren konnte, und behielt nur so viel, um ohne Kummer bis ins Gebiethe der freundschaftlichen Fürstin reisen zu können. Ehe ich den Erfolg dieser Reise weiter erzähle, muß ich rückkehren ins Nonnenkloster, welches Karoline in den Armen ihres Friedrichs so schnell
ſeten ſeine Schuldſcheine ein, und kauften ſeine er- erbten Guͤter in ſehr geringem Preiſe an ſich; er gieng wirklich mit ihr nach Hamburg, und wollte von da nach D — gehen, um wenigſtens noch ei- nige Truͤmmer ſeines ſo anſehnlichen Erbes zu ret- ten, als er im Duelle toͤdtlich verwundet wurde, und in Karolinens Armen ſtarb. Doch iſt es falſch, daß ſie zu London mit einer Tochter nie- derkam, ihr wahrer Zuſtand war weit ſchrecklicher; der ungluͤckliche Friedrich hinterließ ſeine troſtloſe Gattin zwar ohne alle Ausſicht, ohne alles Ver- moͤgen, aber noch uͤberdieß ſchwanger. Nach D — wollte und konnte die Verlaßne nicht reiſen, was haͤtte ſie gegen die angeſehenen Freunde ihres verſtorbenen Gatten auszurichten vermocht, wie konnte ſie — was kaum er ſelbſt hoffte — von ihnen Unterſtuͤtzung und Huͤlfe erwarten? Ihre einzige noch moͤgliche Hoffnung war auf die huld- reiche Fuͤrſtin gerichtet, welche ſie bei der ehema- ligen Abreiſe ihres vollen Schutzes verſichert, ſo- gar gebeten hatte, ſich in jeder Noth kuͤhn an ſie zu verwenden, und dann thaͤtige Huͤlfe zu erwar- ten. Karoline entließ zu Hamburg alle ihre Die- ner, gab, was ſie noch entbehren konnte, und behielt nur ſo viel, um ohne Kummer bis ins Gebiethe der freundſchaftlichen Fuͤrſtin reiſen zu koͤnnen. Ehe ich den Erfolg dieſer Reiſe weiter erzaͤhle, muß ich ruͤckkehren ins Nonnenkloſter, welches Karoline in den Armen ihres Friedrichs ſo ſchnell <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#FRIED"> <p><pb facs="#f0054" n="46"/> ſeten ſeine Schuldſcheine ein, und kauften ſeine er-<lb/> erbten Guͤter in ſehr geringem Preiſe an ſich; er<lb/> gieng wirklich mit ihr nach Hamburg, und wollte<lb/> von da nach D — gehen, um wenigſtens noch ei-<lb/> nige Truͤmmer ſeines ſo anſehnlichen Erbes zu ret-<lb/> ten, als er im Duelle toͤdtlich verwundet wurde,<lb/> und in Karolinens Armen ſtarb. Doch iſt es<lb/> falſch, daß ſie zu London mit einer Tochter nie-<lb/> derkam, ihr wahrer Zuſtand war weit ſchrecklicher;<lb/> der ungluͤckliche Friedrich hinterließ ſeine troſtloſe<lb/> Gattin zwar ohne alle Ausſicht, ohne alles Ver-<lb/> moͤgen, aber noch uͤberdieß ſchwanger. Nach D<lb/> — wollte und konnte die Verlaßne nicht reiſen,<lb/> was haͤtte ſie gegen die angeſehenen Freunde ihres<lb/> verſtorbenen Gatten auszurichten vermocht, wie<lb/> konnte ſie — was kaum er ſelbſt hoffte — von<lb/> ihnen Unterſtuͤtzung und Huͤlfe erwarten? Ihre<lb/> einzige noch moͤgliche Hoffnung war auf die huld-<lb/> reiche Fuͤrſtin gerichtet, welche ſie bei der ehema-<lb/> ligen Abreiſe ihres vollen Schutzes verſichert, ſo-<lb/> gar gebeten hatte, ſich in jeder Noth kuͤhn an ſie<lb/> zu verwenden, und dann thaͤtige Huͤlfe zu erwar-<lb/> ten. Karoline entließ zu Hamburg alle ihre Die-<lb/> ner, gab, was ſie noch entbehren konnte, und<lb/> behielt nur ſo viel, um ohne Kummer bis ins<lb/> Gebiethe der freundſchaftlichen Fuͤrſtin reiſen zu<lb/> koͤnnen.</p><lb/> <p>Ehe ich den Erfolg dieſer Reiſe weiter erzaͤhle,<lb/> muß ich ruͤckkehren ins Nonnenkloſter, welches<lb/> Karoline in den Armen ihres Friedrichs ſo ſchnell<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [46/0054]
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erbten Guͤter in ſehr geringem Preiſe an ſich; er
gieng wirklich mit ihr nach Hamburg, und wollte
von da nach D — gehen, um wenigſtens noch ei-
nige Truͤmmer ſeines ſo anſehnlichen Erbes zu ret-
ten, als er im Duelle toͤdtlich verwundet wurde,
und in Karolinens Armen ſtarb. Doch iſt es
falſch, daß ſie zu London mit einer Tochter nie-
derkam, ihr wahrer Zuſtand war weit ſchrecklicher;
der ungluͤckliche Friedrich hinterließ ſeine troſtloſe
Gattin zwar ohne alle Ausſicht, ohne alles Ver-
moͤgen, aber noch uͤberdieß ſchwanger. Nach D
— wollte und konnte die Verlaßne nicht reiſen,
was haͤtte ſie gegen die angeſehenen Freunde ihres
verſtorbenen Gatten auszurichten vermocht, wie
konnte ſie — was kaum er ſelbſt hoffte — von
ihnen Unterſtuͤtzung und Huͤlfe erwarten? Ihre
einzige noch moͤgliche Hoffnung war auf die huld-
reiche Fuͤrſtin gerichtet, welche ſie bei der ehema-
ligen Abreiſe ihres vollen Schutzes verſichert, ſo-
gar gebeten hatte, ſich in jeder Noth kuͤhn an ſie
zu verwenden, und dann thaͤtige Huͤlfe zu erwar-
ten. Karoline entließ zu Hamburg alle ihre Die-
ner, gab, was ſie noch entbehren konnte, und
behielt nur ſo viel, um ohne Kummer bis ins
Gebiethe der freundſchaftlichen Fuͤrſtin reiſen zu
koͤnnen.
Ehe ich den Erfolg dieſer Reiſe weiter erzaͤhle,
muß ich ruͤckkehren ins Nonnenkloſter, welches
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