Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
mir, wenn sie gelang! Vergebung, wenn ich
fehlte! Der Reiz war zu groß, da bis zu die-
sem Umstande, die Geschichte, welche ihr Wahn-
sinn erfand, beinahe nicht die geringste Aehnlich-
keit mit ihrem wahren Lebenslaufe enthält, so
konnte ich ihm nicht widerstehen, und glaubte klü-
ger zu handeln, wenn ich wenigstens bis hieher
die Erwartung meiner Leser zu täuschen suchte.

Von jetzt an hat ihr Wahnsinn viele Bege-
benheiten aus ihrer wahren Geschichte ächt und
deutlich herausgehoben, ich werde diese also nur
dann umständlicher erzählen, wenn er wieder ganz
vom Wege der Wahrheit abweicht. Friedrich wür-
de wahrscheinlich mit seiner Gattin dieß Herzog-
thum, dessen Fürstin ihm allen Schutz versprach,
nicht verlassen haben, wenn nicht jetzt erst die
Folgen des großen Leidens sich in der zerrütteten
Gesundheit Karolinens geäußert hätten. Die
Aerzte verordneten Spaa, Friedrich reiste im fol-
genden Frühjahre wirklich mit Karolinen dahin
ab, und nun erfolgten alle jene Begebenheiten,
welche die Alte mir selbst in ihrem Wahnsinne er-
zählt hatte. Friedrich verspielte wirklich den größ-
ten Theil seines Vermögens zu Spaa, Pisa,
Paris und London, er ward in der letztern Stadt
wirklich ins Gefängniß gesetzt, und durch Karo-
linen mit dem Verkaufe ihres ganzen Schmuckes
aus diesem errettet. Friedrichs Freunde, welche
seine Mesalianz wahrscheinlich erfahren hatten,
vereinigten sich wirklich zu seinem Verderben, lö-
mir, wenn ſie gelang! Vergebung, wenn ich
fehlte! Der Reiz war zu groß, da bis zu die-
ſem Umſtande, die Geſchichte, welche ihr Wahn-
ſinn erfand, beinahe nicht die geringſte Aehnlich-
keit mit ihrem wahren Lebenslaufe enthaͤlt, ſo
konnte ich ihm nicht widerſtehen, und glaubte kluͤ-
ger zu handeln, wenn ich wenigſtens bis hieher
die Erwartung meiner Leſer zu taͤuſchen ſuchte.

Von jetzt an hat ihr Wahnſinn viele Bege-
benheiten aus ihrer wahren Geſchichte aͤcht und
deutlich herausgehoben, ich werde dieſe alſo nur
dann umſtaͤndlicher erzaͤhlen, wenn er wieder ganz
vom Wege der Wahrheit abweicht. Friedrich wuͤr-
de wahrſcheinlich mit ſeiner Gattin dieß Herzog-
thum, deſſen Fuͤrſtin ihm allen Schutz verſprach,
nicht verlaſſen haben, wenn nicht jetzt erſt die
Folgen des großen Leidens ſich in der zerruͤtteten
Geſundheit Karolinens geaͤußert haͤtten. Die
Aerzte verordneten Spaa, Friedrich reiſte im fol-
genden Fruͤhjahre wirklich mit Karolinen dahin
ab, und nun erfolgten alle jene Begebenheiten,
welche die Alte mir ſelbſt in ihrem Wahnſinne er-
zaͤhlt hatte. Friedrich verſpielte wirklich den groͤß-
ten Theil ſeines Vermoͤgens zu Spaa, Piſa,
Paris und London, er ward in der letztern Stadt
wirklich ins Gefaͤngniß geſetzt, und durch Karo-
linen mit dem Verkaufe ihres ganzen Schmuckes
aus dieſem errettet. Friedrichs Freunde, welche
ſeine Mesalianz wahrſcheinlich erfahren hatten,
vereinigten ſich wirklich zu ſeinem Verderben, loͤ-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#FRIED">
          <p><pb facs="#f0053" n="45"/>
mir, wenn &#x017F;ie gelang! Vergebung, wenn ich<lb/>
fehlte! Der Reiz war zu groß, da bis zu die-<lb/>
&#x017F;em Um&#x017F;tande, die Ge&#x017F;chichte, welche ihr Wahn-<lb/>
&#x017F;inn erfand, beinahe nicht die gering&#x017F;te Aehnlich-<lb/>
keit mit ihrem wahren Lebenslaufe entha&#x0364;lt, &#x017F;o<lb/>
konnte ich ihm nicht wider&#x017F;tehen, und glaubte klu&#x0364;-<lb/>
ger zu handeln, wenn ich wenig&#x017F;tens bis hieher<lb/>
die Erwartung meiner Le&#x017F;er zu ta&#x0364;u&#x017F;chen &#x017F;uchte.</p><lb/>
          <p>Von jetzt an hat ihr Wahn&#x017F;inn viele Bege-<lb/>
benheiten aus ihrer wahren Ge&#x017F;chichte a&#x0364;cht und<lb/>
deutlich herausgehoben, ich werde die&#x017F;e al&#x017F;o nur<lb/>
dann um&#x017F;ta&#x0364;ndlicher erza&#x0364;hlen, wenn er wieder ganz<lb/>
vom Wege der Wahrheit abweicht. Friedrich wu&#x0364;r-<lb/>
de wahr&#x017F;cheinlich mit &#x017F;einer Gattin dieß Herzog-<lb/>
thum, de&#x017F;&#x017F;en Fu&#x0364;r&#x017F;tin ihm allen Schutz ver&#x017F;prach,<lb/>
nicht verla&#x017F;&#x017F;en haben, wenn nicht jetzt er&#x017F;t die<lb/>
Folgen des großen Leidens &#x017F;ich in der zerru&#x0364;tteten<lb/>
Ge&#x017F;undheit Karolinens gea&#x0364;ußert ha&#x0364;tten. Die<lb/>
Aerzte verordneten Spaa, Friedrich rei&#x017F;te im fol-<lb/>
genden Fru&#x0364;hjahre wirklich mit Karolinen dahin<lb/>
ab, und nun erfolgten alle jene Begebenheiten,<lb/>
welche die Alte mir &#x017F;elb&#x017F;t in ihrem Wahn&#x017F;inne er-<lb/>
za&#x0364;hlt hatte. Friedrich ver&#x017F;pielte wirklich den gro&#x0364;ß-<lb/>
ten Theil &#x017F;eines Vermo&#x0364;gens zu Spaa, Pi&#x017F;a,<lb/>
Paris und London, er ward in der letztern Stadt<lb/>
wirklich ins Gefa&#x0364;ngniß ge&#x017F;etzt, und durch Karo-<lb/>
linen mit dem Verkaufe ihres ganzen Schmuckes<lb/>
aus die&#x017F;em errettet. Friedrichs Freunde, welche<lb/>
&#x017F;eine Mesalianz wahr&#x017F;cheinlich erfahren hatten,<lb/>
vereinigten &#x017F;ich wirklich zu &#x017F;einem Verderben, lo&#x0364;-<lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0053] mir, wenn ſie gelang! Vergebung, wenn ich fehlte! Der Reiz war zu groß, da bis zu die- ſem Umſtande, die Geſchichte, welche ihr Wahn- ſinn erfand, beinahe nicht die geringſte Aehnlich- keit mit ihrem wahren Lebenslaufe enthaͤlt, ſo konnte ich ihm nicht widerſtehen, und glaubte kluͤ- ger zu handeln, wenn ich wenigſtens bis hieher die Erwartung meiner Leſer zu taͤuſchen ſuchte. Von jetzt an hat ihr Wahnſinn viele Bege- benheiten aus ihrer wahren Geſchichte aͤcht und deutlich herausgehoben, ich werde dieſe alſo nur dann umſtaͤndlicher erzaͤhlen, wenn er wieder ganz vom Wege der Wahrheit abweicht. Friedrich wuͤr- de wahrſcheinlich mit ſeiner Gattin dieß Herzog- thum, deſſen Fuͤrſtin ihm allen Schutz verſprach, nicht verlaſſen haben, wenn nicht jetzt erſt die Folgen des großen Leidens ſich in der zerruͤtteten Geſundheit Karolinens geaͤußert haͤtten. Die Aerzte verordneten Spaa, Friedrich reiſte im fol- genden Fruͤhjahre wirklich mit Karolinen dahin ab, und nun erfolgten alle jene Begebenheiten, welche die Alte mir ſelbſt in ihrem Wahnſinne er- zaͤhlt hatte. Friedrich verſpielte wirklich den groͤß- ten Theil ſeines Vermoͤgens zu Spaa, Piſa, Paris und London, er ward in der letztern Stadt wirklich ins Gefaͤngniß geſetzt, und durch Karo- linen mit dem Verkaufe ihres ganzen Schmuckes aus dieſem errettet. Friedrichs Freunde, welche ſeine Mesalianz wahrſcheinlich erfahren hatten, vereinigten ſich wirklich zu ſeinem Verderben, loͤ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/53
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/53>, abgerufen am 07.05.2024.