Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.
nung, stößt sie mich trostlos von sich, so ende ich mein Leben vor ihrer Thüre und fluche dir noch sterbend. Esther. Gott, das wäre schrecklich! dann ich mit dir, Gott hörts, dann ich mit dir! Der Vater bemühte sich nun lange vergebens, ihm begreiflich zu machen, daß er an seiner Zu- rückberufung schuldlos sei, als er aber seine Hand auf sein graues Haupt legte, und Gottes Rache über solches erflehte, wenn er der Thäter sei, so glaubte ihm Friedrich, und versprach sogar noch länger zu kämpfen, und seinen Dienst nicht zu verlassen, wenn er erlauben wolle, daß er sei- ner geliebten Esther jeden Monat einmal schreiben, und sie ihm wieder antworten dürfe. Der Vater gewährte die Bitte, weil seine Tochter sie mit heißen Thränen unterstützte, und Friedrich verließ erst nach Mitternacht das Haus des redlichen Alten. -- Dieser hatte ihn beim Abschiede aufs dringend- ste gebeten, ein Mann zu seyn, und wacker zu kämpfen, die liebende Esther hatte ihm aber mehr als einmal zugeflüstert, daß sie ihn nie vergessen werde, und man urtheile nun: Ob Friedrichs Kampf mit Muth beginnen konnte? Am frühen Morgen stand sie schon am offnen Fenster, als Friedrichs Wagen langsam vorüber fuhr, ihre Blicke versprachen Friedrichen ewige Liebe und Treue. Esther stieg bald hernach eben- B 2
nung, ſtoͤßt ſie mich troſtlos von ſich, ſo ende ich mein Leben vor ihrer Thuͤre und fluche dir noch ſterbend. Eſther. Gott, das waͤre ſchrecklich! dann ich mit dir, Gott hoͤrts, dann ich mit dir! Der Vater bemuͤhte ſich nun lange vergebens, ihm begreiflich zu machen, daß er an ſeiner Zu- ruͤckberufung ſchuldlos ſei, als er aber ſeine Hand auf ſein graues Haupt legte, und Gottes Rache uͤber ſolches erflehte, wenn er der Thaͤter ſei, ſo glaubte ihm Friedrich, und verſprach ſogar noch laͤnger zu kaͤmpfen, und ſeinen Dienſt nicht zu verlaſſen, wenn er erlauben wolle, daß er ſei- ner geliebten Eſther jeden Monat einmal ſchreiben, und ſie ihm wieder antworten duͤrfe. Der Vater gewaͤhrte die Bitte, weil ſeine Tochter ſie mit heißen Thraͤnen unterſtuͤtzte, und Friedrich verließ erſt nach Mitternacht das Haus des redlichen Alten. — Dieſer hatte ihn beim Abſchiede aufs dringend- ſte gebeten, ein Mann zu ſeyn, und wacker zu kaͤmpfen, die liebende Eſther hatte ihm aber mehr als einmal zugefluͤſtert, daß ſie ihn nie vergeſſen werde, und man urtheile nun: Ob Friedrichs Kampf mit Muth beginnen konnte? Am fruͤhen Morgen ſtand ſie ſchon am offnen Fenſter, als Friedrichs Wagen langſam voruͤber fuhr, ihre Blicke verſprachen Friedrichen ewige Liebe und Treue. Eſther ſtieg bald hernach eben- B 2
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noch ſterbend.
Eſther. Gott, das waͤre ſchrecklich! dann
ich mit dir, Gott hoͤrts, dann ich mit dir!
Der Vater bemuͤhte ſich nun lange vergebens,
ihm begreiflich zu machen, daß er an ſeiner Zu-
ruͤckberufung ſchuldlos ſei, als er aber ſeine Hand
auf ſein graues Haupt legte, und Gottes Rache
uͤber ſolches erflehte, wenn er der Thaͤter ſei,
ſo glaubte ihm Friedrich, und verſprach ſogar
noch laͤnger zu kaͤmpfen, und ſeinen Dienſt nicht
zu verlaſſen, wenn er erlauben wolle, daß er ſei-
ner geliebten Eſther jeden Monat einmal ſchreiben,
und ſie ihm wieder antworten duͤrfe. Der Vater
gewaͤhrte die Bitte, weil ſeine Tochter ſie mit
heißen Thraͤnen unterſtuͤtzte, und Friedrich verließ
erſt nach Mitternacht das Haus des redlichen
Alten. —
Dieſer hatte ihn beim Abſchiede aufs dringend-
ſte gebeten, ein Mann zu ſeyn, und wacker zu
kaͤmpfen, die liebende Eſther hatte ihm aber mehr
als einmal zugefluͤſtert, daß ſie ihn nie vergeſſen
werde, und man urtheile nun: Ob Friedrichs
Kampf mit Muth beginnen konnte?
Am fruͤhen Morgen ſtand ſie ſchon am offnen
Fenſter, als Friedrichs Wagen langſam voruͤber
fuhr, ihre Blicke verſprachen Friedrichen ewige
Liebe und Treue. Eſther ſtieg bald hernach eben-
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