Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.Wahrscheinlich würde der Mörder nicht so schnell Man zweifelte an ihrem Leben, weil die Ohn- Wahrſcheinlich wuͤrde der Moͤrder nicht ſo ſchnell Man zweifelte an ihrem Leben, weil die Ohn- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0186" n="178"/> <p>Wahrſcheinlich wuͤrde der Moͤrder nicht ſo ſchnell<lb/> entdeckt worden ſeyn, wenn nicht Marie den Guts-<lb/> herrn zur Aufmerkſamkeit gereizt haͤtte; ſie fluͤſter-<lb/> te ihm am Wagen heimlich zu, daß ſie Verdacht<lb/> auf den Knecht habe, und beſtaͤtigte ihre Ausſage<lb/> dadurch, daß der Prieſter, wie er des Verwunde-<lb/> ten Beichte gehoͤrt, den Knecht einigemal verach-<lb/> tungsvoll angeblickt habe. Auch wars ihr nachher<lb/> ſtark aufgefallen, daß dieſer nicht vom Lager des<lb/> Mannes weichen wollte, und munter und froͤhlich<lb/> einher gieng, wie er endlich verſchied. Sie hoͤrte<lb/> ruhig zu, als der Gutsherr ſie zu troͤſten kam,<lb/> und ihr die Verſicherung brachte, daß ihre Ver-<lb/> muthung richtig, und der Moͤrder ſchon entdeckt<lb/> ſei; aber ſie ſank ſinnlos zur Erde, wie er ihr<lb/> erzaͤhlte, daß nicht ſowol Begierde nach dem ein-<lb/> traͤglichen Dienſte, ſondern heftige Liebe zu ihr ihn<lb/> zu dem ſchrecklichen Mord verleitet habe.</p><lb/> <p>Man zweifelte an ihrem Leben, weil die Ohn-<lb/> macht anhaltend war, ſich erſt, aller angewand-<lb/> ten Huͤlfsmittel ungeachtet, binnen ſechs Stunden<lb/> endigte. Die Folge uͤberzeugte alle, daß ſie in<lb/> dieſem Zuſtande ihren Verſtand verlohren habe.<lb/> Sie war einige Tage nachher vollkommen geſund,<lb/> aß und trank wie eh, aber ſie ſprach kein Wort,<lb/> und ſuchte ſich immer ſorgfaͤltig zu verſtecken. So<lb/> handelte ſie einen vollen Monden, und diejenigen,<lb/> deren Sorgfalt ſie anvertraut wurde, hatten oft<lb/> Muͤhe, ſie in den Winkeln zu finden, in welche ſie<lb/> ſich verborgen hatte.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [178/0186]
Wahrſcheinlich wuͤrde der Moͤrder nicht ſo ſchnell
entdeckt worden ſeyn, wenn nicht Marie den Guts-
herrn zur Aufmerkſamkeit gereizt haͤtte; ſie fluͤſter-
te ihm am Wagen heimlich zu, daß ſie Verdacht
auf den Knecht habe, und beſtaͤtigte ihre Ausſage
dadurch, daß der Prieſter, wie er des Verwunde-
ten Beichte gehoͤrt, den Knecht einigemal verach-
tungsvoll angeblickt habe. Auch wars ihr nachher
ſtark aufgefallen, daß dieſer nicht vom Lager des
Mannes weichen wollte, und munter und froͤhlich
einher gieng, wie er endlich verſchied. Sie hoͤrte
ruhig zu, als der Gutsherr ſie zu troͤſten kam,
und ihr die Verſicherung brachte, daß ihre Ver-
muthung richtig, und der Moͤrder ſchon entdeckt
ſei; aber ſie ſank ſinnlos zur Erde, wie er ihr
erzaͤhlte, daß nicht ſowol Begierde nach dem ein-
traͤglichen Dienſte, ſondern heftige Liebe zu ihr ihn
zu dem ſchrecklichen Mord verleitet habe.
Man zweifelte an ihrem Leben, weil die Ohn-
macht anhaltend war, ſich erſt, aller angewand-
ten Huͤlfsmittel ungeachtet, binnen ſechs Stunden
endigte. Die Folge uͤberzeugte alle, daß ſie in
dieſem Zuſtande ihren Verſtand verlohren habe.
Sie war einige Tage nachher vollkommen geſund,
aß und trank wie eh, aber ſie ſprach kein Wort,
und ſuchte ſich immer ſorgfaͤltig zu verſtecken. So
handelte ſie einen vollen Monden, und diejenigen,
deren Sorgfalt ſie anvertraut wurde, hatten oft
Muͤhe, ſie in den Winkeln zu finden, in welche ſie
ſich verborgen hatte.
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