währender Dauer seyn würde, weil sein ganzes Temperament, das vorher gewiß melancholisch ge- wesen seyn müsse, nun eine ganz andre Richtung genommen hätte, und die seltne, anhaltende Ver- gessenheit seines Zustandes jeden Rückfall unmög- lich mache. Doch rieth er am Ende, daß der Rittmeister es kühn wagen, und mit ihm von sei- ner ehemaligen Liebe sprechen sollte. Würde er dann, fügte er hinzu, sich ihrer noch nicht erin- nern, so sei jede Gefahr geendigt, und eine Hei- rath für ihn glücklich und wünschenswerth.
Der Rittmeister befolgte diesen Rath mit Zit- tern, aber zu seinem Erstaunen widersprach Kon- rad aufs lebhafteste der ganzen Geschichte, ließ sich solche ungerührt erzählen, und versicherte noch- mals am Ende, daß alles erdichtet sei. Da er auch nicht die geringste Spur einer Melancholie verrieth, vielmehr selbst in der Folge darüber scherzte, und seinen Freund oft fragte: Wer ihm dieß Mährchen erzählt habe? so bat dieser selbst seine Schwägerin, daß sie aller Bedenklichkeit ent- sagen, und seinen Freund mit ihrer Liebe beglücken möge. Marianne, so nannte sich dieß Mädchen, thats mit Freuden, denn sie liebte Konraden schon lange, und würde in der Folge, auch ohne Freun- des Rath, seiner Bitte nicht länger widerstanden haben.
Schon war der glückliche Konrad mit ihr öf- fentlich verlobt, schon machte man Anstalten zur nahen Hochzeit, als seines Freundes Frau mit
waͤhrender Dauer ſeyn wuͤrde, weil ſein ganzes Temperament, das vorher gewiß melancholiſch ge- weſen ſeyn muͤſſe, nun eine ganz andre Richtung genommen haͤtte, und die ſeltne, anhaltende Ver- geſſenheit ſeines Zuſtandes jeden Ruͤckfall unmoͤg- lich mache. Doch rieth er am Ende, daß der Rittmeiſter es kuͤhn wagen, und mit ihm von ſei- ner ehemaligen Liebe ſprechen ſollte. Wuͤrde er dann, fuͤgte er hinzu, ſich ihrer noch nicht erin- nern, ſo ſei jede Gefahr geendigt, und eine Hei- rath fuͤr ihn gluͤcklich und wuͤnſchenswerth.
Der Rittmeiſter befolgte dieſen Rath mit Zit- tern, aber zu ſeinem Erſtaunen widerſprach Kon- rad aufs lebhafteſte der ganzen Geſchichte, ließ ſich ſolche ungeruͤhrt erzaͤhlen, und verſicherte noch- mals am Ende, daß alles erdichtet ſei. Da er auch nicht die geringſte Spur einer Melancholie verrieth, vielmehr ſelbſt in der Folge daruͤber ſcherzte, und ſeinen Freund oft fragte: Wer ihm dieß Maͤhrchen erzaͤhlt habe? ſo bat dieſer ſelbſt ſeine Schwaͤgerin, daß ſie aller Bedenklichkeit ent- ſagen, und ſeinen Freund mit ihrer Liebe begluͤcken moͤge. Marianne, ſo nannte ſich dieß Maͤdchen, thats mit Freuden, denn ſie liebte Konraden ſchon lange, und wuͤrde in der Folge, auch ohne Freun- des Rath, ſeiner Bitte nicht laͤnger widerſtanden haben.
Schon war der gluͤckliche Konrad mit ihr oͤf- fentlich verlobt, ſchon machte man Anſtalten zur nahen Hochzeit, als ſeines Freundes Frau mit
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waͤhrender Dauer ſeyn wuͤrde, weil ſein ganzes
Temperament, das vorher gewiß melancholiſch ge-
weſen ſeyn muͤſſe, nun eine ganz andre Richtung
genommen haͤtte, und die ſeltne, anhaltende Ver-
geſſenheit ſeines Zuſtandes jeden Ruͤckfall unmoͤg-
lich mache. Doch rieth er am Ende, daß der
Rittmeiſter es kuͤhn wagen, und mit ihm von ſei-
ner ehemaligen Liebe ſprechen ſollte. Wuͤrde er
dann, fuͤgte er hinzu, ſich ihrer noch nicht erin-
nern, ſo ſei jede Gefahr geendigt, und eine Hei-
rath fuͤr ihn gluͤcklich und wuͤnſchenswerth.
Der Rittmeiſter befolgte dieſen Rath mit Zit-
tern, aber zu ſeinem Erſtaunen widerſprach Kon-
rad aufs lebhafteſte der ganzen Geſchichte, ließ
ſich ſolche ungeruͤhrt erzaͤhlen, und verſicherte noch-
mals am Ende, daß alles erdichtet ſei. Da er
auch nicht die geringſte Spur einer Melancholie
verrieth, vielmehr ſelbſt in der Folge daruͤber
ſcherzte, und ſeinen Freund oft fragte: Wer ihm
dieß Maͤhrchen erzaͤhlt habe? ſo bat dieſer ſelbſt
ſeine Schwaͤgerin, daß ſie aller Bedenklichkeit ent-
ſagen, und ſeinen Freund mit ihrer Liebe begluͤcken
moͤge. Marianne, ſo nannte ſich dieß Maͤdchen,
thats mit Freuden, denn ſie liebte Konraden ſchon
lange, und wuͤrde in der Folge, auch ohne Freun-
des Rath, ſeiner Bitte nicht laͤnger widerſtanden
haben.
Schon war der gluͤckliche Konrad mit ihr oͤf-
fentlich verlobt, ſchon machte man Anſtalten zur
nahen Hochzeit, als ſeines Freundes Frau mit
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/166>, abgerufen am 16.07.2024.
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