Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.einem jungen Sohne entbunden wurde. Konrad Die ihn innig liebende Marianne trauerte noch Marie
einem jungen Sohne entbunden wurde. Konrad Die ihn innig liebende Marianne trauerte noch Marie
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0167" n="159"/> einem jungen Sohne entbunden wurde. Konrad<lb/> und Marianne trugen ihn zur Taufe, welche am<lb/> Ende mit einem kleinen Feſte gefeiert wurde, das<lb/> bis nach Mitternacht dauerte. Am andern Mor-<lb/> gen kam Konrad, die Woͤchnerin zu beſuchen;<lb/> wie er eintrat, verſuchte dieſe es eben, den Neu-<lb/> gebohrnen zu ſaͤugen; ihr Mann ſtand ihr zur<lb/> Seite. Dieſe aͤhnliche Gruppe weckte in Konrads<lb/> Gedaͤchtniß die Erinnerung der ehemals ſo ſchreck-<lb/> lichen Szene; er ſchauderte zuruͤck, ſtarrte wild<lb/> umher, und mußte von ſeinem Freunde nach ei-<lb/> nem andern Zimmer gefuͤhrt werden. Noch am<lb/> nemlichen Tage verwandelte ſich ſein Tiefſinn in<lb/> eine unheilbare Raſerei; er ſtarb nach ſechsjaͤhri-<lb/> gem Leiden, mit Ketten belaſtet, im Hoſpitale<lb/> der Wahnſinnigen.</p><lb/> <p>Die ihn innig liebende Marianne trauerte noch<lb/> um ihn, als ſeine Karoline ſchon ihr Leiden geen-<lb/> digt hatte. Letztere ſtarb an einer unheilbaren<lb/> Abzehrung, und gedachte in der Stunde ihres To-<lb/> des noch des armen Konrads, den ſie dort wieder<lb/> zu ſehen hoffte, weil ſie ihn wirklich todt glaubte;<lb/> ſeinen Eintritt in ihr Zimmer fuͤr eine warnende<lb/> Erſcheinung hielt, und man ihr abſichtlich dieſen<lb/> Irrthum nicht raubte, weil Wahrheit ſie wahr-<lb/> ſcheinlich noch ungluͤcklicher gemacht haͤtte.</p> </div><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Marie</fw><lb/> </body> </text> </TEI> [159/0167]
einem jungen Sohne entbunden wurde. Konrad
und Marianne trugen ihn zur Taufe, welche am
Ende mit einem kleinen Feſte gefeiert wurde, das
bis nach Mitternacht dauerte. Am andern Mor-
gen kam Konrad, die Woͤchnerin zu beſuchen;
wie er eintrat, verſuchte dieſe es eben, den Neu-
gebohrnen zu ſaͤugen; ihr Mann ſtand ihr zur
Seite. Dieſe aͤhnliche Gruppe weckte in Konrads
Gedaͤchtniß die Erinnerung der ehemals ſo ſchreck-
lichen Szene; er ſchauderte zuruͤck, ſtarrte wild
umher, und mußte von ſeinem Freunde nach ei-
nem andern Zimmer gefuͤhrt werden. Noch am
nemlichen Tage verwandelte ſich ſein Tiefſinn in
eine unheilbare Raſerei; er ſtarb nach ſechsjaͤhri-
gem Leiden, mit Ketten belaſtet, im Hoſpitale
der Wahnſinnigen.
Die ihn innig liebende Marianne trauerte noch
um ihn, als ſeine Karoline ſchon ihr Leiden geen-
digt hatte. Letztere ſtarb an einer unheilbaren
Abzehrung, und gedachte in der Stunde ihres To-
des noch des armen Konrads, den ſie dort wieder
zu ſehen hoffte, weil ſie ihn wirklich todt glaubte;
ſeinen Eintritt in ihr Zimmer fuͤr eine warnende
Erſcheinung hielt, und man ihr abſichtlich dieſen
Irrthum nicht raubte, weil Wahrheit ſie wahr-
ſcheinlich noch ungluͤcklicher gemacht haͤtte.
Marie
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