mal, daß seine Tochter, von seinem Tode über- zeugt, sich kurz nachher verheirathet habe, als Gattin eines andern nun seine Briefe nicht mehr beantworten könne. Um ihn über den Verlust der- selben einigermaßen zu trösten, versprach er ihm ein Kapital von zehntausend Franken zu schenken, welches der Gewinn war, der im glücklichen Han- del, als er mit ihm assoziirt war, erworben wur- de. Er hat ihn oft, nur den Wechsler zu be- stimmen, an welchen er diese Summe übermachen solle, und ersuchte ihn nebenbei, nicht mehr an seine Tochter zu schreiben, weil jeder Brief das Glück ihrer Ehe stöhre, und doch nichts nützen könne; aber Konrad beantwortete keinen dieser Briefe, schrieb noch immer an seine Geliebte, klagte oft bitter, oft auch mitleidswürdig über ihr hartnäckiges Stillschweigen. Es war ganz natürlich, daß diese Briefe allemal verlohren giengen, nie in seine Hände kommen konnten, weil er zwar immer jedes Glück, jede Beförde- rung emsig berichtete, aber von jeher vergessen hatte, hinzuzufügen, in welches Regiment er sei übersetzt worden. Deswegen konnte Karolinens Vater immer nur auf die Addresse setzen: An den Lieutenant oder Rittmeister eines Kavallerie- Regiments! Die unbestimmte Addresse war daher Ursache, daß alle diese Briefe auf der Feldpost liegen blieben, oder unnütz hin und her gesandt worden.
mal, daß ſeine Tochter, von ſeinem Tode uͤber- zeugt, ſich kurz nachher verheirathet habe, als Gattin eines andern nun ſeine Briefe nicht mehr beantworten koͤnne. Um ihn uͤber den Verluſt der- ſelben einigermaßen zu troͤſten, verſprach er ihm ein Kapital von zehntauſend Franken zu ſchenken, welches der Gewinn war, der im gluͤcklichen Han- del, als er mit ihm aſſoziirt war, erworben wur- de. Er hat ihn oft, nur den Wechsler zu be- ſtimmen, an welchen er dieſe Summe uͤbermachen ſolle, und erſuchte ihn nebenbei, nicht mehr an ſeine Tochter zu ſchreiben, weil jeder Brief das Gluͤck ihrer Ehe ſtoͤhre, und doch nichts nuͤtzen koͤnne; aber Konrad beantwortete keinen dieſer Briefe, ſchrieb noch immer an ſeine Geliebte, klagte oft bitter, oft auch mitleidswuͤrdig uͤber ihr hartnaͤckiges Stillſchweigen. Es war ganz natuͤrlich, daß dieſe Briefe allemal verlohren giengen, nie in ſeine Haͤnde kommen konnten, weil er zwar immer jedes Gluͤck, jede Befoͤrde- rung emſig berichtete, aber von jeher vergeſſen hatte, hinzuzufuͤgen, in welches Regiment er ſei uͤberſetzt worden. Deswegen konnte Karolinens Vater immer nur auf die Addreſſe ſetzen: An den Lieutenant oder Rittmeiſter eines Kavallerie- Regiments! Die unbeſtimmte Addreſſe war daher Urſache, daß alle dieſe Briefe auf der Feldpoſt liegen blieben, oder unnuͤtz hin und her geſandt worden.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0160"n="152"/>
mal, daß ſeine Tochter, von ſeinem Tode uͤber-<lb/>
zeugt, ſich kurz nachher verheirathet habe, als<lb/>
Gattin eines andern nun ſeine Briefe nicht mehr<lb/>
beantworten koͤnne. Um ihn uͤber den Verluſt der-<lb/>ſelben einigermaßen zu troͤſten, verſprach er ihm<lb/>
ein Kapital von zehntauſend Franken zu ſchenken,<lb/>
welches der Gewinn war, der im gluͤcklichen Han-<lb/>
del, als er mit ihm aſſoziirt war, erworben wur-<lb/>
de. Er hat ihn oft, nur den Wechsler zu be-<lb/>ſtimmen, an welchen er dieſe Summe uͤbermachen<lb/>ſolle, und erſuchte ihn nebenbei, nicht mehr an<lb/>ſeine Tochter zu ſchreiben, weil jeder Brief das<lb/>
Gluͤck ihrer Ehe ſtoͤhre, und doch nichts nuͤtzen<lb/>
koͤnne; aber Konrad beantwortete keinen dieſer<lb/>
Briefe, ſchrieb noch immer an ſeine Geliebte,<lb/>
klagte oft bitter, oft auch mitleidswuͤrdig uͤber<lb/>
ihr hartnaͤckiges Stillſchweigen. Es war ganz<lb/>
natuͤrlich, daß dieſe Briefe allemal verlohren<lb/>
giengen, nie in ſeine Haͤnde kommen konnten,<lb/>
weil er zwar immer jedes Gluͤck, jede Befoͤrde-<lb/>
rung emſig berichtete, aber von jeher vergeſſen<lb/>
hatte, hinzuzufuͤgen, in welches Regiment er ſei<lb/>
uͤberſetzt worden. Deswegen konnte Karolinens<lb/>
Vater immer nur auf die Addreſſe ſetzen: An<lb/>
den Lieutenant oder Rittmeiſter eines Kavallerie-<lb/>
Regiments! Die unbeſtimmte Addreſſe war daher<lb/>
Urſache, daß alle dieſe Briefe auf der Feldpoſt<lb/>
liegen blieben, oder unnuͤtz hin und her geſandt<lb/>
worden.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[152/0160]
mal, daß ſeine Tochter, von ſeinem Tode uͤber-
zeugt, ſich kurz nachher verheirathet habe, als
Gattin eines andern nun ſeine Briefe nicht mehr
beantworten koͤnne. Um ihn uͤber den Verluſt der-
ſelben einigermaßen zu troͤſten, verſprach er ihm
ein Kapital von zehntauſend Franken zu ſchenken,
welches der Gewinn war, der im gluͤcklichen Han-
del, als er mit ihm aſſoziirt war, erworben wur-
de. Er hat ihn oft, nur den Wechsler zu be-
ſtimmen, an welchen er dieſe Summe uͤbermachen
ſolle, und erſuchte ihn nebenbei, nicht mehr an
ſeine Tochter zu ſchreiben, weil jeder Brief das
Gluͤck ihrer Ehe ſtoͤhre, und doch nichts nuͤtzen
koͤnne; aber Konrad beantwortete keinen dieſer
Briefe, ſchrieb noch immer an ſeine Geliebte,
klagte oft bitter, oft auch mitleidswuͤrdig uͤber
ihr hartnaͤckiges Stillſchweigen. Es war ganz
natuͤrlich, daß dieſe Briefe allemal verlohren
giengen, nie in ſeine Haͤnde kommen konnten,
weil er zwar immer jedes Gluͤck, jede Befoͤrde-
rung emſig berichtete, aber von jeher vergeſſen
hatte, hinzuzufuͤgen, in welches Regiment er ſei
uͤberſetzt worden. Deswegen konnte Karolinens
Vater immer nur auf die Addreſſe ſetzen: An
den Lieutenant oder Rittmeiſter eines Kavallerie-
Regiments! Die unbeſtimmte Addreſſe war daher
Urſache, daß alle dieſe Briefe auf der Feldpoſt
liegen blieben, oder unnuͤtz hin und her geſandt
worden.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/160>, abgerufen am 15.08.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.