türlich und verzeihungswürdig, daß er die Richter dringend bat, sein ermordetes Kind nach aller Strenge der Gesetze zu rächen.
Schon war Konrads Todesurtheil gesprochen, schon sollte der Unschuldige am folgenden Tage auf der Richtstätte bluten, als Karolinens Vater aufs neue vor Gericht erschien. Er hielt in seiner zitternden Hand einen Brief, den ihn eine Staf- fette überbracht hatte, er konnte für Uebermaaß der Empfindung nicht sprechen. Meine Tochter lebt! Mein Kind ist nicht ermordet! rief er end- lich aus, und überreichte dem Richter den Brief.
Ich habe, schrieb Karoline mit eigner Hand, eben durch einen Zufall erfahren, daß der redli- che, unschuldige Konrad als mein Mörder vor Gerichte sei angeklagt worden, diese schreckliche Nachricht hat mich aufs Krankenlager geworfen, heftige Fieberhitze wüthet in meinem Innern, ich zittere und bebe, ich bin kaum fähig zu seiner höchstnöthigen Rettung diese wenigen Zeilen zu schreiben. Ihr unerschütterlicher Vorsatz, theurer Vater, mich einem alten, mir äußerst verhaßten Manne in die Arme zu liefern, war die Ursache meiner Flucht, ich mußte sie wagen, weil ich in den Armen eines solchen Mannes verzweifelt seyn würde. Der redliche Konrad, welcher meine Ab- sicht nicht einmal kannte, und daher nichts straf- bares wähnen konnte, ward mein Begleiter, er gewann durch seine Treue und Aufrichtigkeit mein ganzes Vertrauen, ich sandte ihn in Augsburg
tuͤrlich und verzeihungswuͤrdig, daß er die Richter dringend bat, ſein ermordetes Kind nach aller Strenge der Geſetze zu raͤchen.
Schon war Konrads Todesurtheil geſprochen, ſchon ſollte der Unſchuldige am folgenden Tage auf der Richtſtaͤtte bluten, als Karolinens Vater aufs neue vor Gericht erſchien. Er hielt in ſeiner zitternden Hand einen Brief, den ihn eine Staf- fette uͤberbracht hatte, er konnte fuͤr Uebermaaß der Empfindung nicht ſprechen. Meine Tochter lebt! Mein Kind iſt nicht ermordet! rief er end- lich aus, und uͤberreichte dem Richter den Brief.
Ich habe, ſchrieb Karoline mit eigner Hand, eben durch einen Zufall erfahren, daß der redli- che, unſchuldige Konrad als mein Moͤrder vor Gerichte ſei angeklagt worden, dieſe ſchreckliche Nachricht hat mich aufs Krankenlager geworfen, heftige Fieberhitze wuͤthet in meinem Innern, ich zittere und bebe, ich bin kaum faͤhig zu ſeiner hoͤchſtnoͤthigen Rettung dieſe wenigen Zeilen zu ſchreiben. Ihr unerſchuͤtterlicher Vorſatz, theurer Vater, mich einem alten, mir aͤußerſt verhaßten Manne in die Arme zu liefern, war die Urſache meiner Flucht, ich mußte ſie wagen, weil ich in den Armen eines ſolchen Mannes verzweifelt ſeyn wuͤrde. Der redliche Konrad, welcher meine Ab- ſicht nicht einmal kannte, und daher nichts ſtraf- bares waͤhnen konnte, ward mein Begleiter, er gewann durch ſeine Treue und Aufrichtigkeit mein ganzes Vertrauen, ich ſandte ihn in Augsburg
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tuͤrlich und verzeihungswuͤrdig, daß er die Richter
dringend bat, ſein ermordetes Kind nach aller
Strenge der Geſetze zu raͤchen.
Schon war Konrads Todesurtheil geſprochen,
ſchon ſollte der Unſchuldige am folgenden Tage
auf der Richtſtaͤtte bluten, als Karolinens Vater
aufs neue vor Gericht erſchien. Er hielt in ſeiner
zitternden Hand einen Brief, den ihn eine Staf-
fette uͤberbracht hatte, er konnte fuͤr Uebermaaß
der Empfindung nicht ſprechen. Meine Tochter
lebt! Mein Kind iſt nicht ermordet! rief er end-
lich aus, und uͤberreichte dem Richter den Brief.
Ich habe, ſchrieb Karoline mit eigner Hand,
eben durch einen Zufall erfahren, daß der redli-
che, unſchuldige Konrad als mein Moͤrder vor
Gerichte ſei angeklagt worden, dieſe ſchreckliche
Nachricht hat mich aufs Krankenlager geworfen,
heftige Fieberhitze wuͤthet in meinem Innern, ich
zittere und bebe, ich bin kaum faͤhig zu ſeiner
hoͤchſtnoͤthigen Rettung dieſe wenigen Zeilen zu
ſchreiben. Ihr unerſchuͤtterlicher Vorſatz, theurer
Vater, mich einem alten, mir aͤußerſt verhaßten
Manne in die Arme zu liefern, war die Urſache
meiner Flucht, ich mußte ſie wagen, weil ich in
den Armen eines ſolchen Mannes verzweifelt ſeyn
wuͤrde. Der redliche Konrad, welcher meine Ab-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/132>, abgerufen am 16.02.2025.
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