Dies alles hinderte die Verstockten keineswe- ges, ihrer unglücklichen Schwester ganz allein die Ursache des väterlichen Todes aufzubürden, sie behaupteten sogar kühn, daß der Vatermörderin kein Theil am Erbe gebühre, und schwuren, eher den letzten Rock zu verganden, als ihr gutwillig einen Groschen zu übergeben. Dies, sprachen die anwesenden Bauern, werden wir hier beim Leich- name des Vaters nicht ausmachen, aber so viel schwören wir euch, daß es der Aermsten, wenn sie auch nicht das Geringste erhält, doch an nichts mangeln soll. Wir haben's dem sterbenden Vater gelobt, und werden treulich Wort halten. Seht zu, daß das ungerechte Haabe nicht einst auf eurer Seele brennt.
Mit Lottchen hatte es sich unter der sorgfälti- gen Pflege der Weiber abermals gebessert, sie konnte im Bette aufsitzen, und gab Hofnung, bald in der Stube herum zu gehen. Der Richter des Dorfs hatte am Sterbetage ihres Vaters die ganze Gemeinde versammlet, und mit ihr über Lottchens künftiges Schicksal gerathschlagt, alle hatten sich schriftlich verbunden, mit freudigem Herzen den ausfallenden Theil zu ihrer Versor- gung auf Lebenszeit beizutragen, des Richters einziger Sohn hatte sogar hinzugefügt, daß er, wenn Wilhelm nicht aus dem Kriege wiederkehre, ihr seine Hand bieten wolle, und mit ihr glückli-
Erst. Bändch. F
Dies alles hinderte die Verſtockten keineswe- ges, ihrer ungluͤcklichen Schweſter ganz allein die Urſache des vaͤterlichen Todes aufzubuͤrden, ſie behaupteten ſogar kuͤhn, daß der Vatermoͤrderin kein Theil am Erbe gebuͤhre, und ſchwuren, eher den letzten Rock zu verganden, als ihr gutwillig einen Groſchen zu uͤbergeben. Dies, ſprachen die anweſenden Bauern, werden wir hier beim Leich- name des Vaters nicht ausmachen, aber ſo viel ſchwoͤren wir euch, daß es der Aermſten, wenn ſie auch nicht das Geringſte erhaͤlt, doch an nichts mangeln ſoll. Wir haben's dem ſterbenden Vater gelobt, und werden treulich Wort halten. Seht zu, daß das ungerechte Haabe nicht einſt auf eurer Seele brennt.
Mit Lottchen hatte es ſich unter der ſorgfaͤlti- gen Pflege der Weiber abermals gebeſſert, ſie konnte im Bette aufſitzen, und gab Hofnung, bald in der Stube herum zu gehen. Der Richter des Dorfs hatte am Sterbetage ihres Vaters die ganze Gemeinde verſammlet, und mit ihr uͤber Lottchens kuͤnftiges Schickſal gerathſchlagt, alle hatten ſich ſchriftlich verbunden, mit freudigem Herzen den ausfallenden Theil zu ihrer Verſor- gung auf Lebenszeit beizutragen, des Richters einziger Sohn hatte ſogar hinzugefuͤgt, daß er, wenn Wilhelm nicht aus dem Kriege wiederkehre, ihr ſeine Hand bieten wolle, und mit ihr gluͤckli-
Erſt. Baͤndch. F
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Dies alles hinderte die Verſtockten keineswe-
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Urſache des vaͤterlichen Todes aufzubuͤrden, ſie
behaupteten ſogar kuͤhn, daß der Vatermoͤrderin
kein Theil am Erbe gebuͤhre, und ſchwuren, eher
den letzten Rock zu verganden, als ihr gutwillig
einen Groſchen zu uͤbergeben. Dies, ſprachen die
anweſenden Bauern, werden wir hier beim Leich-
name des Vaters nicht ausmachen, aber ſo viel
ſchwoͤren wir euch, daß es der Aermſten, wenn
ſie auch nicht das Geringſte erhaͤlt, doch an nichts
mangeln ſoll. Wir haben's dem ſterbenden Vater
gelobt, und werden treulich Wort halten. Seht
zu, daß das ungerechte Haabe nicht einſt auf
eurer Seele brennt.
Mit Lottchen hatte es ſich unter der ſorgfaͤlti-
gen Pflege der Weiber abermals gebeſſert, ſie
konnte im Bette aufſitzen, und gab Hofnung,
bald in der Stube herum zu gehen. Der Richter
des Dorfs hatte am Sterbetage ihres Vaters die
ganze Gemeinde verſammlet, und mit ihr uͤber
Lottchens kuͤnftiges Schickſal gerathſchlagt, alle
hatten ſich ſchriftlich verbunden, mit freudigem
Herzen den ausfallenden Theil zu ihrer Verſor-
gung auf Lebenszeit beizutragen, des Richters
einziger Sohn hatte ſogar hinzugefuͤgt, daß er,
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/95>, abgerufen am 16.02.2025.
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