Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.die Tasche, ergriff seinen Knotenstock, und wan- Wie ich am Schlosse anlangte, verkündigte die Taſche, ergriff ſeinen Knotenſtock, und wan- Wie ich am Schloſſe anlangte, verkuͤndigte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0048" n="34"/> die Taſche, ergriff ſeinen Knotenſtock, und wan-<lb/> derte feldeinwaͤrts. Ich wagte es nicht, ihm<lb/> nachzublicken, vielweniger zu folgen, und war<lb/> vollkommen zufrieden, daß er mir meine Kuͤhn-<lb/> heit ſo großmuͤthig vergeben hatte. Ich ſchlich<lb/> endlich auch weiter, die herrlichſten Kornfelder<lb/> wallten vor mir in unzaͤhlichen Wellen, ich wollte<lb/> die groͤßten Aehren meſſen, aber der tiefdenkende<lb/> Mann ſchien wieder vor mir zu ſtehen, und ich<lb/> wich ehrfurchtsvoll zuruͤck. Daß dieſer Mann ein<lb/> großer Philoſoph, ein tiefdenkender Forſcher, ein<lb/> Haller oder ein Euler ſeyn muͤſſe, kam mir nun<lb/> nicht mehr aus dem Sinne. Seine Phyſiognomie<lb/> hatte mich davon zu deutlich uͤberzeugt, und Zwei-<lb/> fel waͤre nach ſo feſter Ueberzeugung in dieſen Au-<lb/> genblicken Thorheit geweſen. Meine Neugierde<lb/> regte ſich nach und nach maͤchtig, ich wuͤnſchte ſo<lb/> herzlich zu erfahren: wer er eigentlich ſei? Ob<lb/> vielleicht, was mir am wahrſcheinlichſten duͤnkte,<lb/> der fremde Gelehrte in nahen Badoͤrtern die Kur<lb/> brauche, und gleich mir eine Spazierreiſe nach<lb/> dieſen ſchoͤnen Gefilden gemacht habe? Ueber bei-<lb/> de Fragen hofte ich daheim naͤhere, wenigſtens ei-<lb/> nige Auskunft zu hoͤren, und beſchleunigte daher<lb/> meinen Ruͤckweg.</p><lb/> <p>Wie ich am Schloſſe anlangte, verkuͤndigte<lb/> die Glocke den Mittag, ich eilte ſtaͤrker, und er-<lb/> blickte im Hofe auf's neue den mir ſo merkwuͤrdi-<lb/> gen, grauen Mann, er ſtand mit dem Ruͤcken ge-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [34/0048]
die Taſche, ergriff ſeinen Knotenſtock, und wan-
derte feldeinwaͤrts. Ich wagte es nicht, ihm
nachzublicken, vielweniger zu folgen, und war
vollkommen zufrieden, daß er mir meine Kuͤhn-
heit ſo großmuͤthig vergeben hatte. Ich ſchlich
endlich auch weiter, die herrlichſten Kornfelder
wallten vor mir in unzaͤhlichen Wellen, ich wollte
die groͤßten Aehren meſſen, aber der tiefdenkende
Mann ſchien wieder vor mir zu ſtehen, und ich
wich ehrfurchtsvoll zuruͤck. Daß dieſer Mann ein
großer Philoſoph, ein tiefdenkender Forſcher, ein
Haller oder ein Euler ſeyn muͤſſe, kam mir nun
nicht mehr aus dem Sinne. Seine Phyſiognomie
hatte mich davon zu deutlich uͤberzeugt, und Zwei-
fel waͤre nach ſo feſter Ueberzeugung in dieſen Au-
genblicken Thorheit geweſen. Meine Neugierde
regte ſich nach und nach maͤchtig, ich wuͤnſchte ſo
herzlich zu erfahren: wer er eigentlich ſei? Ob
vielleicht, was mir am wahrſcheinlichſten duͤnkte,
der fremde Gelehrte in nahen Badoͤrtern die Kur
brauche, und gleich mir eine Spazierreiſe nach
dieſen ſchoͤnen Gefilden gemacht habe? Ueber bei-
de Fragen hofte ich daheim naͤhere, wenigſtens ei-
nige Auskunft zu hoͤren, und beſchleunigte daher
meinen Ruͤckweg.
Wie ich am Schloſſe anlangte, verkuͤndigte
die Glocke den Mittag, ich eilte ſtaͤrker, und er-
blickte im Hofe auf's neue den mir ſo merkwuͤrdi-
gen, grauen Mann, er ſtand mit dem Ruͤcken ge-
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