Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.seyn, denn ich war so glücklich, zwei arme See- Sie gieng nun bergabwärts, faltete ihre Hän- ſeyn, denn ich war ſo gluͤcklich, zwei arme See- Sie gieng nun bergabwaͤrts, faltete ihre Haͤn- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0039" n="25"/> ſeyn, denn ich war ſo gluͤcklich, zwei arme See-<lb/> len zu erloͤſen! (<hi rendition="#g">mit Wehmuth</hi>). Wenn<lb/> ich <hi rendition="#g">ihn</hi> nur auch erloͤſen koͤnnte! Es wird mir<lb/> doch noch gelingen, die Mutter Gottes hat es<lb/> mir ſchon oft verſprochen! Wenn ich nur mit<lb/> dem rechten Fuß in die Kirche treten koͤnnte,<lb/> aber ſo ſehr ich mich auch bemuͤhe, ſo kommt der<lb/> linke immer voraus, und dann iſt s vorbei! Ich<lb/> muß nur recht fleißig beten, dann wird's ſchon<lb/> gehen, dann kann ich und er noch recht gluͤck-<lb/> lich werden.</p><lb/> <p>Sie gieng nun bergabwaͤrts, faltete ihre Haͤn-<lb/> de, machte einige Schritte, und blieb dann im-<lb/> mer gen Himmel blickend ſtehen. Die Mutter<lb/> folgte, ich gieng mit dieſer, und erfuhr von der<lb/> gutherzigen Alten noch manchen Umſtand, der mir<lb/> merkwuͤrdig duͤnkte. Kaͤtchen verabſcheut den<lb/> Tanz und kann keine Muſik hoͤren, wenn eine<lb/> Hochzeit vor ihrem Fenſter voruͤber zieht, ſo ver-<lb/> kriecht ſie ſich in ihr Bette, das ſie dann ſelten<lb/> an dieſem Tage wieder verlaͤßt; wenn aber eine<lb/> Leiche zum Thore hinaus getragen wird, ſo hin-<lb/> dert ſie nichts, ihr zu folgen, und lange am<lb/> Grabe des Verſtorbnen zu beten. Oft erſcheint<lb/> ihrem phantaſiereichen Auge die Mutter Gottes,<lb/> und verbietet ihr, die Stube zu verlaſſen, dann<lb/> iſt nichts vermoͤgend, ſie in's Freie zu locken,<lb/> wenn aber ein Soldat voruͤber geht, ſo eilt ſie,<lb/> ungeachtet des Verbots, hinaus, und ſtarrt ihm<lb/> lange nach. Sie geht ſehr fleißig in die Kirche,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [25/0039]
ſeyn, denn ich war ſo gluͤcklich, zwei arme See-
len zu erloͤſen! (mit Wehmuth). Wenn
ich ihn nur auch erloͤſen koͤnnte! Es wird mir
doch noch gelingen, die Mutter Gottes hat es
mir ſchon oft verſprochen! Wenn ich nur mit
dem rechten Fuß in die Kirche treten koͤnnte,
aber ſo ſehr ich mich auch bemuͤhe, ſo kommt der
linke immer voraus, und dann iſt s vorbei! Ich
muß nur recht fleißig beten, dann wird's ſchon
gehen, dann kann ich und er noch recht gluͤck-
lich werden.
Sie gieng nun bergabwaͤrts, faltete ihre Haͤn-
de, machte einige Schritte, und blieb dann im-
mer gen Himmel blickend ſtehen. Die Mutter
folgte, ich gieng mit dieſer, und erfuhr von der
gutherzigen Alten noch manchen Umſtand, der mir
merkwuͤrdig duͤnkte. Kaͤtchen verabſcheut den
Tanz und kann keine Muſik hoͤren, wenn eine
Hochzeit vor ihrem Fenſter voruͤber zieht, ſo ver-
kriecht ſie ſich in ihr Bette, das ſie dann ſelten
an dieſem Tage wieder verlaͤßt; wenn aber eine
Leiche zum Thore hinaus getragen wird, ſo hin-
dert ſie nichts, ihr zu folgen, und lange am
Grabe des Verſtorbnen zu beten. Oft erſcheint
ihrem phantaſiereichen Auge die Mutter Gottes,
und verbietet ihr, die Stube zu verlaſſen, dann
iſt nichts vermoͤgend, ſie in's Freie zu locken,
wenn aber ein Soldat voruͤber geht, ſo eilt ſie,
ungeachtet des Verbots, hinaus, und ſtarrt ihm
lange nach. Sie geht ſehr fleißig in die Kirche,
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