Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.Ich. Durch welchen Zufall ist sie denn wahn- Die Alte. Es kamen allerhand Umstände Kätchen. Ja, liebe Mutter, ja! (sie Die Alte. (zu ihr) Siehst du nicht, Kätchen. (mit zufriedner Miene) Die Alte. Daran fehlt's nie, wenn du nur Das arme, gute Kätchen schien diesen Vor- Ich. Durch welchen Zufall iſt ſie denn wahn- Die Alte. Es kamen allerhand Umſtaͤnde Kaͤtchen. Ja, liebe Mutter, ja! (ſie Die Alte. (zu ihr) Siehſt du nicht, Kaͤtchen. (mit zufriedner Miene) Die Alte. Daran fehlt's nie, wenn du nur Das arme, gute Kaͤtchen ſchien dieſen Vor- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0027" n="13"/> <p><hi rendition="#g">Ich</hi>. Durch welchen Zufall iſt ſie denn wahn-<lb/> ſinnig geworden?</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Alte</hi>. Es kamen allerhand Umſtaͤnde<lb/> zuſammen. Anfangs war ſie nur traurig und tief-<lb/> ſinnig, hernach fieng ſie an irre zu reden, und<lb/> ſo blieb's! <hi rendition="#g">(zu ihrer Tochter, welche ſich<lb/> eben aufrichtete)</hi> Kaͤthe! Kaͤthe! Wollen<lb/> wir nicht nach Hauſe gehen?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Kaͤtchen</hi>. Ja, liebe Mutter, ja! <hi rendition="#g">(ſie<lb/> kam zu uns herab, ſchien aber noch im-<lb/> mer zu beten)</hi>.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Alte. (zu ihr)</hi> Siehſt du <hi rendition="#g">nicht</hi>,<lb/> daß ein fremder Herr hier ſteht? (ſie <hi rendition="#g">gruͤßte<lb/> mich freundlich)</hi> Du biſt ſehr erhitzt! (<hi rendition="#g">ihr<lb/> den Schweiß abwiſchend</hi>) Ruhe ein wenig<lb/> aus, dann wollen wir wieder gehen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Kaͤtchen. (mit zufriedner Miene)</hi><lb/> Ich habe recht fleißig gebetet.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Alte</hi>. Daran fehlt's nie, wenn du nur<lb/> auch arbeiten wollteſt.</p><lb/> <p>Das arme, gute Kaͤtchen ſchien dieſen Vor-<lb/> wurf nicht zu hoͤren, ſie genoß mit zufriedner<lb/> Miene die Fruͤchte ihres Gebetes im Stillen,<lb/> und ſetzte ſich ruhig der Mutter zur Seite. Ich<lb/> hatte jetzt volle Gelegenheit, ſie genau zu betrach-<lb/> ten. Ihr Geſicht war wuͤrklich ſchoͤn, ihre wohl-<lb/> geformte Habichtsnaſe, ihr kleiner Mund, das<lb/> große, ſchmachtende Auge erhob es weit uͤber das<lb/> Alltaͤgliche! Wenn ſie ſtill vor ſich hinblickte, da<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [13/0027]
Ich. Durch welchen Zufall iſt ſie denn wahn-
ſinnig geworden?
Die Alte. Es kamen allerhand Umſtaͤnde
zuſammen. Anfangs war ſie nur traurig und tief-
ſinnig, hernach fieng ſie an irre zu reden, und
ſo blieb's! (zu ihrer Tochter, welche ſich
eben aufrichtete) Kaͤthe! Kaͤthe! Wollen
wir nicht nach Hauſe gehen?
Kaͤtchen. Ja, liebe Mutter, ja! (ſie
kam zu uns herab, ſchien aber noch im-
mer zu beten).
Die Alte. (zu ihr) Siehſt du nicht,
daß ein fremder Herr hier ſteht? (ſie gruͤßte
mich freundlich) Du biſt ſehr erhitzt! (ihr
den Schweiß abwiſchend) Ruhe ein wenig
aus, dann wollen wir wieder gehen.
Kaͤtchen. (mit zufriedner Miene)
Ich habe recht fleißig gebetet.
Die Alte. Daran fehlt's nie, wenn du nur
auch arbeiten wollteſt.
Das arme, gute Kaͤtchen ſchien dieſen Vor-
wurf nicht zu hoͤren, ſie genoß mit zufriedner
Miene die Fruͤchte ihres Gebetes im Stillen,
und ſetzte ſich ruhig der Mutter zur Seite. Ich
hatte jetzt volle Gelegenheit, ſie genau zu betrach-
ten. Ihr Geſicht war wuͤrklich ſchoͤn, ihre wohl-
geformte Habichtsnaſe, ihr kleiner Mund, das
große, ſchmachtende Auge erhob es weit uͤber das
Alltaͤgliche! Wenn ſie ſtill vor ſich hinblickte, da
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