Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.Hier lieg ich zu deinen Füßen, Mutter Jesu, hör mich an! Ich will meine Sünden büßen, Die ich jemals hab gethan! Darum rufe ich zu dir: Mutter Gottes! Ach, hilf mir! Wann einst kommt mein Lebensende, Und das matte Herz schon bricht, Dann, o Mutter, zu mir wende Dein liebreiches Angesicht! Darum rufe ich zu dir: Mutter Gottes! Ach, hilf mir! Als dieses dreimal wiederholte Lied geendigt Hier lieg ich zu deinen Fuͤßen, Mutter Jeſu, hoͤr mich an! Ich will meine Suͤnden buͤßen, Die ich jemals hab gethan! Darum rufe ich zu dir: Mutter Gottes! Ach, hilf mir! Wann einſt kommt mein Lebensende, Und das matte Herz ſchon bricht, Dann, o Mutter, zu mir wende Dein liebreiches Angeſicht! Darum rufe ich zu dir: Mutter Gottes! Ach, hilf mir! Als dieſes dreimal wiederholte Lied geendigt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0023" n="9"/> <lg n="2"> <l>Hier lieg ich zu deinen Fuͤßen,</l><lb/> <l>Mutter Jeſu, hoͤr mich an!</l><lb/> <l>Ich will meine Suͤnden buͤßen,</l><lb/> <l>Die ich jemals hab gethan!</l><lb/> <l>Darum rufe ich zu dir:</l><lb/> <l>Mutter Gottes! Ach, hilf mir!</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Wann einſt kommt mein Lebensende,</l><lb/> <l>Und das matte Herz ſchon bricht,</l><lb/> <l>Dann, o Mutter, zu mir wende</l><lb/> <l>Dein liebreiches Angeſicht!</l><lb/> <l>Darum rufe ich zu dir:</l><lb/> <l>Mutter Gottes! Ach, hilf mir!</l> </lg> </lg><lb/> <p>Als dieſes dreimal wiederholte Lied geendigt<lb/> war, kniete das Maͤdchen nieder, es betete auf's<lb/> neue inbruͤnſtig, und warf ſich endlich ganz auf<lb/> die Erde. Die Alte lagerte ſich unfern davon<lb/> auf einen Stein, ſtrickte emſig fort, und harrte<lb/> ruhig des Endes. Mehr als eine Viertelſtunde<lb/> herrſchte tiefe Stille um uns her, ich wagte es<lb/> nicht, das Maͤdchen in ſeiner Andacht zu ſtoͤren,<lb/> blieb unverruͤckt auf meinem Platze ſtehen. End-<lb/> lich erhob ſich die Betende, ihr feuriges, aber<lb/> Freude verkuͤndigendes Auge ſuchte die Alte.<lb/> Mutter, liebe Mutter, ſprach ſie im feſten, zu-<lb/> verſichtlichen Tone, ich habe die Seele des Moͤr-<lb/> ders, der unter mir ruht, erloͤßt, eben iſt er mir<lb/> erſchienen, und hat ſich freundlich bedankt.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [9/0023]
Hier lieg ich zu deinen Fuͤßen,
Mutter Jeſu, hoͤr mich an!
Ich will meine Suͤnden buͤßen,
Die ich jemals hab gethan!
Darum rufe ich zu dir:
Mutter Gottes! Ach, hilf mir!
Wann einſt kommt mein Lebensende,
Und das matte Herz ſchon bricht,
Dann, o Mutter, zu mir wende
Dein liebreiches Angeſicht!
Darum rufe ich zu dir:
Mutter Gottes! Ach, hilf mir!
Als dieſes dreimal wiederholte Lied geendigt
war, kniete das Maͤdchen nieder, es betete auf's
neue inbruͤnſtig, und warf ſich endlich ganz auf
die Erde. Die Alte lagerte ſich unfern davon
auf einen Stein, ſtrickte emſig fort, und harrte
ruhig des Endes. Mehr als eine Viertelſtunde
herrſchte tiefe Stille um uns her, ich wagte es
nicht, das Maͤdchen in ſeiner Andacht zu ſtoͤren,
blieb unverruͤckt auf meinem Platze ſtehen. End-
lich erhob ſich die Betende, ihr feuriges, aber
Freude verkuͤndigendes Auge ſuchte die Alte.
Mutter, liebe Mutter, ſprach ſie im feſten, zu-
verſichtlichen Tone, ich habe die Seele des Moͤr-
ders, der unter mir ruht, erloͤßt, eben iſt er mir
erſchienen, und hat ſich freundlich bedankt.
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