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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.

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Jakob. (gab seine Hände von der
Brust weg, und blickte starr auf Ma-
rien)
Nun, freut es dich nicht?

Marie. Was soll mich denn freuen? Daß
du wieder sprichst? Ja wohl freut's mich.

Jakob. Nein! Sieh nur her! ließ nur!

Marie. Was soll ich denn lesen?

Jakob. Daß ich dich immer noch von gan-
zem Herzen liebe, und ewig lieben werde.

Marie. Davon kann unter uns nicht mehr
die Rede sein!

Jakob. (traurig) Das weiß ich! Das
weiß ich! Denn du wirst den unglücklichsten al-
ler Menschen wohl nicht mehr lieben können; aber
es muß dich doch freuen, daß du so deutlich von
meiner Liebe überzeugt bist. Vor dir verberge ich
mein Herz nicht, du wirst immer alles Gutes
darinnen lesen; (heimlich) aber vor meinen
Brüdern und Schwestern muß ich's wohl verber-
gen, denn sie würden mich noch mehr verfolgen,
wenn sie so deutlich überzeugt würden, daß ich
sie von ganzem Herzen hasse.

Marie. (mit Verwunderung) Wie
sprichst du denn so albern? Wer wird denn in
deinem Herzen lesen können?

Jakob. Das fragst du, da ich dich doch
überzeugt habe? -- Ja, liebe Marie, ja!
(seufzend) Mit mir ist eine große Verände-
rung vorgegangen! Wer hätte dies glauben sol-

Jakob. (gab ſeine Haͤnde von der
Bruſt weg, und blickte ſtarr auf Ma-
rien)
Nun, freut es dich nicht?

Marie. Was ſoll mich denn freuen? Daß
du wieder ſprichſt? Ja wohl freut's mich.

Jakob. Nein! Sieh nur her! ließ nur!

Marie. Was ſoll ich denn leſen?

Jakob. Daß ich dich immer noch von gan-
zem Herzen liebe, und ewig lieben werde.

Marie. Davon kann unter uns nicht mehr
die Rede ſein!

Jakob. (traurig) Das weiß ich! Das
weiß ich! Denn du wirſt den ungluͤcklichſten al-
ler Menſchen wohl nicht mehr lieben koͤnnen; aber
es muß dich doch freuen, daß du ſo deutlich von
meiner Liebe uͤberzeugt biſt. Vor dir verberge ich
mein Herz nicht, du wirſt immer alles Gutes
darinnen leſen; (heimlich) aber vor meinen
Bruͤdern und Schweſtern muß ich's wohl verber-
gen, denn ſie wuͤrden mich noch mehr verfolgen,
wenn ſie ſo deutlich uͤberzeugt wuͤrden, daß ich
ſie von ganzem Herzen haſſe.

Marie. (mit Verwunderung) Wie
ſprichſt du denn ſo albern? Wer wird denn in
deinem Herzen leſen koͤnnen?

Jakob. Das fragſt du, da ich dich doch
uͤberzeugt habe? — Ja, liebe Marie, ja!
(ſeufzend) Mit mir iſt eine große Veraͤnde-
rung vorgegangen! Wer haͤtte dies glauben ſol-

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[110/0124] Jakob. (gab ſeine Haͤnde von der Bruſt weg, und blickte ſtarr auf Ma- rien) Nun, freut es dich nicht? Marie. Was ſoll mich denn freuen? Daß du wieder ſprichſt? Ja wohl freut's mich. Jakob. Nein! Sieh nur her! ließ nur! Marie. Was ſoll ich denn leſen? Jakob. Daß ich dich immer noch von gan- zem Herzen liebe, und ewig lieben werde. Marie. Davon kann unter uns nicht mehr die Rede ſein! Jakob. (traurig) Das weiß ich! Das weiß ich! Denn du wirſt den ungluͤcklichſten al- ler Menſchen wohl nicht mehr lieben koͤnnen; aber es muß dich doch freuen, daß du ſo deutlich von meiner Liebe uͤberzeugt biſt. Vor dir verberge ich mein Herz nicht, du wirſt immer alles Gutes darinnen leſen; (heimlich) aber vor meinen Bruͤdern und Schweſtern muß ich's wohl verber- gen, denn ſie wuͤrden mich noch mehr verfolgen, wenn ſie ſo deutlich uͤberzeugt wuͤrden, daß ich ſie von ganzem Herzen haſſe. Marie. (mit Verwunderung) Wie ſprichſt du denn ſo albern? Wer wird denn in deinem Herzen leſen koͤnnen? Jakob. Das fragſt du, da ich dich doch uͤberzeugt habe? — Ja, liebe Marie, ja! (ſeufzend) Mit mir iſt eine große Veraͤnde- rung vorgegangen! Wer haͤtte dies glauben ſol-

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/124>, abgerufen am 19.04.2024.