Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.len? Wer hätte denken können, daß es je mög- Marie. Lieber Jakob, was fällt dir denn Jakob. (heftig) Ich mich irren, da Marie. Ich sehe nichts, ich schwöre dir's Jakob. (zornig) Falsche, Ungetreue! len? Wer haͤtte denken koͤnnen, daß es je moͤg- Marie. Lieber Jakob, was faͤllt dir denn Jakob. (heftig) Ich mich irren, da Marie. Ich ſehe nichts, ich ſchwoͤre dir's Jakob. (zornig) Falſche, Ungetreue! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0125" n="111"/> len? Wer haͤtte denken koͤnnen, daß es je moͤg-<lb/> lich ſeyn wuͤrde? Und doch geſchah's! Auf Vet-<lb/> ter Michels Hochzeit, da wurde meine Bruſt zur<lb/> Laterne! — — Ich habe freilich in meinem Le-<lb/> ben oft und ſchwer geſuͤndigt, aber, lieber Gott<lb/> im Himmel! <hi rendition="#g">(weinend)</hi> dieſe Strafe habe ich<lb/> doch nicht verdient. Es iſt ſchrecklich, uͤberlege es<lb/> nur ſelbſt, es iſt ſchrecklich, wenn jeder Menſch<lb/> mir nun ins Herz ſehen, und meine geheim-<lb/> ſten Gedanken ſogleich auf der Stelle entdecken<lb/> kann.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Marie</hi>. Lieber Jakob, was faͤllt dir denn<lb/> ein? Du irrſt dich ganz — —</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Jakob. (heftig)</hi> Ich mich irren, da<lb/> ich dich und mich jeden Augenblick uͤberzeugen<lb/> kann? <hi rendition="#g">(reißt ſeine Weſte auf, und zeigt<lb/> ihr die bloße Bruſt)</hi> Siehſt du? Iſt hier<lb/> und hier nicht alles von Glas, ſo durchſichtig,<lb/> als ob's Kriſtall waͤre? Siehſt du mein Herz,<lb/> und alle meine Gedanken darinne? Zweifelſt du<lb/> jetzt noch?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Marie</hi>. Ich ſehe nichts, ich ſchwoͤre dir's<lb/> bei Gott und ſeiner heiligen Mutter, daß deine<lb/> Bruſt keinem Glaſe aͤhnlich ſieht, daß — —</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Jakob. (zornig)</hi> Falſche, Ungetreue!<lb/> Ich ſehe es ſchon, auch du haſt dich mit meinen<lb/> Feinden verſchworen, willſt mich hintergehen, und<lb/> unter die Leute locken, damit alle, was ich denke,<lb/> ſehen und leſen koͤnnen. Aber du betruͤgſt dich,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [111/0125]
len? Wer haͤtte denken koͤnnen, daß es je moͤg-
lich ſeyn wuͤrde? Und doch geſchah's! Auf Vet-
ter Michels Hochzeit, da wurde meine Bruſt zur
Laterne! — — Ich habe freilich in meinem Le-
ben oft und ſchwer geſuͤndigt, aber, lieber Gott
im Himmel! (weinend) dieſe Strafe habe ich
doch nicht verdient. Es iſt ſchrecklich, uͤberlege es
nur ſelbſt, es iſt ſchrecklich, wenn jeder Menſch
mir nun ins Herz ſehen, und meine geheim-
ſten Gedanken ſogleich auf der Stelle entdecken
kann.
Marie. Lieber Jakob, was faͤllt dir denn
ein? Du irrſt dich ganz — —
Jakob. (heftig) Ich mich irren, da
ich dich und mich jeden Augenblick uͤberzeugen
kann? (reißt ſeine Weſte auf, und zeigt
ihr die bloße Bruſt) Siehſt du? Iſt hier
und hier nicht alles von Glas, ſo durchſichtig,
als ob's Kriſtall waͤre? Siehſt du mein Herz,
und alle meine Gedanken darinne? Zweifelſt du
jetzt noch?
Marie. Ich ſehe nichts, ich ſchwoͤre dir's
bei Gott und ſeiner heiligen Mutter, daß deine
Bruſt keinem Glaſe aͤhnlich ſieht, daß — —
Jakob. (zornig) Falſche, Ungetreue!
Ich ſehe es ſchon, auch du haſt dich mit meinen
Feinden verſchworen, willſt mich hintergehen, und
unter die Leute locken, damit alle, was ich denke,
ſehen und leſen koͤnnen. Aber du betruͤgſt dich,
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